Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

dass Ihnen das nicht gelingt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was nun gar nicht geht, ist, jetzt hier einen Gewerkschaftsfunktionär als Kronzeugen für Ihre Thesen anzuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit diesen Thesen suggerieren Sie, die Gewerkschaften würden voll hinter Ihnen stehen.

Einmal ganz abgesehen davon, dass ich - anders als der Kollege Schmidt; aber ich kann ihn verste

hen - kein großer Freund von Herrn Vassiliadis bin, was aber eher an seinen Thesen zu Kohle und zu Fracking liegt

(Maximilian Schmidt [SPD]: Das ist er- laubt in einer Demokratie!)

- das ist auch völlig in Ordnung so -, aber man muss an dieser Stelle sagen, dass gerade bei der Steuerpolitik Grüne und Gewerkschaften immer - auch mit der SPD gemeinsam - für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen Ihre FDP-Politik gekämpft haben. Und das ist auch richtig so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn diese FDP-Politik trifft ganz sicher nicht das Gerechtigkeitsgefühl der Gewerkschaftsmitglieder. Insofern sollten Sie aufhören, diese Leute ideologisch in die sprichwörtliche Geiselhaft zu nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu Ihren ewig gleichen Argumenten, denen ich ausdrücklich widerspreche: Wenn man die kalte Progression so angeht, wie Sie das vorschlagen, dann ist das ein gigantisches Subventionsprogramm für Spitzenverdienende.

(Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

Nehmen wir als Referenz die konkreten Vorschläge, die Sie 2012 - eben ja angeführt - gemacht haben. Ihr Modell zur Verschiebung der Progressionskurve hätte nach meinen Informationen 6 Milliarden Euro gekostet,

(Jörg Bode [FDP]: Nein!)

hätte 6 Milliarden Euro an Mindereinnahmen verursacht.

(Jörg Bode [FDP]: Das ist falsch!)

Jetzt schauen Sie sich einmal die Verteilungswirkung an! Die höchsten 20 % der Einkommen hätten 50 % dieser Entlastungssumme bekommen - 50 %!

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

Das betrifft bei 3 Milliarden Euro Entlastung gerade 8 Millionen Menschen.

(Christian Grascha [FDP]: Wie viel Steuern zahlen die denn?)

Das sind im Schnitt 375 000 Euro pro Person und Jahr.

Jetzt schauen wir uns die andere Seite an, die untersten 40 %. Die untersten 40 % der Einkommen würden nach diesem Modell nur 300 Millionen

Euro Entlastung bekommen. Das sind verteilt auf 15 Millionen Einkommensbezieher

(Zuruf von Christian Dürr [FDP])

- jetzt hören Sie zu! - im Schnitt 20 Euro. 20 Euro pro Person und Jahr. - 375 000 Euro pro Person und Jahr gegen 20 Euro pro Person und Jahr. Dazurechnen muss man auch noch die untersten 20 %, die gar keine Steuern zahlen. Die haben nämlich gar nichts davon.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Wenn Sie sich diese Verteilungswirkung angucken, dann bedeuten Ihre Pläne - Sie sagen, der Staat soll auf 6 Milliarden Euro verzichten -, dass die Einkommensbezieher, um die wir uns wirklich Gedanken machen müssen, die mit geringen Einkommen, zwischen 0 und 20 Euro mehr bekommen. Diese 6 Milliarden Euro sind aus unserer Sicht als Solidarbeitrag z. B. für Bildung, z. B. für Betreuung und z. B. für soziale Infrastruktur ganz sicher besser angelegt. Denn davon profitieren alle in Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Abbau der kalten Progression nach Ihrem Modell bedeutet doch nur, die deutliche Zunahme der Ungleichheit bei den Einkommen, die wir in den letzten 20 Jahren hatten, noch einmal zu verstärken.

