Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

(Jürgen Krogmann [SPD]: Erst das Land, dann die Partei! - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Mit solchen Argumen- ten ändern Sie Gesetze?)

Meine Damen und Herren, Sie haben noch einmal sehr deutlich gemacht, dass Sie erwarten, dass durch die Stichwahl eine größere Legitimation der Bewerber, der künftigen Eingleiser gewährleistet ist. Wir sehen das völlig anders. Wenn wir, wie z. B. bei der Landtagswahl, eine Wahlbeteiligung von 59 % haben und dann die beiden Bewerber mit den höchsten Stimmenanteilen in den zweiten Wahlgang kommen, bei dem es dann eine Wahlbeteiligung von nur noch 30 % gibt, halten Sie das dann für legitimiert? - Ich nicht. Dann sind nämlich fast alle, die hier sitzen, auch nicht legitimiert.

(Björn Thümler [CDU]: So ist das!)

Deswegen sind wir dagegen, dass die Stichwahl wieder eingeführt wird.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Aber das ist nicht der einzige Punkt.

(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Sagen Sie etwas zu Ihrem Landesverband Oldenburg!)

Sie haben in der Gesetzesfolgenabschätzung gesagt: Es entstehen keine Kosten für das Land. - Das ist natürlich richtig. Aber Sie machen sich damit einen ganz schlanken Fuß. Die Kosten entstehen für die Kommunen. Das geht natürlich nicht.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Machen Sie Demokratie nach Kassenlage, oder was? - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Nein! Aber, Herr Limburg, Sie müssen darstellen, wie Sie den Kom- munen die Kosten ersetzen!)

Wir haben hier ein Konnexitätsprinzip. Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen, selbst wenn es Bereiche bei den kommunalen Spitzenverbänden gibt, von denen gesagt wird: Okay, gut, es werden weitere Wahlgänge nötig. - Aber das Geld wird den Kommunen nicht zur Verfügung gestellt.

Gerade Sie haben immer beklagt, dass die Kommunen nicht genügend Finanzen zur Verfügung haben.

(Ulf Thiele [CDU]: So ist das!)

Aber Sie übertragen Aufgaben, ohne das Geld mitzuschicken. Das geht nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, schon weil wir der Auffassung sind, dass die Demokratie mehr gewährleistet wird, wenn im ersten Wahlgang die Mehrheit der Wahlberechtigten, der Wahlteilnehmer entschieden hat.

Unserer Ansicht nach ist eine Demokratieverfälschung das Ziel dieses Gesetzentwurfes.

(Zurufe von den GRÜNEN: Was?)

Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die im ersten Wahlgang gewählt haben, können dann nicht mehr erkennen, wie ihr Wahlwille, den sie im ersten Wahlgang geäußert haben, durchgesetzt wird. Es gibt dann andere Ergebnisse. Es gibt Zusammenschlüsse, die dann nicht mehr die Mehrheit der Wähler darstellen. Das kann nicht im Sinne unserer Demokratie sein.

(Beifall bei der CDU - Johanne Mod- der [SPD]: Das ist aber ein schiefes Demokratieverständnis! - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Nein, ge- nau das richtige!)

Deswegen werden wir, wie gesagt, diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Was sagt denn die CDU in Oldenburg?)

Wir werden darüber beraten. Alles andere, was sonst noch dazukommen könnte und wozu Sie sich heute geäußert haben - die Wahlzeit der Hauptverwaltungsbeamten -, alles das, was Sie großspurig angekündigt haben, aber nicht im Gesetzentwurf enthalten ist, wird sicherlich irgendwann nachkommen. Dann werden wir sehen, wie sich Ihre weiteren Vorstellungen verwirklichen lassen und ob die Unterstützung im Lande dafür da ist oder nicht.

Wir haben jedenfalls hier ein anderes Demokratieverständnis, und ich denke, das ist das richtige.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Jahns. - Zu Ihrer Rede liegt eine Wortmeldung des Kollegen Jürgen Krogmann zu einer Kurzintervention vor, dem ich dazu für anderthalb Minuten Gelegenheit gebe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Jahns, zunächst einmal muss ich lobend feststellen, dass Ihre Rede nicht so eine Karnevalsrede war wie die von Herrn Biallas. Das war schon ein Versuch, sich sachlich mit dem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen.

