Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Das Problem, vor dem wir in Niedersachsen stehen - sei es bei den Krankenhäusern im ländlichen Raum, sei es im Bereich der pflegerischen Versorgung im ländlichen Raum - zeigt genau, dass der Markt nur dort funktioniert, wo die Dinge wirtschaftlich zu erbringen sind. Das ist die Logik des Marktes, und das ist beim derzeitigen Stand der Dinge in den Zentren, in den Städten der Fall, nicht aber im ländlichen Bereich.

Wenn Sie sich z. B. vorstellen, dass wir im Bereich der ambulanten Pflege identische Entgelte haben - völlig unabhängig davon, ob ein Pflegedienst in Hannover in einem Hochhausgebiet von Tür zu Tür geht oder ob im ländlichen Raum 15 bis 20 km zum nächsten Pflegebedürftigen zurückzulegen

sind -, können Sie ermessen, in welchen Bereichen wirtschaftlich gearbeitet werden kann und in welchen nicht.

Insofern ist sehr klar, dass die bestehenden Rahmenbedingungen den ländlichen Raum benachteiligen und dazu führen werden, dass wir dort, wenn wir keine Änderungen umsetzen, eine deutliche Lücke im Bereich der Pflege haben werden.

Ansonsten muss ich sagen, dass sich der Markt auch nicht in Bezug auf Investoren und Ähnliches bewährt hat. Natürlich gehen die Investoren ebenfalls in die Zentren hinein. Zurzeit gibt es keine Möglichkeiten der Bedarfsplanung, d. h. der Versagung von weiteren Investitionen in Pflegeeinrichtungen dort, wo es den Investoren - teilweise sind dies inzwischen Hedgefonds - interessant erscheint. Wir haben eine deutliche Überbesetzung gerade im innerstädtischen Bereich und eine deutliche Mangelsituation im ländlichen Bereich. Auch da muss man sagen: Der Markt funktioniert an dieser Stelle ganz eindeutig nicht.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wie wollen Sie diese Lücke ausgleichen?)

Auch im Bereich der Vergütungen der Pflegekräfte funktioniert der Markt nicht. Dort haben wir das Phänomen, dass gerade in Bereichen, in denen wenig tarifgebundene Anbieter unterwegs sind, insgesamt Dumpinglöhne gezahlt werden und die übrigen Einrichtungen, die nach Tarif zahlen, im Vergleich zu denen, die deutlich unter Tarif zahlen, nicht mehr konkurrenzfähig sind. Der Markt belohnt also Tarifflucht. Auch das ist sicherlich nicht begrüßenswert, weil die Schlechtbezahlung der Pflegekräfte bzw. Dumpinglöhne in der Pflege mit absoluter Sicherheit dazu führen werden, dass wir zukünftig keine Pflegekräfte mehr gewinnen können, dass dieser Beruf unattraktiv ist. Bei einem Bedarf von zusätzlichen 50 000 Pflegefachkräften bis zum Jahr 2030 wird es uns sehr weh tun, wenn das nicht funktioniert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion der CDU der Kollege Reinhold Hilbers. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme auf die letzte Aussage zurück. Sie haben gesagt, dass Sie den Markt und den Wettbewerb in diesem Bereich, der natürlich unter strengen Spielregeln stattfinden muss, nicht favorisieren, und Sie haben die Mängel aufgezeigt. Welches System wollen Sie denn? Wollen Sie zum System staatlich festgesetzter Pflegesätze zurück? Wollen Sie zum System des Selbstkostendeckungsprinzips zurück? Wohin wollen Sie das entwickeln?

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Frau Ministerin, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden uns auf der einen Seite im Bereich der investiven Maßnahmen darüber Gedanken machen müssen, ob wir zu einer Art Bedarfsplanung zurückkommen wollen. Diese müsste bei den Kommunen liegen. Das setzt allerdings eine Änderung des Bundesrechts voraus; das ist überhaupt keine Frage.

Was den Bereich der Betriebskosten betrifft, denke ich, ist zunächst einmal nach wie vor die Selbstverwaltung gefragt. Wir stellen aber auch fest, dass Selbstverwaltung in einem unterfinanzierten System - wie im pflegerischen Bereich - nicht mehr funktioniert.

Ich habe Ihnen gerade den Bereich des PflegeNeuausrichtungs-Gesetzes genannt. Dort mussten wir feststellen, dass es einen klaren gesetzgeberischen Auftrag an die Selbstverwaltung gab, Vergütungsvereinbarungen für Zeiteinheiten abzuschließen. Die Selbstverwaltung war aber nicht in der Lage, dies umzusetzen. Erst durch energisches moderierendes Eingreifen konnte dies umgesetzt werden.

Die Frage der Selbstverwaltung sowohl im pflegerischen Bereich als auch in anderen Bereichen wird im Übrigen auch auf Länderebene inzwischen diskutiert. Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, ob wir entweder die Selbstverwaltung deutlich besser finanziell ausstatten, sodass sie ihren Aufgaben gerecht werden kann, oder ob wir zu anderen Systemen - sprich: mehr staatliche Planung in dem Bereich - zurückkehren. Im Moment wird dies noch offen diskutiert.

(Zustimmung bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Sie sagen, das System funkti- oniert nicht, und haben keine Antwort! - Jörg Hillmer [CDU]: Keine Meinung! - Gegenruf von Uwe Schwarz [SPD]: Das ist ein Bundesgesetz!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ruhe, bitte!

