Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014

Gemäß § 18 Abs. 1 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes hat die Disziplinarbehörde ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen - es sei denn, ein Maßnahmeverbot steht entgegen oder eine Disziplinarmaßnahme erscheint nicht ange

zeigt. Insbesondere nach Art, Zeit und Ort müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass schuldhaft gegen Dienstpflichten verstoßen worden ist. Bloße Vermutungen sind nicht ausreichend. Der Verdacht muss hinreichend konkret sein.

Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kann das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden.

Die Landesregierung hat die erbetenen Angaben mittels einer kurzfristigen Ressortabfrage zusammengestellt. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit war eine umfassende Beantwortung der Abfrage nicht in den Geschäftsbereichen aller Ressorts möglich.

Insbesondere bei den Staatsanwaltschaften ist eine Abfrage von Vorgängen unter Stichworten wie „Dienstwagen“ oder „Dienstfahrzeug“ nicht möglich, da sie nicht statistisch erfasst werden. Erfasst werden in der Regel nur Untreuevorgänge allgemein, nicht mit welchem Tatwerkzeug sie vermeintlich begangen worden sind.

Ermittelt wurde auf dem Wege dieser Abfrage also insbesondere die Anzahl der laufenden Verfahren und Verdachtsfälle.

Ihre darüber hinausgehende Frage, um welche Verfahren und Fälle es sich konkret handelt, wurde von der Landesregierung so interpretiert, dass Auskunft über die Art der inhaltlichen Verfehlung - also in erster Linie die tangierten Straftatbestände - verlangt wird.

Zu Fragen hingegen, die auf die Person betroffener Beschäftigter und entsprechend konkrete Sachverhalte schließen lassen, darf die Landesregierung keine Auskunft geben. Andernfalls würde sie schutzwürdige Interessen Dritter nach Artikel 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung verletzen. Die Fürsorgepflicht gegenüber den Betroffenen und die Unschuldsvermutung sowie das Recht der Bediensteten auf informationelle Selbstbestimmung gebieten es, persönliche Daten aus laufenden Ermittlungsverfahren nicht zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte im Niedersächsischen Landtag zu machen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die nachfolgenden Zahlen entsprechen dem gegenwärtigen Kenntnisstand, soweit er in der Kürze der Zeit zum Stichtag 24. Juni ermittelt werden konnte. Auch bei einer längeren Recherchezeit wäre zu berücksichtigen, dass die nachgefrag

ten Fälle nicht statistisch erfasst werden. Es gibt in den Datenbanken und Registern kein Ordnungskriterium für Vergehen im Zusammenhang mit der Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen. Generelle Berichtspflichten zu sämtlichen Verfahren und Strafsachen existieren ebenso wenig wie zu Disziplinarverfahren. Eine Erfassung sämtlicher Verfahren würde eine landesweite Auswertung per Hand erfordern. Selbst dann wären aber nur Fälle erfasst, die in Dateien und Registern erfasst sind, nicht hingegen beispielsweise Ermittlungen, die sich noch in der Anfangsphase befinden, und schon gar nicht Sachverhalte, die noch gar nicht angezeigt sind.

Gegenwärtig sind danach zurzeit acht laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und fünf laufende Disziplinarverfahren wegen des Verdachts auf Straftaten und/oder Dienstvergehen im Zusammenhang mit der Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen aufgrund der Recherchen der Landesregierung über die Abfrage bekannt geworden. Bei sieben der acht staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren liegt der Tatzeitraum im Wesentlichen vor 2013. Vier Fälle der Disziplinarverfahren sind auch Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren; hier gibt es also eine Überschneidung.

In den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wird entweder schwerpunktmäßig oder jedenfalls auch der Vorwurf der Untreue geprüft. Wie in jedem anderen Ermittlungsverfahren kann sich der rechtliche Gesichtspunkt indessen im Laufe der weiteren Ermittlungen jederzeit ändern. Zudem kann auch die Staatsanwaltschaft nach Prüfung der Strafanzeige oder Durchführung der Ermittlungen zu einer anderen als der ursprünglichen bzw. vom Anzeigeerstatter vorgetragenen rechtlichen Bewertung kommen. In allen Verfahren gilt ebenfalls und selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Zu 2: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Der Vorbehalt zu dem gegenwärtigen Kenntnisstand gilt für die angefragten Verdachtsmomente in besonderem Maße.

Über die Verfahren in der Antwort zu Frage 1 hinaus bestanden seit Anfang 2013 in neun Fällen Verdachtsmomente bzw. Anhaltspunkte hinsichtlich einer gegen die Kfz-Richtlinie des Landes verstoßenden bzw. sonst rechtswidrigen Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen.

Zu 3: Von den neun zu Frage 2 genannten Fällen wurde in vier Fällen kein Disziplinarverfahren eingeleitet bzw. keine Strafanzeige/kein Strafantrag

gestellt. Es handelte sich in zwei Fällen um anonyme Hinweise, deren Prüfung nicht zur Feststellung dienstrechtlicher Verstöße geführt hat, und um zwei Fälle, deren Prüfung ergab, dass die Voraussetzungen für die Einleitung von Disziplinarverfahren nicht vorlagen.

