Vielen Dank, Frau Staudte. So mögen wir das. Es ist bei dem einen Satz geblieben. - Für die CDUFraktion hat der Kollege Norbert Böhlke das Wort. Ich hoffe, ich habe Ihren Namen lange genug gedehnt, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass wir uns in der ersten Arbeitssitzung des Plenums nach der Konstituierung mit der Fortführung der Beteiligung des Landes Niedersachsen am Bundesprogramm zur Unterstützung bei ungewollt bestehender Kinderlosigkeit befassen. Seit dem 1. Januar - wir hörten es - bekommen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch eine wichtige finanzielle Unterstützung bei der Finanzierung einer künstlichen Befruchtung.
Seit 2004 übernehmen die Kassen bekanntlich nur noch 50 % der Kosten für eine künstliche Befruchtung. Pro Versuch werden 6 000 bis 8 000 Euro fällig. Ein Eigenanteil von 3 000 bis 4 000 Euro ist eine hohe Summe für jeden Einzelfall. Es kann durchaus geschehen, dass dieses mehrfach angewandt werden muss, bevor der glückliche Moment des Feststellens einer Schwangerschaft eintritt. Es kann auch geschehen, dass es keinen Erfolg hat. Deshalb begrüßen wir außerordentlich, dass Land und Bund jetzt auf Antrag die Hälfte des Eigenanteils der Familien finanzieren. Wir reden hier von 1 600 bis 1 800 Euro pro Versuch, wobei
Dieses Programm wird erfolgreich sein; davon sind wir überzeugt. Es ist unser politisches Ziel, dies möglichst unbegrenzt fortzusetzen; denn ca. jede dritte Frau wird nach einer künstlichen Befruchtung schwanger.
Wer Gespräche mit Paaren, die ungewollt kinderlos geblieben sind, geführt hat, kann nachvollziehen, welch hohe positive Bedeutung dieses Programm bei den Betroffenen genießt. Die gesamte Lebensplanung im Hinblick auf die Gründung einer Familie, im Hinblick auf die Karriereplanung von Mann und Frau und im Hinblick auf die Frage der Balance zwischen Beruf und Familie sind hiervon betroffen.
Der Leidensdruck, der ungewollt entsteht, wenn sich wieder einmal ein Baby im Freundeskreis, im Verwandtenkreis oder im Kollegenkreis angemeldet hat, ist von denen, die ihre Familienplanung erfolgreich verwirklichen können, oder von denen, die sich bewusst für Kinderlosigkeit entschieden haben, oft kaum nachzuvollziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus der Fernsehwerbung wissen wir dezidiert, dass Kinder für die Eltern keine Altersversorgung und schon gar keine Lebensversicherung darstellen. Trotzdem spielt die Frage für die Lebensplanung zweier Menschen eine besondere Rolle. Das möchte ich in dieser Debatte ganz besonders in den Vordergrund stellen, auch mit dem Hinweis darauf, dass das Kindeswohl auch in diesen Fragen eine besondere Bedeutung hat; denn das ganz entscheidende Thema bei der Frage der künstlichen Befruchtung ist und bleibt letztlich das Stichwort „Kindeswohl“ und weniger die Begründungen, die wir in dem FDP-Antrag lesen können: Arbeitsmarktlage oder drohender Fachkräftemangel. Auch die rückläufige Bevölkerungszahl ist nicht entscheidend. All dies sind sicherlich wichtige Themen, die wir im Einzelnen zu diskutieren und zu beraten haben. Sie können aber meiner Meinung nach nicht im Zusammenhang mit dem Thema künstliche Befruchtung gelöst werden. Dies würde ich auch für ethisch sehr bedenklich halten.
Die mit dem Antrag verbundene Forderung der FDP-Fraktion auf Erweiterung des Personenkreises auf Lebenspartnerschaften setzt voraus, dass eine Änderung des § 27 a SGB V erfolgt; denn hierin ist zurzeit gesetzlich geregelt, dass ausschließlich Ei- und Samenzellen von Ehegatten verwendet werden dürfen.
Liebe FDP-Fraktion, es mag sein, dass Sie in dieser aktuellen Diskussion mit dieser Forderung, die Sie auch in den Mittelpunkt der Ausführungen gestellt haben, mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gewinnen. Dann müssen Sie aber, denke ich, erst einmal Schularbeiten machen, mit denen im Bundestag die gesetzlichen Vorgaben geändert werden. Dies gilt im Übrigen auch für die Forderung nach der Aufnahme von Samenspenden in den Kassenkatalog. Auch hier müssen Sie die Rechtsgrundlage anpacken und gesetzliche Veränderungen herbeiführen.
