Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt vom Kollegen Tanke, SPD-Fraktion. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund Ihrer Erläuterung zu den Veränderungen zur Selbstanzeige bei dem genannten Finanzministertreffen, Herr Minister, frage ich Sie zu dem Grundsatz: Ist es eigentlich gerechter, die Selbstanzeige beizubehalten oder abzuschaffen?
(Heinz Rolfes [CDU]: Es kommt dar- auf an! - Reinhold Hilbers [CDU]: Das hat er vorhin schon gesagt! Sie haben nicht zugehört!)
Herr Tanke, dazu habe ich vorhin schon einiges gesagt. Vielleicht noch einmal die drei wichtigsten Argumente vorweg, weshalb die Abschaffung der falsche Weg wäre:
Erstens. Eine Abschaffung der Selbstanzeigemöglichkeit nur für die großen Fische - diesen Vorschlag gibt es ja auch - hätte irrwitzige Folgen, wie ich gleich noch einmal erklären will.
Zweitens. Der Staat würde Steuereinnahmen, die bisher über die Selbstanzeigen hereinkommen, in diesem Umfang nicht mehr erzielen können. So viel Strafverfolgung können wir gar nicht leisten.
Drittens. Im Übrigen würde der Staat allgemeine Erkenntnisse, die er aus diesen Selbstanzeigen bekommt - insbesondere wenn es um Geld geht, das im Ausland geparkt worden ist - und die zur Verbesserung des Gesamtsystems von Vorteil sind, dann nicht mehr bekommen.
Zu den Hintergründen der Selbstanzeigeregelung habe ich bereits vorhin einiges gesagt. Derzeit ist die strafbefreiende Selbstanzeige nur bis zur Grenze von 50 000 Euro möglich. Oberhalb dieser Grenze gibt es keine strafbefreiende Selbstanzei
ge. Es gibt ein Strafverfolgungshindernis, das an weitere Voraussetzungen geknüpft ist. Da geht es insbesondere um den Zuschlag von 5 %; das hatte ich schon erwähnt. Es gibt im Übrigen die interessante Rechtsfrage: Wie weit könnte man über 10 % hinausgehen? - Das ist einer der Prüfaufträge. Dies ist eine rechtspolitische Frage, weil wir uns dann in einem anderen Feld bewegen als nur dem reinen Steuerrecht.
Jedenfalls ist die strafbefreiende Selbstanzeige in Bagatellfällen ein sinnvolles und ein nützliches Instrument für die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit. Allerdings bedarf die generalpräventive Wirkung der Strafrechtsnorm stärkerer Beachtung als bisher.
Dazu gehört z. B. auch, dass künftig eine Selbstanzeige nur noch dann wirksam sein sollte, wenn eine wirtschaftliche Offenlegung aller steuerlich noch nicht verjährten Zeiträume durch den Steuerhinterzieher erfolgt. Im Moment fallen ja die strafrechtliche Regelung - fünf Jahre - und die steuerrechtliche - zehn Jahre - auseinander. Hier besteht nach meiner Beurteilung zwischen den Ländern und auch mit dem Bund Konsens, dass das parallelisiert wird, also die Offenlegungspflicht auf zehn Jahre ausgedehnt wird
Ich hatte versprochen, noch etwas dazu zu sagen, weshalb es problematisch ist, den großen Fischen die Selbstanzeige nicht mehr zu ermöglichen. Ein Beispiel:
Ein Steuerpflichtiger hat ein großes Kapitalvermögen, und er hat die Einkünfte daraus über lange Jahre dem Finanzamt gegenüber verschwiegen. Aufgrund der Größenordnung der Steuerhinterziehung mindestens einzelner Jahre ist für ihn - wenn die Möglichkeit abgeschafft würde - eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich. Nun wird seine Straftat - das unterstelle ich in diesem Beispiel - im Zuge der Prüfung einer aktuellen Steuererklärung entdeckt. Er landet vor Gericht, und es wird festgestellt: Die erste, auslösende Straftat liegt 15 Jahre zurück. Sie ist somit verjährt und kann nicht mehr herangezogen werden. Durch die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige ist bei meinem Beispiel dem Steuerzieher mittlerweile die Möglichkeit der Rückkehr ohne Selbstbezichtigung versperrt. Dieser Mensch kann sich
dann vor Gericht darauf berufen, dass ihm diese Möglichkeit abgeschnitten ist, dass er sich also selbst hätte bezichtigen müssen. Ich erinnere an die vorhin erwähnte Regelung „nemo tenetur“. Er wird sich darauf berufen können und mit diesem Argumente eine mildere Bestrafung erwarten und wahrscheinlich auch erreichen können.