Aber erstens finde ich es schon ein bisschen komisch, dass ausgerechnet eine CDU-Vertreterin hier die kommunale Finanzlage beklagt und damit die Abschaffung der Stichwahl begründet.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben mit vielfältigen Gesetzen die Finanzlage der Kommunen verschlechtert und regen sich jetzt darüber auf, dass alle paar Jahre ein paar Tausend Euro für eine Stichwahl ausgegeben werden.

(Heiner Schönecke [CDU]: Na, na, na!)

Das halte ich für zynisch.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens zu der Frage: Können wir es nicht so machen wie bei den Abgeordneten? - Ich habe von der herausgehobenen Stellung des Hauptverwaltungsbeamten und seinen besonderen Befugnissen gesprochen. Das ist etwas anders.

(Björn Thümler [CDU]: Ist ein Minister weniger befugt?)

Ich spreche jetzt einmal nicht als Abgeordneter, sondern als Bürger: Wenn A, B und C zur Wahl stehen und ich C wähle, aber A und B vorne liegen, dann will ich die Chance haben, zwischen diesen beiden zu entscheiden. Wenn ich nicht die Chance habe, zu entscheiden, dann ist das keine Wahl, dann hat das mit Demokratie nichts zu tun.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Dritte ist - da möchte ich Sie beruhigen -: Auch alle anderen von uns angekündigten Veränderungen im Kommunalwahlrecht, im Kommunalverfassungsrecht werden wir natürlich in Angriff nehmen. Das machen wir sorgfältig und gründlich - nicht im Schweinsgalopp wie Sie zum Teil in den letzten Jahren, sondern fundiert.

(Heiner Schönecke [CDU]: Was soll denn das jetzt?)

Das alles werden Sie vorgelegt bekommen. Wir können dann in Ruhe darüber reden. Also: Behalten Sie Ruhe! Das Thema wird uns weiter beschäftigen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Kollegin Jahns, Sie möchten antworten? - Sie haben für anderthalb Minuten das Wort.

Sehr geehrter Herr Krogmann, es ist offensichtlich, dass wir ein anderes Verständnis von Demokratie haben. Wenn Sie hier die besondere Stellung der Hauptverwaltungsbeamten hervorheben und diejenige der Landtagsabgeordneten oder auch der Bundestagsabgeordneten als nicht so herausragend ansehen, dann muss ich daran zweifeln. Denn ich glaube, wir sind auch für das gesamte Land mitverantwortlich und im Übrigen nicht nur für ein Bundesland, sondern auch für das gesamte Deutschland. Von daher sind die Wahlen dort genauso zu betrachten wie auch die Wahlen zum Hauptverwaltungsbeamten.

Ich möchte noch ganz kurz ein Beispiel anführen: Im ersten Wahlgang hat ein Kandidat 10 000 Stimmen, und am zweiten Wahlgang beteiligen sich nur noch 30 % Wählerinnen und Wähler, d. h. die Wahlbeteiligung sinkt vielleicht noch einmal um 20 %. Jemand, der vielleicht von zwei oder sogar von drei Parteien aufgestellt wird, hat dann im zweiten Wahlgang vielleicht nur noch 2 000 oder 3 000 Stimmen. Halten Sie es für demokratisch und legitim, wenn ein Bewerber, der im ersten Wahlgang 10 000 Stimmen hatte, im zweiten Wahlgang nur noch 2 000 Stimmen hat? Das halte ich für völlig daneben. Deswegen werden wir das auch nicht mittragen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich dem Kollegen Belit Onay das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Argumente sind ja hinlänglich bekannt. Das Ganze ist noch gar nicht so lange her; dies wurde 2010 diskutiert. Die Legitimationsargumente wurden schon dargestellt.

Die CDU führt schon einen wichtigen Punkt an. Die niedrige Wahlbeteiligung ist nicht nur hier ein Thema, sondern generell ein Problem für die Demokratie; das ist richtig. Ich glaube, wir sind partei- und fraktionsübergreifend gefragt, dagegenzusteuern und Anstrengungen zu unternehmen, damit sich Menschen an demokratischen Instrumentarien beteiligen, bei der Demokratie mitmachen - davon lebt Demokratie - und dass sie das Ganze nutzen.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Das ist richtig!)

Denken wir einmal in Ihrer Argumentation weiter: Wenn wir jede Wahl abschaffen, bei der die Wahlbeteiligung nicht zufriedenstellend ist - was machen wir dann irgendwann? Werfen wir dann im Extremfall eine Münze zur Bestimmung der Bürgermeister?