Protokoll der Sitzung vom 28.03.2014

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich komme jetzt allerdings zum Schluss.

Im Ergebnis ist die strafbefreiende Selbstanzeige in Bagatellfällen für die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit aus Sicht der Landesregierung ein sinnvolles und nützliches Instrument. Eine generelle Abschaffung befürworten wir nicht. Jedoch bedarf die generalpräventive Wirkung der Strafrechtsnorm einer stärkeren Beachtung, als dies nach den bisherigen Regelungen der Fall ist. Die strafbefreiende Selbstanzeige sollte nach Auffassung der Landesregierungen - somit natürlich auch der hiesigen - einer kritischen Würdigung unter Beachtung der dargestellten rechtlichen Rahmenbedingungen unterzogen werden. Dabei wird auch die derzeitige wirtschaftliche Offenlegung aller steuerlich noch nicht verjährten Zeiträume in die Überlegung einzubeziehen sein. Im Moment fallen das Strafrecht und das Steuerrecht hinsichtlich der Verjährungswirkung ja noch auseinander.

Das sind die Fragen, an denen wir arbeiten.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei denen, die aufmerksam waren, für deren Aufmerksamkeit, beim Herrn Präsidenten für seine Unterstützung. Ich bin natürlich gern bereit, weitere Fragen zu beantworten.

Danke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Anhaltende Unruhe)

Vielen Dank, Herr Minister Schneider. - Meine Damen und Herren, noch einmal: Ich bitte um Ruhe. - Jetzt sind Zusatzfragen möglich. Sie wissen, welche Regeln dafür gelten. Zusatzfragen dürfen nicht verlesen werden. Im Übrigen sollten Sie Ihre

Zusatzfragen ganz kurz, ganz knapp und prägnant vortragen. Dann kriegen Sie auch eine entsprechende Antwort. - Danke schön.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist keine Garantie, habe ich gemerkt!)

- Das mag sein, Herr Kollege. Aber warten wir es ab.

Die erste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Geuter. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Welche neuen Entwicklungen zur Neuregelung der Selbstanzeige haben sich in der Finanzministerkonferenz am 27. März, also gestern, ergeben?

Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr!

Ich beantworte diese Frage gern. Gestern hat die Finanzministerkonferenz getagt. Sie ist aber noch nicht zu einem Endergebnis gekommen. Das wird voraussichtlich erst bei der Jahreskonferenz im Mai der Fall sein; da bin ich ganz optimistisch. Es sind noch ein paar Fragen aufgeworfen und rechtliche Prüfungen in Gang gebracht worden. Insgesamt haben sich die Teilnehmer aber auf Grundlinien verständigt. Die Eckpunkte, die den Gesprächen im Mai zugrunde gelegt werden sollen, sollen, wie ich schon ausgeführt habe, zu einem Eckpunktepapier zusammengefasst und zu einem Gesetzgebungsverfahren mit dem Ziel, bald zu einer Neuregelung zu kommen, führen. - Der Verfahrensstand ist damit umrissen.

Zu den Inhalten. Wir haben uns auf folgende Grundlinien verständigt:

Erstens. Die Finanzministerinnen und Finanzminister sprechen sich für eine deutliche Verschärfung des Rechtsinstituts der strafbefreienden Selbstanzeige aus, halten aber unisono daran fest. Ein Bundesland hatte Zweifel, hat aber gesagt, dass es am Ende mitmachen werde, um die ganze Geschichte voranzubringen.

Zweitens. Wir befürworten im Wesentlichen folgende Verschärfungen:

Die Berichtigungspflicht des Steuerhinterziehers soll sich künftig in allen Fällen der Steuerhinterziehung auf einen Zeitraum von mindestens zehn

Jahren erstrecken; im Moment sind es fünf. Damit soll auch die umgehende Nachentrichtung der hinterzogenen Steuern für den gesamten Zeitraum von zehn Jahren zwingend sein, um die Strafbefreiung erlangen zu können.

Künftig soll in allen Fällen der schweren Steuerhinterziehung nur noch bei gleichzeitiger Zahlung eines Zuschlags ein Absehen von Strafverfolgung in Betracht kommen. „Bei gleichzeitiger“ - das ist die Veränderung. Der Zuschlag soll bei einem Hinterziehungsbetrag von 50 000 Euro künftig 10 % betragen. Das zeichnet sich ab. Dazu gibt es auch andere Vorschläge. Es gibt Länder, die Staffelbeträge vorsehen wollen. Es gibt welche, die über 10 % hinausgehen wollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bei 10 % landen werden. Ich könnte das jetzt begründen. Mit Blick auf die Zeit will ich das aber lassen.