Bei einem zweiten Steuerhinterzieher bleibt die Größenordnung der Steuerhinterziehung unterhalb der Schwelle. Für ihn wäre also eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich gewesen. Aber auch er hat sich nicht selbst angezeigt. Den würde das Gesetz in voller Härte treffen.
Den großen Fisch - in Klammern: H. - würde das Gericht unter Berufung auf den eben geschilderten Sachverhalt milde beurteilen, während der kleinere in voller Härte getroffen würde.
Deswegen bewirkt die populistische Forderung, den ganz dicken Fischen keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr zu ermöglichen, genau das Gegenteil von dem, was diejenigen erreichen wollen, die diese Forderung erheben.
(Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig! Aber diese Forderung wurde noch vor einem Jahr gerade von der linken Sei- te erhoben!)
Sie merken, das ganze Thema ist interessant. Es hat viel mehr Facetten, als manch einer überblickt, der darüber diskutiert und sich dazu äußert.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen noch einige Meldungen zu Zusatzfragen vor. Es folgt Frau Elke Twesten, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie von Herrn Finanzminister Schneider bereits festgestellt, könnte die Strafrechtsverfolgung bei Selbstanzeige mit dem Ziel eines gerechteren Vollzugs verschärft werden. Meine Frage: Wie könnte eine mögliche Strafrechtsverschärfung
Meine Damen und Herren! Frau Twesten, wir werden einen Kompromiss zwischen den Ländern und mit dem Bund suchen müssen.
Wie ich eben gesagt habe, zeichnet sich ab, dass wir die Offenlegungspflicht von fünf auf zehn Jahre ausdehnen werden.
Ich bin auch ganz sicher, dass wir den Zuschlag von 5 % auf mindestens 10 % erhöhen werden. Alternativ wird vorgeschlagen - z. B. von BadenWürttemberg -, tiefer anzusetzen, z. B. bei 5 000 Euro, und dann eine Staffel zu machen, die bei 10 oder 12 % landet. Ich persönlich bin kein großer Freund solcher bürokratischer Überlegungen. Ich bin hier für eine klare Botschaft: den Zuschlag von 5 auf 10 % erhöhen und die Schwelle von 50 000 Euro senken; ein Kompromiss könnten 25 000 Euro sein. Da wir Finanzminister bemüht sind, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen und auch den Bund mit ins Boot zu holen, werden wir uns am Ende - da bin ich ziemlich sicher - irgendwo in diesem Bereich finden.
Das ist das Spektrum, um das es hier geht. Das ist der Kern der Dinge. Alles andere - notwendige rechtliche Klarstellungen an dieser oder jener Stelle - ist eher Rankenwerk, aber nicht Kern des Geschehens. Das brauche ich jetzt sicherlich nicht im Einzelnen auszuführen.
Vielen Dank, Herr Minister Schneider. - Die nächste Zusatzfrage: Abgeordneter Holger Heymann, SPD-Fraktion.
(Heiterkeit - Zuruf von der CDU: Im Zweifel ja! - Reinhold Hilbers [CDU]: Herr Matthiesen hat viele Fans! Zu Recht!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sich aktuell die Gewinnung von Nachwuchskräften für die Steuerverwaltung darstellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle haben sicherlich zur Kenntnis genommen, dass sich der Beamtenbund Sorgen um die Nachwuchsgewinnung generell und auch im Bereich der Steuerverwaltung macht. Daher bin ich sehr dankbar, die Gelegenheit zu haben, zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
Wir erwarten bis 2020 Personalabgänge aus der Steuerverwaltung in der Größenordnung von 3 230 Vollzeiteinheiten. Wir haben eine ganze Menge Teilzeitkräfte; deshalb unterscheiden sich die Zahl der Köpfe und die Zahl der Vollzeiteinheiten deutlich.