Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Die Versuche auch von Herrn Limburg - ich sehe ihn jetzt leider nicht mehr; er folgt von hinten der Diskussion -, das jetzt zu relativieren und die Position irgendwie mit dem in Einklang zu bringen, was der Innenminister verkündet, können letztlich nicht überzeugen. Im Kern bleibt es dabei: Die Grünen lehnen den Verfassungsschutz ab und wollen ihn auch weiterhin abschaffen. Zum Glück können sie sich aber nicht durchsetzen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Damit schließt sich dann auch der Kreis. Bis heute gibt es, abgesehen von wohlwollender Kommentierung der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe, keine klare inhaltliche Positionierung, wie die Grünen den Verfassungsschutz eigentlich aufgestellt sehen wollen. Sie verstecken sich hinter den Reformprozessen des Innenministers. Aber Ihr politisches Verständnis müsste doch, gerade vor dem Hintergrund Ihrer Beschlusslage, sein, dass Sie

konkret sagen, wohin Sie wollen. In diesem Fall sind die Grünen wieder einmal nicht erkennbar.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sehen neben dem klaren Bekenntnis zum Verfassungsschutz auch, wie eingangs gesagt, die Notwendigkeit, ihn zu reformieren und weiterzuentwickeln, gerade vor dem Hintergrund der Taten des Nationalsozialistischen Untergrundes und des Versagens der Sicherheitsbehörden in diesem Zusammenhang, aber auch bezüglich des Umgangs mit personenbezogenen Daten beim Verfassungsschutz.

Ein Punkt ist hier wiederholt angesprochen worden, der uns als FDP ein besonderes Anliegen ist und der auch schon in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck kommt: Wir wollen die parlamentarischen Kontrollrechte deutlich stärken und werden in diesem Sinne auch die Vorhaben und die Empfehlungen der Regierungskommission unterstützen. Wir sind insoweit auf die Diskussion gespannt.

Auch viele der weiteren Empfehlungen der Regierungskommission bieten aus unserer Sicht eine gute Grundlage. Es ist richtig, die Eingriffsbefugnisse und die nachrichtendienstlichen Mittel zu definieren, sie in das Gesetz aufzunehmen, die Konturen zu schärfen.

Wir begrüßen als FDP-Fraktion auch ausdrücklich den vorgeschlagenen Verzicht auf den Großen Lauschangriff für den Nachrichtendienst, für den niedersächsischen Verfassungsschutz.

Nichts anfangen, meine Damen und Herren, können wir aber mit der Passage zu der Dokumentationsstelle. Auch das, was Sie, Herr Minister, heute dazu gesagt haben, ist denkbar unscharf geblieben - vermutlich weil Sie selbst nicht genau wissen, was das eigentlich soll.

Wenn man allerdings in den Parteitagsbeschluss der Grünen guckt, dann erschließt sich das wieder, weil es nämlich der einzige Begriff ist, den die Grünen da wiederfinden. In dem, was der Innenminister jetzt macht, ist auch von der Dokumentationsstelle, die ja den Verfassungsschutz mehr oder weniger ersetzen soll, die Rede. Insofern ist das wohl nichts anderes als ein Zugeständnis an Ihren grünen Koalitionspartner.

(Thomas Adasch [CDU]: Ein fauler Kompromiss!)

Ich bin mir ganz sicher, dass wir am Ende erleben werden, dass dabei nicht allzu viel herauskommt, abgesehen davon, dass irgendwo ein Schild mit der Bezeichnung „Dokumentationsstelle“ an der Tür steht, weil Sie selber nicht wissen, was Sie wollen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, entscheidend ist für uns aber, wie es jetzt in dem Prozess weitergeht. Der Innenminister hat angekündigt, im Herbst einen Regierungsentwurf vorzulegen und dem Parlament zuzuleiten. Herr Minister, Sie haben im Übrigen auch bei der Presseverlautbarung - das will ich noch einmal deutlich sagen -, als Sie die Ergebnisse der Arbeitsgruppe vorgestellt haben - ich meine, es war auch im Ausschuss -, noch einmal deutlich gesagt, dass Sie eine Enquetekommission für überflüssig halten. Genau so haben Sie das gesagt. Ich weiß, wir haben offensichtlich gelegentlich unterschiedliche Wahrnehmungen im Hinblick auf Ihre Äußerungen. Bei diesem Punkt bin ich aber sehr sensibel. Ich finde es nämlich sehr anmaßend, wenn ein Minister, der selbst nicht Mitglied des Parlamentes ist, quasi in Kontinuität zu seiner Präsidentin des Verfassungsschutzes, die sich auch schon einmal im Oktober letzten Jahres einen Tag vor einer Plenardebatte darüber geäußert und gesagt hat „Alles Unsinn, das brauchen wir nicht!“, so etwas sagt. Das sind eine Anmaßung und eine Missachtung des Parlamentes, meine Damen und Herren, die ich nicht bereit bin hinzunehmen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das ist aber auch deswegen bemerkenswert, weil es klar macht, wer in dieser Regierung eigentlich das Sagen hat. Das sind nicht die Fraktionen. Das sind nicht die Parlamentarier, auch nicht bei diesem sensiblen Feld des Verfassungsschutzes, bei dem es gerade darum gehen muss, die parlamentarischen Kontrollrechte zu stärken. Nein, es ist einzig und allein der Innenminister, der hier vorgibt, was wann wie passiert. Das halten wir für diese Debatte für zu wenig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Das ist anders als bei Ihnen!)