Wir sehen das sehr kritisch; denn wir wollen, wie Sie wissen, dafür Sorge tragen, dass jeder Mensch das Recht auf Wissen um seine biologische Herkunft hat. Die Debatte um die vertrauliche Geburt und die Frage der Babyklappen sind immer noch aktuell. Die Rechtsprechung hat in dieser Thematik eine Klärung herbeigeführt, und zwar auf Klage einer durch eine anonyme Samenspende gezeugten Frau, die die Anonymität ihres Vaters aufheben konnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch zu helfen, ist ein ganz wichtiges Anliegen der CDU-Landtagsfraktion. Hierbei spielt das Kindeswohl für uns eine dominante Rolle, aber auch eine begleitende psychosoziale Begleitung für betroffene Paare halten wir für wichtig, um mögliche psychologische Folgen der ungewollten Kinderlosigkeit zu bearbeiten.
Hierzu zählt aber auch ganz einfach die Kinder- und Familienfreundlichkeit in unserer Gesellschaft. Eine positive Haltung und Einstellung gegenüber Kindern und eine angemessene Wertschätzung der Erziehungsarbeit von Eltern spielen hier ebenso eine gewichtige Rolle wie eine sowohl inhaltlich als auch qualitativ gut geführte Infrastruktur in Form von Schulen und Kindergärten. Dies alles gehört, wie wir wissen, zusammen. Dafür wollen wir uns einsetzen und freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Kollegin Dr. Thela Wernstedt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 17 000 Kinder wurden durch In-Vitro-Fertilisation - kurz: IVF - im Jahr 2003 in Deutschland geboren. Das ist eine beeindruckende Zahl. 100 000 ist eine noch größere, ebenfalls sehr beeindruckende Zahl. Im Jahr 2003 sind mehr als 100 000 IVF-Behandlungsversuche von Paaren in Deutschland mit Kinderwunsch unternommen worden.
Bis 2004 - Herr Böhlke hat das gerade schon gesagt - sind von den gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für vier Behandlungsversuche zu 100 % übernommen worden. Zwischen den Jahren 2000 und 2003 hatte die Zahl der Behandlungsversuche von 60 000 pro Jahr auf über 100 000 zugenommen.
Die Bundesregierung hat 2004 im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes Kriterien wie Altersgrenzen und die Zahl der Behandlungsversuche benannt, die zu einer Begrenzung der Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen geführt haben. Dennoch werden weiterhin Beträge im dreistelligen Millionenbereich von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Es wird also nach wie vor sehr viel Geld von der Solidargemeinschaft aufgewendet, um ungewollt kinderlose Paare zu unterstützen.
Man kann Kinderlosigkeit als Krankheit definieren. Dann wäre die Krankenkasse zu 100 % für die Kosten zuständig. Man kann Kinderlosigkeit als gesellschaftliches Problem ansehen. Dann wäre sie durch Steuermittel zu lindern. Oder man kann sagen, dass Kinderlosigkeit ein Schicksal ist, das es anzunehmen gilt. Dann darf man keine Finanzierung auf Kosten Dritter erwarten, sondern muss die Kosten privat tragen.
Das GKV-Modernisierungsgesetz hat einen Kompromiss mit den Grundannahmen 1 und 3 gewagt. Der Kompromiss geht von einem medizinischen Problem aus, für das die Krankenkassen zuständig sind, und von einem individuellen Schicksal, das selbst getragen und finanziert werden soll - mit der Folge, dass die Kassen nur noch 50 % der Kosten bei drei Behandlungsversuchen innerhalb bestimmter Altersgrenzen übernommen haben.
Mit einer solchen Regelung tritt zwangsläufig ein Gerechtigkeitsproblem auf. Diejenigen, die weniger Geld verdienen, können sich bei Kinderlosigkeit weniger Chancen auf ein Kind kaufen. Eine Garantie auf ein lebend geborenes Kind hat ohnehin niemand.
Inzwischen werden weniger Behandlungsversuche pro Jahr unternommen. 2011 sind deswegen nur 9 178 Kinder nach IVF-Behandlungen zur Welt gekommen. Man kann vermuten, dass dies mit den mangelnden finanziellen Ressourcen vieler kinderloser Paare zusammenhängt.