Meine Damen und Herren, die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion der SPD Frau Dr. Thela Wernstedt. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie hoch die Pflegesätze in Niedersachsen im Vergleich zu den anderen Flächenländern in Deutschland sind und wie sich die Differenz im Vergleich zu den anderen Ländern in den letzten zehn Jahren entwickelt hat.

(Norbert Böhlke [CDU]: Habt ihr nur bestellte Fragen?)

Danke schön. - Frau Ministerin, bitte sehr!

Nach der amtlichen Bundesstatistik werden diese Daten im zweijährigen Rhythmus erfasst. Das heißt, die letzten uns vorliegenden validen Daten sind aus dem Jahr 2011. 2011 betrug der durchschnittliche Pflegesatz in der Pflegestufe II in Niedersachsen 69,29 Euro pro Pflegetag inklusive Unterkunft und Verpflegung. Investitionskosten kommen jeweils noch dazu.

In den westdeutschen Ländern lag der Satz im Durchschnitt bei 80,92 Euro pro Tag, also um 11,63 Euro höher; das sind 16,8 %. 2003 war die Differenz deutlich niedriger. Sie lag bei 9,27 Euro, also 14,3 %.

Genau deswegen ist es mir sehr wichtig, auch für Niedersachsen einmal überproportionale Steigerungen zu erreichen. Wir sind in sehr engen Gesprächen mit den Verhandlungspartnern in diesem Bereich. Ich glaube auch, dass die Verhandlungspartner, insbesondere die Kostenträger, durchaus eingesehen haben, dass möglicherweise kurzfristige Einsparungen dazu führen, dass wir langfristig ohne Fachkräfte dastehen werden.

Widerstand gibt es weniger bei den allgemeinen Steigerungen, sondern bei der Frage einer Konvergenzphase, die zusätzlich zu den allgemeinen Steigerungen vereinbart werden müsste. Das ruft im Moment nach wie vor erheblichen Widerstand hervor, insbesondere bei den kommunalen Spitzenverbänden.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion der CDU Kollege Hilbers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss noch einmal auf die Antwort der Ministerin auf die Frage von eben zurückkommen, wo Sie denn zukünftig hinwollen.

Sie haben offengelassen, ob Sie das, was Sie im Wahlkampf - Sie persönlich, aber auch andere aus Ihren Reihen - angedeutet haben, nämlich dass die Pflegesätze staatlich festgesetzt werden sollten, konkret umsetzen wollen, ob Sie hier eine Veränderung wollen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das hat keiner gesagt!)

Frau Ministerin, bitte sehr!

Herr Hilbers, mir wird ja vieles unterstellt, aber das war das erste Mal, dass mir unterstellt wurde, dass ich sozusagen die volle Planwirtschaft in diesen Bereichen einführen wollen würde.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ich trauen Ihnen alles zu!)

Ich habe, glaube ich, sehr deutlich ausgeführt, dass wir im Moment überlegen, ob und wie wir Selbstverwaltung stärken können, damit die Selbstverwaltung überhaupt in der Lage ist, das, was der Bundesgesetzgeber vorgibt, in die Tat umzusetzen.

Inhaltlich - ich glaube, das hatte ich zu Anfang schon beantwortet - bin ich sehr dafür, dass wir endlich in Niedersachsen bei den Entgeltsätzen auf den Bundesdurchschnitt kommen. Da wären z. B. auch bundesrechtliche Vorgaben möglich wie bei den Landesbasisfallwerten im Krankenhausbereich. Dort sieht der Bundesgesetzgeber eine Kon

vergenz vor. All dies hat mit „staatlicher Planwirtschaft“ noch nichts zu tun; davon redet bei den Krankenhäusern auch niemand.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion der CDU Herr Kollege Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: Was haben Sie für die Auszubildenden und Beschäftigten im Bereich der Pflege konkret erreicht, außer das von der CDU-geführten Landesregierung eingeführte Schulfördergeld in ein Gesetz zu kleiden?

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Für die Landesregierung Frau Sozialministerin Rundt!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zunächst einmal haben wir dafür gesorgt, dass in diesem Bereich überhaupt wieder Geld zur Verfügung steht, damit das Ganze umgesetzt werden konnte. Denn die frühere Landesregierung hat uns leere Kassen und eine Richtlinie hinterlassen, die nicht umsetzbar war.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU - Norbert Böhlke [CDU]: Na, na, na! Aus dem Vollen habt ihr geschöpft! - Editha Lorberg [CDU]: Das ist pein- lich! - Weitere Zurufe von der CDU)

Einen Moment bitte, Frau Ministerin! - Ruhe, bitte!

Zweitens überlassen wir es eben nicht mehr dem Zufall, ob gerade Geld da ist oder nicht, sondern wir stellen das Ganze auf gesetzliche Füße.

Der dritte Punkt ist die Wiedereinführung einer Altenpflegeumlage. Wir sind gerade dabei, das

Ganze über Gutachten rechtssicher auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Die nächste und damit letzte Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt der Kollege Böhlke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Landesregierung fragen, ob sie gemäß den Vorgaben der Fachkommission Pflege auch weiterhin verstärkte Anstrengungen unternehmen will, um eine Zusammenführung der Grundausbildung von Altenpflege, Krankenpflege und auch Gesundheitspflege zu realisieren. Diese Initiative ist ja schon von der alten Landesregierung, Ihrer Vorgängerregierung, auf den Weg gebracht worden. Ich möchte gerne wissen, wie die konkreten Schritte im Einzelnen aussehen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das waren wie- der zwei Fragen! - Gegenruf von Nor- bert Böhlke [CDU]: Das ist immer eine Frage, die ich stelle!)