Wir können dann auch noch einmal über andere Themen diskutieren. Was machen wir denn z. B nach Ihrer Logik mit den 20 Millionen Rentnerinnen und Rentnern? Was machen wir mit den viereinhalb Millionen Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern?

(Zuruf von Christian Grascha [FDP] - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wenn man sich anguckt, was die in den letzten Jahren aufgrund der Inflationsrate an Verlusten hatten, dann muss man sagen, dass auch sie keinerlei Ausgleich in ausreichendem Maße bekommen haben. Auch darüber können wir einmal diskutieren. Die zahlen nämlich überwiegend keine Steuern.

Zum Thema Steuern: Steuereinnahmen werden durch Inflation übrigens auch jedes Jahr weniger wert. Wir können jedes Jahr mit dem gleichen Geld weniger als im vorangegangenen Jahr machen. Warum sollten wir denn die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zumindest von einer anteiligen Refi

nanzierung dieses Wertverlustes ausnehmen? Auch dazu haben Sie keine Argumente.

(Christian Grascha [FDP]: Es geht darum, dass der Steuersatz steigt!)

Wir Grünen sind nicht gegen alle Modelle. Das sage ich an dieser Stelle auch noch einmal. Wir haben selber 2012 vorgeschlagen, den Grundfreibetrag deutlich anzuheben. Denn dann wäre der Entlastungsbeitrag für alle Steuerpflichtigen gleich, die Summe.

(Christian Dürr [FDP]: Das haben wir doch gemacht!)

- Ja, ja. Wir wollten ihn aber deutlich höher anheben. Sie wollen die Kurve verändern. Und wenn Sie die Kurve verändern, dann haben Sie sofort die Entlastungswirkung für hohe Einkommen.

Für diese und andere Optionen sind wir durchaus offen, aber es gibt eine Linie, über die wir nicht springen, nämlich dass hier eine riesige Entlastungswirkung für Spitzenverdiener eintritt.

Wenn wir unten entlasten, dann müssen wir es oben wieder holen. Das ist auf alle Fälle eine Maßgabe. Und diese Maßgabe ist uns wichtig. Ihre Politik ist an dieser Stelle unsozial. Wir bleiben bei unserer Position.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Heere. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Hilbers das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Abbau der kalten Progression hat uns hier im Haus schon häufiger beschäftigt. Herr Heere, ich glaube, Sie liegen völlig falsch, wenn Sie meinen, dass das ein Wahlkampfthema oder ein Thema ist, das nur zu bestimmten Zeiten Konjunktur hat. Es beschäftigt die Menschen ganz eindringlich; sie haben ein ganz gestörtes Verhältnis zu Steuerzahlungen, zur Gerechtigkeit, wenn sie erfahren, dass sie real den gesteigerten Lohn für ihre Leistungsfähigkeit gar nicht spüren, weil der Lohnzuwachs nur die Inflationsrate ausgleicht und sie trotzdem mehr Steuern zahlen sollen. Das ist das, was wir abschaffen wollen. Das ist leistungsfeindlich, und das empfinden die Menschen als ungerecht. Deswegen ist das bei den Men

schen auch ein tiefgehendes Thema, und das muss gelöst werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Thomas Schremmer [GRÜNE]: Als un- gerecht wird das empfunden, was Herr Hoeneß macht, nicht das andere!)

Mittlerweile erkennen Gewerkschafter, erkennen SPD-Vertreter sogar bis hin zu den obersten Reihen, bis zu Herrn Oppermann und anderen, dass es damals falsch war, die kalte Progression nicht abzuschaffen, diesen Gesetzentwurf nur aus taktischen Gründen aufzuhalten. Heute wollen Sie das durchsetzen. Aber ich sage Ihnen: Sie haben damals verschlafen, dass dies nicht so gekommen ist. Die Frage der kalten Progression wäre gelöst worden, wenn Sie sich damals im Bundesrat nicht aus taktischen Erwägungen verweigert hätten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)