Ich habe dazu auch ein Zitat gefunden. Herr Bachmann hat in der 26. Plenarsitzung Folgendes gesagt:

„Das Parlament und wir als Koalitionsfraktionen werden uns ernsthaft angucken, ob es Material für einen eigenen Gesetzentwurf ist oder ob dann der Zeitpunkt gekommen ist, vielleicht über die Einsetzung einer Enquetekommission zu entscheiden.“

Herr Bachmann, von einem eigenen Entwurf der Fraktionen ist nicht mehr die Rede, auch nicht, dass man dies prüfen wird. Den Fahrplan hat eben der Innenminister ganz klar gesagt: Ich entscheide, wie das Gesetz aussehen wird. Ich werde den Entwurf machen und werde ihn erst im Herbst in die parlamentarische Debatte einbringen. - Wir hätten längst viel weiter sein können, wenn Sie unserem Weg gefolgt wären. Dann hätten wir jetzt die inhaltliche Debatte über einen entsprechenden Gesetzentwurf.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Thomas Adasch [CDU]: Genau so ist es!)

Wir werden uns als FDP-Fraktion in die parlamentarische Beratung mit dem Ansatz einbringen, insbesondere die parlamentarischen Kontrollrechte zu stärken, aber auch - wie bereits gesagt - die Konturen der Eingriffsbefugnisse konkret im Gesetz abzubilden.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum zweiten Teil kommen, der hier heute, glaube ich, eine besondere Rolle spielt, nämlich zu der Frage der Datenspeicherung. Ich möchte uns zunächst noch einmal den Ablauf der Ereignisse vergegenwärtigen; denn das kann man nicht einfach außen vorlassen. Zu der Frage, wo man welchen Schwerpunkt setzt, will ich dann gerne etwas sagen.

Im Frühjahr 2013 bekommt die neue Präsidentin des Verfassungsschutzes intern irgendwelche Erkenntnisse - so ganz klar ist mir noch immer nicht, wie das eigentlich zustande gekommen ist; das spielt aber am Ende keine Rolle -, dass es Unregelmäßigkeiten in dieser Amtsdatei, in dieser Datenerfassung gegeben hat, und veranlasst weitere interne Prüfungen.

Ich meine, es war ungefähr ein halbes Jahr später - vielleicht waren es auch nur fünf Monate -, am 18. September - Sie sprachen die Pressemitteilung schon an -, als Sie ganz dringlich und empört festgestellt haben, dass es hier doch Unregelmäßigkeiten gibt. Siehe da: Das war eine Woche vor der Bundestagswahl und eine Woche vor der Landratswahl in Hameln-Pyrmont, zu der Ihr Amtsvor

gänger angetreten ist. Da haben Sie eine Lawine losgetreten, von der Sie heute nicht mehr so richtig wissen wollen, was Sie da eigentlich gemacht haben.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Thomas Adasch [CDU]: So ist es!)

Sie haben damals gezielt den Eindruck vermittelt haben, dass hier über Jahre hinweg gezielt und systematisch publizistisch und journalistisch tätige Personen von der Vorgängerlandesregierung überwacht worden seien. Diesen Eindruck haben Sie bewusst erweckt und haben dem in keiner Sekunde entgegengewirkt. Dieses haben Sie damals gezielt gemacht, um - ich bleibe dabei - Einfluss auf den Wahlkampf zu nehmen.

(Johanne Modder [SPD]: Quatsch!)

Anders lässt es sich nicht erklären, dass Sie sechs Monate lang zugeschaut haben und erst eine Woche vorher etwas sagen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dieser Tenor findet sich auch in Ihrer Presseerklärung. Der erste Satz lautet - ich zitiere -:

„Der niedersächsische Verfassungsschutz hat über Jahre hinweg Daten von publizistisch und journalistisch tätigen Personen rechtswidrig gespeichert.“

Und Ihre Fraktion, die SPD-Fraktion, assistiert das Ganze mit einem Antrag zur Aktuellen Stunde mit der Überschrift „Journalisten im Visier“, in der Sie erklärt haben, dass die Landesregierung den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in seinen Sitzungen über den jeweiligen Stand der Überprüfungen unterrichten wird.

Erstens haben Sie ganz bewusst in Kauf genommen und es sozusagen billigend vorangebracht, dass hier der Eindruck entsteht, publizistisch und journalistisch tätige Personen werden überwacht.