Interessanterweise ist aber auch die Zahl der Behandlungsversuche nach einem anfänglich starken Rückgang 2004/2005 auf inzwischen wieder 80 000 im Jahr angestiegen - trotz der nur 50-prozentigen Finanzierung durch die Kassen.
2012 hat sich die Bundesregierung nun entschlossen, auch Annahme 2 mit in die Finanzierung von IVF-Behandlungen aufzunehmen, und hat ein steuerfinanziertes Förderprogramm aufgelegt. Nun wurde Kinderlosigkeit auch als gesellschaftliches Problem angesehen und der demografische Wandel bemüht. Diese Argumentation findet sich auch im Entschließungsantrag der FDP-Fraktion wieder.
Das Bundesprogramm unterstützt Ehepaare, die ungewollt kinderlos sind, in den beschriebenen Altersgrenzen. Sie sollen statt 50 % nur noch 25 % der Kosten bei nunmehr vier Behandlungsversuchen zu tragen haben. Den Rest übernehmen Bund und Bundesland zu jeweils 50 %.
Niedersachsens vormalige Sozialministerin hat nach dem im März 2012 beschlossenen Förderprogramm immerhin im Dezember - Ende Dezember! - kundgetan, dass sich Niedersachsen mit 1,7 Millionen Euro - Frau Staudte hat das schon erwähnt - an der Bundesförderung beteiligt. Ein Schelm, wer dabei an Wahlkampftaktik denkt!
Kinderlosigkeit ist weder nur ein individuelles Schicksal noch ein rein medizinisches noch ein rein soziales oder psychisches Problem, sondern eine Mischung aus mindestens zwei dieser Problemfelder, wenn nicht mehr. So ist es eine kluge Entscheidung, die finanziellen Kosten einer solchen Behandlung zu teilen. Wir Sozialdemokraten halten einen Finanzierungsmix für gut vertretbar.
Als langjährig im Beruf erfahrene Ärztin warne ich aber vor überhöhten Hoffnungen. Wir werden den mehr als 30 Jahre anhaltenden Trend, dass in Deutschland wenig Kinder geboren werden, nicht durch IVF-Behandlungen aufhalten. Die Gründe für die geringe Geburtenzahl sind vielfältig und nicht
Wir sehen den demografischen Wandel heute auch deswegen als Problem an, weil wir unsere Verwaltung, Infrastruktur und finanzielle Förderpraxis auf Wachstum angelegt haben. Die Schrumpfungsprozesse in unserer Gesellschaft, die intelligente politische Lösungen verlangen, ändern wir nicht mit medizinischen Behandlungsverfahren. Wenn wir ernsthaft versuchen, ein soziales und gesellschaftliches Phänomen mit Mitteln der Medizin zu ändern, werden ganz sicher nur zwei Akteure profitieren: die Kinderwunschzentren und die Pharmaindustrie.
Bei all den Zahlen, die ich genannt habe, darf man nicht vergessen: Durchschnittlich bekommen weniger als 20 % der Frauen nach IVF tatsächlich ein lebendes Kind, und die 17 000 Kinder aus dem Jahr 2003 sagen nichts darüber aus, wie hoch die immateriellen Kosten für die Paare gewesen sind, wie viel Zeit zwischen Hoffen, Bangen und tiefer Verzweiflung in Praxen verbracht worden ist, sie sagen nichts darüber aus, was die Medikamente bei den Frauen bewirkt haben und wie viele Partnerschaften in Schwierigkeiten geraten und zerbrochen sind.
Die Gleichung „Je mehr Geld in IVF investiert wird, desto mehr Kinder werden geboren“ geht nicht auf. Von den moralischen Problemen, die mit den überzählig im Reagenzglas gezüchteten Embryonen oder der Präimplantationsdiagnostik entstehen und auf die wir bis heute keine guten Antworten haben, habe ich noch nicht einmal angefangen zu sprechen.
Zum Antrag: Die Koalitionsfraktionen werden sich weiter an der Bundesförderung beteiligen. Wir wollen ungewollt kinderlose Paare unterstützen. Wir befürworten es auch, eingetragene Lebenspartnerschaften zu unterstützen.
Dies bedarf jedoch einer Änderung der Bundesförderrichtlinien. Die Kostenübernahme für eine Fremdsamenspende durch die gesetzlichen Krankenkassen ist ebenfalls Angelegenheit der Bundesgesetzgebung und des Gemeinsamen Bundesausschusses. Ich erlaube mir den Hinweis, dass Ihr Parteikollege Daniel Bahr den Posten des Bundesgesundheitsministers bekleidet. Es sollte