Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

So sieht anscheinend rot-grüne Bildungspolitik aus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir werden Ihnen die Bildungspolitik in Niedersachsen mit Ihren derzeitigen Nichtaussagen nicht durchgehen lassen. Wir werden darauf aufpassen,

dass Sie die Erfolge, die wir in den letzten zehn Jahren erreicht haben, nicht aufs Spiel setzen; denn normalerweise könnten Sie gar nicht anders, als diesem Antrag zuzustimmen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Seefried. - Für die Landesregierung erteile ich Frau Kultusministerin Heiligenstadt das Wort.

(Zuruf von der CDU: Was ist im Auto passiert?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht darf ich zu Beginn ganz kurz Folgendes sagen: Herr Försterling, von Ihnen sind wir in diesem Hause ja einiges gewohnt. Ein bisschen mehr Sachlichkeit hätte ich allerdings erwartet.

Eigentlich wäre hier auch eine Entschuldigung fällig. Während der einzigen bisher durchgeführten Kultusausschusssitzung, bei der ich hätte vortragen können, habe ich die Interessen des Landes Niedersachsen bei der Kultusministerkonferenz vertreten. Ich denke, das ist auch im Sinne des Landes, der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte in Niedersachsen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Wir können jederzeit einen Termin vereinbaren! - Ulf Thiele [CDU]: Eigentlich wäre eine Entschul- digung fällig? Ihre eigenen Leute wussten das nicht, Frau Heiligen- stadt!)

Herr Försterling, selbstverständlich werde ich in der nächsten Sitzung des Kultusausschusses am 5. April die Ziele vortragen, die die Landesregierung im bildungspolitischen Bereich hat.

Das ist übrigens dringend notwendig, meine Damen und Herren; denn die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hat in diesem Land nicht nur einen finanzpolitischen Scherbenhaufen hinterlassen, sondern leider Gottes auch einen bildungspolitischen Scherbenhaufen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn Herr Seefried das angeblich von Herrn Brandt, dem Vorsitzenden der GEW, beschriebene Desaster von Herrn Schröder und Herrn Gabriel anführt, sage ich nur: Mit Sicherheit ist das Desaster der Ministerpräsidenten McAllister und Wulff im Bildungsbereich nicht geringer, meine Damen und Herren. Es ist mindestens genauso groß.

(Zustimmung bei der SPD)

Die neue Niedersächsische Landesregierung legt großen Wert darauf, die Bildungsqualität und Chancengleichheit in Niedersachsen zu verbessern. Die Bildung der Kinder und Jugendlichen dieses Landes ist ein besonderes Anliegen der regierungstragenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

In diesem Sinne soll die Demografierendite künftig für sinnvolle pädagogische Maßnahmen und damit auch für die Verbesserung der Qualität in unseren Schulen und im frühkindlichen Bereich genutzt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In den letzten Jahren sind jedoch beträchtliche Anteile der sogenannten Demografierendite von der von CDU und FDP geführten Vorgängerregierung verbraucht worden. So hat sie z. B. rund 500 Vollzeitlehrereinheiten für die Änderungen im Rahmen des Klassenbildungserlasses eingesetzt.

(Ulf Thiele [CDU]: Wir haben es tat- sächlich gewagt, Politik zu gestalten! Stellen Sie sich das einmal vor, Frau Heiligenstadt!)

Keine Frage: Es ist gut, wenn Klassengrößen reduziert werden. Herr Försterling und Herr Seefried, Sie können hier aber nicht auf eine angeblich hohe Demografierendite verweisen, wenn die Vorgängerregierung genau diese Vollzeitlehrereinheiten schon längst belegt hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das umfasst z. B. die Senkung der Schülerhöchstzahl in den Klassen 1 und 3 der Grundschulen und im 10. Schuljahrgang des Gymnasiums und des Gymnasialzweiges der Kooperativen Gesamtschule sowie die Verschiebung der Klassenneubildung am Gymnasium und am Gymnasialzweig der KGS.

Im Entschließungsantrag wird von frei werdenden Mitteln durch das Auslaufen der Rückzahlungsphase des verpflichtenden Arbeitszeitkontos ge

sprochen. Die Vorgängerregierung hat jedoch statt der 1 580 Vollzeitlehrereinheiten, die man daraus errechnen könnte, nur 700 Stellen im Haushaltsplan 2012/2013 zum 1. August 2012 vorgesehen, meine Damen und Herren. Außerdem sind diese Stellen mit einem kw-Vermerk versehen, sodass 300 Lehrerstellen bereits zum 1. Februar 2013 zurückgegeben werden mussten und die restlichen 400 Stellen mit Ablauf des 31. Januar 2015 entfallen.

Das bedeutet im Klartext - Herr Försterling und Herr Seefried, hören Sie gut zu -, dass kein Gewinn aus der Tatsache, dass mehr Arbeitszeitkonten auslaufen als Rückzahlungsphasen beginnen werden, im Sinne der benannten Demografierendite erzielt werden kann.

Auch das hat uns die Vorgängerregierung hinterlassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir werden deshalb in den kommenden Wochen und Monaten genau ermitteln und prüfen, wie viel von der von der Vorgängerregierung bereits reduzierten Demografierendite denn überhaupt noch vorhanden ist.