Zweitens haben Sie den Eindruck erweckt, dass Sie jetzt ganz intensiv gemeinsam mit dem Parlament aufklären. Nachdem dann aber die Landratswahlen in Hameln und die Bundestagswahl vorbei waren, war nicht mehr viel von Ihnen zu hören.

(Minister Boris Pistorius: Da haben wir gearbeitet!)

Von der Zusage, dass Sie uns sozusagen permanent unterrichten wollen, war dann hier im Plenum nicht mehr die Rede. Es hieß nur: Eine Wasserstandsmeldung wollen wir bei diesem sensiblen Thema nicht abgeben. - Ganz einfach: Weil das Thema für Sie seine Schuldigkeit getan hat, es politisch genutzt hat und Sie dann vorangehen konnten.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Innenminister, die Frage ist nicht, ob ich Ihnen zuhöre. Die Frage ist manchmal, ob Sie uns zuhören. Denn Sie nehmen diese Oppositionsfraktionen nach wie vor nicht ernst. Sie haben immer noch das Verhalten eines Hauptverwaltungsbeamten, der meint, tun und lassen zu können, was er will.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Ergebnisse der Taskforce sind beunruhigend. Das ist gar keine Frage. Wenn das Ergebnis ist, dass 20 % dieser Datensätze nach der Einschätzung der Taskforce rechtswidrig erhoben und gespeichert worden sind, dann ist dem natürlich nachzugehen und dann muss das abgestellt werden. Daran darf überhaupt kein Zweifel bestehen.

Aber ich will auch das aufgreifen, was der Kollege Nacke thematisiert hat; denn darüber kann man nicht einfach hinweggehen. Einen Punkt, Herr Minister, haben Sie nicht beantwortet. Das wird heute auch zu Recht in den Kommentaren nachgefragt. Wenn dies alles so rechtswidrig war, dann haben Beamte das Gesetz nicht ordentlich angewandt. Das ist ein Dienstvergehen, wenn sie in diesem Zusammenhang auch noch in Grundrechte eingreifen. Dann stellt sich die Frage, was mit Disziplinarverfahren ist. Dann kommen Sie mit dem Stichwort „Organisationsverschulden“. Das passt aber nicht zusammen. Darauf müssen Sie eine konsequente Antwort finden. Das Ganze erklärt sich nämlich nur aus dem Punkt, den der Kollege Nacke angesprochen hat: Möglicherweise ist dieser Maßstab gar nicht so fest und so fix, und vielleicht war er für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gar nicht in dem Maße erkennbar, wie ihn die Taskforce jetzt möglicherweise zu Recht angesetzt hat. Deshalb ist es nämlich zu einfach, hier zu behaupten: „Das ist alles offensichtlich, das sind die Fakten“, sondern das bedarf einer wirklich intensiven Auseinandersetzung. Dann bedarf es auch einer Definition und einer Diskussion über die Maßstäbe, ohne gleich vorzuwerfen, dass hier

jemand irgendwie willkürlich handeln wollte, sondern hier geht es auch um Verlässlichkeit und Berechenbarkeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und die haben Sie, meine Damen und Herren, nicht sichergestellt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang auch, dass die Taskforce nicht einmal nach links und rechts geguckt hat. Sie hat sich nicht danach erkundigt - das war ja Thema -, welche Maßstäbe wo gelten und wie die Rechtsanwendung eigentlich in anderen Bundesländern erfolgt. Solche Normen gibt es doch auch woanders. Solche Normen gibt es doch auch im Bund. Warum guckt man denn nicht mal dahin, um tatsächlich einen verlässlichen Maßstab zu bekommen, sondern bildet ihn völlig selbst, was natürlich möglich ist, aber die Frage aufwirft, wieso hier nicht versucht wird, ihn wirklich verlässlich einzugrenzen, und definiert nicht mehr oder weniger freihändig etwas neu in der Rechtsanwendung?

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, klar ist auch geworden, dass von den vom MI und von SPD und Grünen - wie gesagt, zu Wahlkampfzwecken - mit Wutgeheul vorgetragenen Behauptungen, es hätte eine systematische rechtswidrige Speicherung von publizistisch und journalistisch tätigen Personen gegeben, nichts mehr übrig geblieben ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will das auch deutlich sagen: Das macht den Befund im Hinblick auf die Fälle der rechtswidrigen Speicherungen nicht besser und soll ihn auch nicht relativieren. Aber es kommt mir darauf an, hier noch einmal auf den Punkt zu bringen, dass Sie den Verfassungsschutz politisch instrumentalisiert haben und nunmehr danach rufen, dass die Opposition Ihnen gegenüber sagt: Alles prima, Herr Minister, da arbeiten wir genau in Ihrem Sinne mit. - Da lassen wir Sie nicht aus der Verantwortung und werden das als FDP auch immer wieder betonen. Erst einmal muss auch Ihrerseits ein Signal kommen, dass Sie an einer ernsthaften politischen Zusammenarbeit interessiert sind. Das vermisse ich nach wie vor, auch wenn ich Ihrer Rede zugehört habe.