Die Zusammenzählung von 6 % Verzinsung und 10 % Strafe zu 16 %, wie ich heute Morgen in einer Zeitung gelesen habe, ist sachlich falsch. Um es sogleich richtigzustellen: Die 10 % Strafzuschlag geht auf den Gesamtbetrag, und die Verzinsung erfolgt natürlich so, wie die Steuer hinterzogen worden ist. Wenn zehn Jahre lang hinterzogen worden ist, sind zehnmal 6 % zu zahlen. 16 % sind also Unsinn.

Drittens. Die Finanzminister befürworten im Bereich der Anmeldesteuern gesetzliche Klarstellungen. Es gibt ja einige Bereiche, über die diskutiert wird, und rechtliche Verwerfungen. All das soll bei dieser Gelegenheit quasi mit bereinigt werden. Außerdem gibt es einen Prüfungsauftrag zur Frage der Zuschläge unterhalb von 50 000 Euro. Dabei gibt es Differenzen. Eine Gruppe will 5 000 Euro, die andere will 50 000. Manche möchten sogar noch mehr machen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Was wollen Sie denn?)

- Meiner Meinung nach - das ist meine Position dazu - sollte man anstreben, sich irgendwo in der Mitte zu treffen. Als Hausnummer: 25 000 Euro.

Ferner: deutliche Absenkung, nun aber auch nicht zu Minibeträgen.

Die Staatssekretärsarbeitsgruppe ist gestern noch einmal gebeten worden, unter Berücksichtigung der getroffenen Festlegungen und Ergebnisse bis zum 9. Mai, wie ich bereits erwähnt habe, ein Eckpunktepapier vorzulegen. Man muss dabei aufpassen, dass man vor lauter Begeisterung für Verschärfungen nicht über das Ziel hinausstößt. Wenn

die Selbstanzeige zum Höllentrip wird und von diesem Instrument niemand mehr Gebrauch macht, ist der Sinn der ganzen Neuregelung verfehlt. Der Weg in die Steuerehrlichkeit soll eröffnet bleiben. Und so müssen auch die Verschärfungen mit ein bisschen Augenmaß vorgenommen werden. Sonst gehen wir hier in eine falsche Richtung.

In diesem Spannungsverhältnis bewegen sich jetzt die Prüfaufträge, die ich heute nicht alle im Einzelnen darlegen will. Aber wie gesagt: Ich bin ziemlich sicher, dass wir hier zueinanderfinden werden und dass ich Ihnen, wenn Sie das übernächste Mal fragen, das Ergebnis mitteilen kann.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage: Fraktion der SPD, Kollege Brinkmann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung, wie sich die Zahl der strafbefreienden Selbstanzeigen in Niedersachsen in den letzten Jahren entwickelt hat.

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Zahl im Kern genannt. Nun aber zu der Frage, wie sich die Zahlen in den letzten Jahren entwickelt haben. Ich beginne mit dem Jahr 2005: 1 600 - ich runde jetzt immer ein bisschen ab. 1 500 in 2006, dann 1 200, dann wieder 1 200, dann noch einmal 1 200, also 1 174. Diese Feinheiten wollen Sie aber jetzt sicherlich nicht wissen. Im Jahr 2010 hat es einen interessanten Sprung gegeben. Da waren es plötzlich 2 941. Im Jahr darauf gab es dann wieder die bekannten 1 200, genau 1 187. Wenn man nachforscht, woher das kommt, dann stellt man fest: Im Jahr 2010 hat der Steuerfall Zumwinkel die Gemüter bewegt. Die Berichterstattung über Zumwinkel - die kennen Sie; die haben Sie in Erinnerung - hat zu einem ersten Schub von Selbstanzeigen geführt. Dann haben sich die Zahlen wieder beruhigt. Die Zahl 2 862 vom letzten Jahr, die in etwa gleich hoch ist, ist aufgrund der Debatte um Hoeneß entstanden. Die

in den ersten beiden Monaten dieses Jahres hochgeschossene Zahl von 866 ist noch die Folge dessen, was wir im letzten Jahr erlebt haben. Um der Gendergerechtigkeit nachzukommen, darf ich auch Alice Schwarzer erwähnen, die ja dafür gesorgt hat, dass die Steuerhinterziehung nicht nur männlich daherkommt.