An dieser Stelle sei mir noch eine kleine Anmerkung erlaubt. Herr Försterling, Sie sprechen von 800 Millionen Euro Demografierendite. Sie wissen, dass das fast ein Viertel des Lehrerbudgets ist. Wollen Sie mit dem Antrag der FDP ein Viertel der Schulen in Niedersachsen tatsächlich schließen, Herr Försterling? Ich habe nicht den Eindruck, dass das bisher Ihre Politik war.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Würden wir diese 800 Millionen Euro tatsächlich in Lehrerstellen umwandeln, müssten wir hier über - je nachdem, wie man das rechnet - 17 000 bis 20 000 Lehrerstellen reden. Diese Zahl ist nun weiß Gott völlig überhöht. Ich finde es nicht nur fahrlässig, sondern sogar gefährlich, der Öffentlichkeit zu suggerieren, im Bildungssystem sei eine so hohe Demografierendite vorhanden. Sie haben sie verbraucht, und jetzt fordern Sie sie ein. Was ist das denn für eine Politik, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Kai Seefried [CDU]: Was wollen Sie eigentlich künftig?)

Die von Ihnen geforderte Absenkung der Klassenobergrenzen auf 28 Schülerinnen und Schüler an den Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen für die Schuljahrgänge 5 bis 10 bei gleichbleibender Unterrichtsversorgung würde allein einen Mehrbedarf von über 1 000 Vollzeitlehrereinheiten nach sich ziehen.

Diese 1 000 Vollzeitlehrereinheiten haben Sie z. B. schon bei der Ausgleichung der Arbeitszeitverkürzung für Lehrkräfte über 55 Jahre gar nicht eingeplant; denn allein dort werden uns im Jahr 2014 leider 1 000 Stellen fehlen. Auch das ist von Ihnen bei der Demografierendite nicht berücksichtigt worden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch an den Grundschulen würde man für die Absenkung der Schülerzahl um nur einen Schüler pro Klasse rund 750 Lehrerstellen zusätzlich benötigen. Im Übrigen liegt die landesweite durchschnittliche Schülerzahl an den öffentlichen Grundschulen bei unter 20 Schülerinnen und Schülern.

Meine Damen und Herren, wie Frau Korter und Herr Poppe auch schon ausgeführt haben, legt die Niedersächsische Landesregierung einen besonderen Schwerpunkt auf den Ausbau von Ganztagsschulen. Wir werden dafür Sorge tragen, dass es, wie im Koalitionsvertrag zugesagt, mittel- bzw. langfristig allen öffentlichen allgemeinbildenden Schulen ermöglicht wird, als gebundene bzw. sogenannte teilgebundene Ganztagsschulen zu arbeiten. Die Gesamtschulen und Grundschulen sollen hierbei vorrangig berücksichtigt werden.

Mit Beginn des Schuljahres 2012/2013 waren rund 1 500 der 3 000 öffentlichen allgemeinbildenden Schulen Ganztagsschulen - allerdings sogenannte offene Ganztagsschulen. Für das kommende Schuljahr liegen rund 160 neue Anträge auf offene Ganztagsschulen vor.

Meine Damen und Herren, die Vorgängerregierung hat aber bereits 2012 nicht einen einzigen Cent für die Genehmigung dieser Ganztagsschulen bereitgestellt. Es gab keine einzige Lehrerstelle zusätzlich. Für 2013 hat sie das auch nicht getan. Auch diese genehmigten Anträge müssen wir aus vorhandenen Budgetstellen finanzieren.

Damit kommt es wieder zu einem Verbrauch der Demografierendite, die dann nicht mehr für qualitätsverbessernde Maßnahmen zur Verfügung steht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein Entwicklungspotenzial der Ganztagsschulen in Niedersachsen wird also derzeit durch die zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt, die der Haushaltslage des Landes geschuldet sind.

Die vormalige Landesregierung hat den größten Teil, nämlich rund 1 200 Ganztagsschulen, sogar unter Verzicht auf die Ressourcen genehmigt und nur rudimentär ausgestattet, meine Damen und Herren.

Die FDP hat noch weitere Punkte wie Sozialarbeit in ihrem Antrag aufgeführt. Ich will nicht im Einzelnen ausführen, welche zusätzlichen Ressourcen dafür jeweils notwendig wären. Die rot-grüne Koalition wird jedenfalls auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme ein Gesamtkonzept für ein innovatives und leistungsfähiges Schulsystem, aber auch für ein Beratungs- und Unterstützungssystem in den niedersächsischen Schulen vorlegen. Dazu gehören z. B. der Ausbau der schulischen Sozialarbeit, der Aufbau von multiprofessionellen Beratungs- und Unterstützungsteams auf regionaler Ebene, der Ausbau der schulpsychologischen Beratung und auch die Verbesserung des Dienstleistungsangebotes zur Entlastung der Schulen.

Frau Ministerin, ich muss Sie kurz unterbrechen.

Erstens weise ich darauf hin, dass sich auch die Landesregierung ein wenig an die vorgegebene Redezeit halten sollte. Diese ist schon deutlich überschritten.

Zweitens hat sich der Kollege Thiele zu einer Zwischenfrage gemeldet. Würden Sie die zulassen?

Ich bin am Ende meiner Ausführungen, Herr Präsident.

(Ulf Thiele [CDU]: Heißt das ja oder nein?)

- Nein.