Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Innenminister Pistorius das Wort. Bitte schön, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits erwähnt worden: Es ist längst keine Hypothese mehr, es ist auch längst keine politische Forderung mehr, Deutschland ist ein Einwanderungsland.
Wer aus den verschiedenen Gründen, die aus Zeitgründen nicht ausführlich ausgeführt werden können, ein Einwanderungsland in der globalen Welt sein will oder sein muss, der braucht ein zeitgemäßes und diskriminierungsfreies Staatsangehörigkeitsrecht. Das ist unverzichtbar, wenn man auf diesem Weg erfolgreich in die Zukunft gehen will.
Die Diskussion über das Optionsverfahren ist so alt wie das Verfahren selbst. Ich will hier nicht noch einmal all die Beweggründe zitieren, mit denen das Staatsangehörigkeitsrecht Ende der 90er-Jahre reformiert wurde. Schon damals - ich darf daran erinnern - gab es erhebliche Vorbehalte. Tatsache ist: Das entstandene Optionsverfahren ist für die Betroffenen unzumutbar.
Seine Anwendung führt zu erheblichen Problemen, seit die ersten Optionspflichtigen im Jahr 2008 das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Die derzeitige Regelung führt nämlich dazu, dass deutsche Staatsangehörige ungleich behandelt werden. Ihnen werden unterschiedliche Rechte und Pflichten abverlangt, und zwar in Abhängigkeit von ihrer Abstammung. Das ist schlicht und ergreifend das falsche integrationspolitische Signal.
Der Ansatz ist diskriminierend und widerspricht den Idealen einer modernen Einwanderungsgesellschaft, die wir sein müssen und - ich füge jedenfalls für die SPD-Fraktion und sicherlich auch für die Grünen-Fraktion hinzu - sein wollen, meine Damen und Herren.
Ganz am Rande sei erwähnt, dass dieses Verfahren auch die Kommunen in außerordentlicher Weise belastet. Das alles können Sie sich ausmalen. Das Verfahren kann sich über bis zu fünf Jahre hinziehen, und mögliche Rechtstreitigkeiten können sich anschließen. Das führt zu mehreren Jahren Unsicherheit für die Betroffenen. Man muss sich an dieser Stelle objektiv fragen: Ist dieser bürokratische Aufwand den Kommunen überhaupt zuzumuten und wofür eigentlich?
Bei dem Beitrag der Vorredner habe ich vorhin während der Darstellung der Optionspflicht so, wie wir sie heute haben, Klatschen aus den Reihen der CDU-Fraktion gehört. Ich möchte Ihnen dazu die Frage stellen: Haben Sie eigentlich den Koalitionsvertrag aus Berlin gelesen? - Ihre Parteifreunde in Berlin haben sich auf unseren Verhandlungsdruck hin bewegt und nach zähen Verhandlungen endlich zugegeben, dass die Optionspflicht von gestern ist und abgeschafft gehört. Und Sie klatschen, wenn das Modell von heute dargestellt wird? - Sie müssen sich wirklich fragen, was Sie am Ende wollen.
Ich freue mich, dass mit dem Koalitionsvertrag in Berlin endlich eine Besserung in dieser Frage erreicht wird. Wir von der SPD konnten in den Koalitionsverhandlungen einen großen Schritt hin zur Abschaffung der Optionspflicht machen. Wir waren das, meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich noch etwas sagen, auch an die Adresse von Frau Özkan gerichtet: Sie war in der Arbeitsgruppe „Migration“, wenn ich mich recht erinnere. Ich war in der Arbeitsgruppe „Inneres und Recht“. Wir haben unsere Arbeit - das ist auch durch die Presse gegangen - mit einem in der Arbeitsgruppe konsentierten Papier abgeschlossen, in dem das Merkmal „und aufgewachsen“ noch nicht stand. Das ist in weiteren Verhandlungen auf anderen Ebenen - von welchem Ministerpräsidenten eines B-Landes auch immer - hineinverhandelt worden, meine Damen und Herren.