(Heiterkeit der SPD und bei den GRÜNEN)

Man muss bei der Entwicklung der Zahlen immer bedenken, dass eine sorgfältig vorbereitete Selbstanzeige mit einer rückwirkenden Erklärung über fünf Jahre - das hat auch der Fall Hoeneß gezeigt - schon einiger fachlich unterstützter Vorbereitung bedarf. Deswegen wird uns das die nächsten Monate weiter begleiten. Das, was ausgelöst worden ist, schlägt sich in konkreten Fällen eben mit einigen Monaten Verspätung nieder. Im Ergebnis - das hatte ich vorhin schon gesagt - erwarten wir in diesem Jahr mit Sicherheit eine Rekordzahl.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage: Kollege Heere, Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Finanzminister, kann es vor dem Hintergrund, dass es eine Verjährungsfrist gibt und dass für ins Ausland verbrachtes Geld diverse Möglichkeiten der Verschleierung und auch lukrative Anlagemöglichkeiten geboten werden, sein, dass aufgrund dieser Tatsache der Steuerehrliche in Deutschland am Ende schlechter wegkommt als der Steuerbetrüger im Ausland, also trotz Selbstanzeige?

(Norbert Böhlke [CDU]: Wissen Sie die Antwort nicht?)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung Herr Minister Schneider!

Meine Damen und Herren! Es sind recht anspruchsvolle Tatbestände, um die es hier geht. Am Ende dieser Stunde werden alle in der Lage sein, eine Selbstanzeige sachgerecht abzugeben.

(Heiterkeit)

Aber ich gehe natürlich davon aus, dass das hier niemand machen muss.

Grundsätzlich werden Steuerhinterzieher durch Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige nicht besser gestellt, Herr Heere, als steuerehrliche Bürgerinnen und Bürger. Für eine strafbefreiende Selbstanzeige muss der Steuerhinterzieher alle hinterzogenen Steuern nachzahlen. Zusätzlich werden auf die hinterzogenen Steuern Hinterziehungszinsen von 6 % fällig. Bei dem heutigen Zinsniveau ist das durchaus spektakulär. Zur Erlangung der Straffreiheit ist zudem in allen Fällen mit einem Hinterziehungsbetrag von 50 000 Euro - gegenwärtige Rechtslage - ein Zuschlag - auch gegenwärtige Rechtslage - von 5 % auf den Steuerbetrag extra zu zahlen. Wenn mehrere Jahre mit den jeweils 6 % und obendrauf noch die 5 % zusammenkommen, dann fallen durchaus nennenswerte Beträge an.

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Selbstanzeigen nicht nur zur Nachzahlung der verkürzten Steuerbeträge nebst Hinterziehungszinsen und Zuschlag führen, sondern dass darüber hinaus die Finanzverwaltung z. B. bisher nicht bekanntes Kapitalvermögen identifizieren kann und die Steuerfestsetzung in den Folgejahren davon profitiert.

Ist die Selbstanzeige nicht wirksam, weil sie nicht ordnungsgemäß abgeliefert worden ist, muss sich der Steuerhinterzieher darüber hinaus natürlich einem Steuerstrafverfahren stellen. Diesem Risiko sind die ehrliche Bürgerin und der ehrliche Bürger nicht ausgesetzt.

Mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen zur Verjährung genießt der Steuerhinterzieher - das will ich nicht verschweigen - geringe Vorteile. Bei Abgabe einer Selbstanzeige muss er derzeit bei einfacher Steuerhinterziehung zunächst nur die letzten fünf Jahre offenlegen, um Straffreiheit zu erlangen. Nachzahlen muss er für zehn Jahre, aber für die weiteren fünf ist er nicht in der Berichtspflicht. Alle Jahre darüber hinaus, in denen er Steuern hinterzogen hat, können von der Finanzverwaltung nicht mehr aufgegriffen werden. Was über zehn Jahre hinausgeht - Alice Schwarzer: 20 Jahre, wenn ich das richtig im Kopf habe -, kann man dann nicht mehr erreichen. Der ehrliche Bürger ist in Bezug auf die Verjährung insofern benachteiligt, Herr Heere. Aber diese Folge gilt im Rechtstaat, wenn man die Verjährung nicht generell abschafft; und das wollen wir natürlich nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt vom Kollegen Tanke, SPD-Fraktion. Bitte sehr!