In fünf der neun zu Frage 2 genannten Fälle ist es zu strafrechtlichen Verfahrenseinstellungen gekommen.

Meine Damen und Herren, so weit die Beantwortung der Anfrage durch die Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Zu einer ersten Zusatzfrage hat sich der Kollege Nacke gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf die recht dürftigen Informationen, die wir gerade in der Antwort erhalten haben - - -

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Unverschämtheit! Es wurde ausführlich dargelegt! - Zuruf von der SPD: Unerhört! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Sie hören doch auch gar nicht mehr zu, oder?)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten. Die Frage wird jetzt sicherlich knapp und sachlich eingeleitet.

(Thomas Schremmer [GRÜNE] lacht)

Bitte sehr, Herr Nacke!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die recht dürftigen Informationen, die wir gerade eben erhalten haben, frage ich die Landesregierung: Ist es zutreffend, dass der heutige Präsident des Landgerichts Hannover und damalige Präsident des Landgerichts Hildesheim sich in mehr als zehn Fällen zu Privatfahrten mit dem Dienstwagen von einem Bahnhof in Hannover hat abholen lassen, und wie ist dieses Verfahren seitens der Landesregierung begleitet worden?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Wer möchte für die Landesregierung antworten? - Frau Justizministerin NiewischLennartz. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Dieses Verfahren wurde durch den Disziplinarvorgesetzten, den Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle, bearbeitet. Dieser ist nach seiner Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich wiederum der Kollege Nacke gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem nun - entgegen der ersten Antwort - dieses zusätzliche Verfahren eingeräumt wurde, frage ich die Landesregierung: Mit welcher Begründung wurde hier - im Gegensatz zu den anderen, in der Einleitung der Anfrage genannten Fällen - kein Disziplinarverfahren eingeleitet? Ist insbesondere richtig, dass als Begründung der Hinweis gegeben wurde, dass die Fahrt vom Heimatort nach Hildesheim durch einen Ausfall von Zugstrecken begründet war?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Frau Justizministerin NiewischLennartz, bitte sehr!

Der Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts lag u. a. die Erwägung zugrunde, dass es sich angesichts der hochwasserbedingten Einschränkungen des Zugverkehrs und der dadurch drohenden Beeinträchtigung dienstlicher Verpflichtungen und Termine um einen besonders begründeten Ausnahmefall im Sinne der Ziffer 6.2.2 der Kfz-Richtlinie gehandelt habe, der grundsätzlich einwilligungsfähig gewesen wäre.

Vielen Dank. - Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich wiederum der Kollege Nacke gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem nunmehr seitens der Landesregierung eingeräumt wurde, dass es keine Einwilligung in diese Fahrten gegeben hat, die damit wohl als Privatfahrten zu klassifizieren sind, frage ich die Landesregierung: Ist es zutreffend, dass es sich bei dem angeblichen Ausfall der Bahnstrecke lediglich um die Verbindung eines ICE handelte, der in Magdeburg wegen des Hochwassers nicht nach Berlin weiterfahren konnte, die Regionalverbindung aber bestanden hat und es mit einem bisschen früheren Aufstehen unproblematisch möglich gewesen wäre, dies alles zu bewältigen, wie das jeder andere Pendler vermutlich hat auch tun müssen, der normalerweise diesen Zug nutzt?

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Landesregierung Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz, bitte sehr!

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe bitten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Präsident des Oberlandesgerichts Celle war erstens der Auffassung, dass die Einschränkung des Zugverkehrs erheblich war, zweitens dass dieses genehmigungsfähig war, und drittens hat er es im Nachhinein genehmigt.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Die erste Zusatzfrage für die FDP kommt von Herrn Dr. Birkner. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich frage die Landesregierung: Wann und in welcher Form war die Landesregierung erstmals mit dem Disziplinarverfahren bezüglich des Landgerichtspräsidenten befasst?

Danke schön. - Frau Ministerin, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! An das konkrete Datum kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war im Nachklapp zu einer Veranstaltung, die in Hildesheim eine lange Tradition hat, die sogenannte Knaup’sche Tischgesellschaft. Sie ist vielleicht dem einen oder anderen bekannt. Anlässlich dieser Veranstaltung waren die Fahrten aufgespießt worden. Es gehört zum Ablauf dieser Veranstaltung, dass im Wesentlichen in Reimen auf Besonderheiten hingewiesen wird.

Die in Rede stehenden Fahrten sind der Landesregierung durch den Staatssekretär bekannt geworden, der sich wegen der Zuständigkeit an den Präsidenten des Oberlandesgerichts in Celle gewendet und das Verfahren dorthin abgegeben hat, weil selbiger Präsident dafür zuständig ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage: Fraktion der CDU, Kollege Nacke, bitte sehr!