Ich will sehr deutlich sagen: Der Vertrag ist geschlossen. - Wir alle wissen, eine Mitgliederbefragung kann nicht dazu führen, dass man sich einzelne Punkte aus einem Koalitionsvertrag heraussuchen kann, der zur Abstimmung vorgelegt wird. Fest steht auch, wir müssen mit diesem Koalitionsvertrag in Berlin leben. Das wird die SPD-Fraktion dort auch tun.
Herr Minister, ich darf Sie unterbrechen und fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Özkan zulassen.
Vielen Dank. - Da wir beide verhandelt haben, wissen wir, dass dieses Thema der doppelten Staatsbürgerschaft aus den Verhandlungsrunden „Zuwanderung“ und „Inneres und Justiz“ ausgeklammert wurde. Wir haben lange diskutiert.
Frau Kollegin, kommen Sie jetzt zu Ihrer Frage! Ich habe Sie bisher nicht unterbrochen. Nehmen Sie die Zwischenrufe so hin. Jetzt muss die Frage kommen.
Herr Innenminister Pistorius, ist es nicht so gewesen, dass diese Frage zur abschließenden Runde auf die Ebene der drei Parteivorsitzenden gegeben wurde, in der es am Ende fünf oder sechs Punkte gab und dieser Kompromiss entstanden ist, damit andere Punkte wie die Rente mit 63 verabschiedet werden konnten?
Das war aber genau mit dem Zwischenergebnis der Fall, mit dem wir aus der Runde herausgegangen sind. Sie selbst haben in der Frage mitdiskutiert. Wir waren uns einig und haben gesagt: Wir müssen kein Ergebnis festhalten, aber es geht dann in die Spitzenrunde. - Da ist das Wort „aufgewachsen“ hineingekommen. Aber darüber können wir uns lange streiten.
Dieser Koalitionsvertrag steht, meine Damen und Herren. Jetzt geht es um Folgendes: Wie gehen wir mit diesem Koalitionsvertrag um?
Wollen Sie wirklich den beiden Fraktionen auf dieser Seite des Hauses das Recht absprechen, eine eigene politische Forderung an die Bundesregierung zu stellen? - Ich finde, eine solche Forderung ist legitim, und zwar auch legitim vor dem Hintergrund, dass die Verhandlungen über einen neuen Gesetzentwurf erst noch bevorstehen.
Dann ist es richtig und notwendig, diese Debatte auch zu führen. Es ist falsch, wenn hier erklärt wird: Die SPD-Bundestagsfraktion hat gesagt, an diesem Gesetzentwurf von Herrn de Maizière wird nichts mehr geändert. - Mitnichten, meine Damen und Herren. Der Justizminister hat zusammen mit anderen Politikern der SPD-Bundestagsfraktion den Auftrag, einen alternativen Gesetzentwurf vorzulegen, und zwar auch entgegen dem Entwurf von Herrn de Maizière.
Wenn meine Informationen richtig sind, dann ist man dort auf einem guten Weg. Das ist richtig und notwendig, weil es um eine einfache Frage geht. Ich will gerne einen Beitrag dazu leisten, dass wir hier etwas Emotionalität aus dieser Diskussion herausnehmen.
denn wohl der 17-jährige angehende Abiturient eines Gymnasiums aus Niedersachsen denkt, wenn er diese Debatte hört, worum es eigentlich geht. Ich finde, eine Staatsangehörigkeit ist kein Spielzeug, sondern eine Staatsangehörigkeit ist Ausdruck einer Herkunft. Man legt sie nicht einfach ab wie einen Mantel, man legt sie nicht „einfach so“ ab. Deswegen bin ich der Auffassung, dass wir ein Modell brauchen, das diesen Menschen gerecht wird. Wenn im Koalitionsvertrag in Berlin „und aufgewachsen“ steht, dann wird es einen Kompromiss geben, der ein Ziel haben muss: Die Menschen, die heute optieren müssen, dürfen in Zukunft nicht schlechter gestellt sein als heute.
Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Minister. Man muss den Eindruck gewinnen, dass Sie hier Sonntagsreden halten und in Berlin nicht Farbe bekennen wollen.
Frau Özkan und Herr Oetjen haben das zu Recht gesagt. Es gibt drei Bundesländer, die eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht haben.