Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

Es liegt im Interesse des Landes - und nicht etwa im Interesse einzelner Parteien -, dass wir darüber hinaus Sorge dafür tragen, dass wir die vom Grundgesetz ermöglichten Spielräume für Notsituationen real werden lassen. Das erfordert ein abgestimmtes Verfahren, für das ich noch mal nachhaltig plädiere.

Wir werden bei dem Thema Schuldenbremse zusammenkommen, wenn wir uns auf die verfassungsrechtlichen Fragen konzentrieren und uns keinen Schlagabtausch liefern, was 2016/2017 sei. Irgendwann kommt noch mal jemand, der sagt, man könne das eigentlich auch schon im nächsten Jahr realisieren. Angesichts der Ausgangslage ist das ein unsinniger Wettbewerb.

Wenn ich die Beteiligungserlöse HanBG einmal außen vor lasse, die ich ja - auch aus anderen Gründen - durchaus für akzeptabel halte - aus unternehmerischen Gründen halte ich es für vernünftig, die Beteiligung an der NORD/LB in einer Hand zusammenzufassen und nicht zu verteilen, aber das ein anderes Thema -,

(Reinhold Hilbers [CDU]: Gestern ha- ben Sie das kritisiert!)

haben wir real eine Schuldenfinanzierung des Haushaltes 2013 mit 900 Millionen Euro - alte Kreditaufnahmen, Rücklage, neue Kreditaufnahmen. Da beißt keine Maus den Faden ab.

Wir haben 900 Millionen Euro Schuldenfinanzierung. Das ist der Absprungpunkt, über den ich gern reden würde. Der Nullpunkt ist der Haushalt 2019, bei dem wir dann ziemlich runter sein müssen. 2020 dürfen wir nämlich nicht mehr.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ziemlich un- ehrgeizig!)

Dazwischen ziehen wir mal einen geraden Strich, und dann einigen wir uns darauf, dass die Linie nicht dem geraden Strich folgen wird, weil die Wirtschaft sich nicht an Prognosen hält. Das sagt jedenfalls meine Lebenserfahrung. Die Prognosen und die Wirklichkeit sind meist zwei Paar Schuhe. In der Realität wird es also eine Sinus- oder eine Zackenkurve entlang dieses Striches geben. Das müssen wir jedes Jahr nachjustieren. Das ist das Gebot der Vernunft.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Die Wirklich- keit wollen Sie der Mipla nicht anpas- sen!)

- Ach, Herr Hilbers!

Das ist das Gebot der Vernunft, sage ich einmal. Wenn wir uns auf einen vernünftigen Pfad begeben wollen, dann wird der irgendwo dort liegen.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Mut!)

- Was heißt hier „Mut“? Haben Sie Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung in China? Haben Sie darauf Einfluss?

(Zurufe von der CDU - Unruhe)

Ich sage Ihnen: Ich habe zehn Jahre in der Stahlindustrie hinter mir. Ich kann Ihnen lange, lange Geschichten darüber erzählen, wie die Chinesen - - -

(Anhaltende Unruhe)

Herr Minister, eine Sekunde! - Es soll eine wirklich lebendige Debatte sein. Wir müssen dem Minister aber zuhören. Ich bitte um Nachsicht.

Ja, zumal der eine oder andere dabei etwas lernen kann.

Was hat China mit unserer Wirtschaftsentwicklung zu tun?

(Björn Thümler [CDU]: Viel! Ganz viel!)

Das kann ich Ihnen genau sagen: Die Preise, die die Salzgitter AG auf den Märkten erzielt, werden zurzeit von den Kosten für den Rohstoff Erz bestimmt. 60 % des Erzes, das auf der Welt gehandelt wird, wird zurzeit von China gekauft. Der Preis wird von der chinesischen Konjunktur gemacht. Der Preis für das Blech, das VW verbauen muss, wird von der Entwicklung in Asien beeinflusst.

Ich könnte noch vieles mehr darüber erzählen; ich erspare es Ihnen aber. Ich möchte nur einmal dafür werben, dass Sie dann, wenn Sie die Wirtschaftsentwicklung betrachten, auch einmal Ihre kleinräumigen Scheuklappen abnehmen und Ihren Blick weiten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Land - ich hoffe, dass ich damit dem vorigen Wirtschaftsminister und auch dem neuen nicht zu nahe trete - hat Strukturpolitik, Verkehrspolitik und anderes zu machen. Dass wir die wirtschaftliche Entwicklung aber nennenswert beeinflussen können, ist doch eine Schimäre. Das kann sich doch nur jemand ausdenken, der überhaupt keine Ahnung hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Weil ich gerade so schön dabei bin: Die wirtschaftliche Entwicklung wird weltweit nicht zuletzt von ganz anderen Faktoren - von Währungsparitäten, Rohstoffkosten und Energiepreisen, die wir ebenfalls nicht steuern können - bestimmt. Davon, meine Damen und Herren - deshalb habe ich soweit ausgeholt -, sind unsere Steuereinnahmen abhängig. Darauf können wir uns doch verständigen.

Deshalb sage ich Ihnen: Die Wirklichkeit hält sich nie an die Prognosen. Deshalb müssen wir alle gemeinsam vorsichtig sein, wenn wir über Zeiträume von 2013 bis 2020 reden. Es wird allemal anders kommen, als wir es heute glauben. Sie müssen nur einmal hingehen - letzter Satz, Herr Präsident - und sieben Jahre zurückblicken. Haben Sie vor sieben Jahren gewusst, was später passiert?

(Björn Thümler [CDU]: Nein, wussten wir nicht!)

Denken Sie einmal darüber nach!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage stellt der Kollege Christian Grascha.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzminister, kommen wir einmal zurück zur Landespolitik.

Vor dem Hintergrund Ihrer Aussage - so sind Sie zumindest in der Braunschweiger Zeitung vom 13. März 2013 zitiert worden -, dass Haushaltskonsolidierung, solange Rot-Grün im Bund nicht regiere, absoluten Vorrang haben müsse, frage ich die Landesregierung, ob das bedeutet, dass solide Haushaltspolitik und Ausgabendisziplin dann, wenn Rot-Grün im Bund regieren sollte, im Land keinen Vorrang mehr haben würden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Reinhold Hilbers [CDU]: Eine sehr gu- te Frage!)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Schneider.

Herr Grascha, ich bin Ihnen für diese Frage aus zwei Gründen außerordentlich dankbar. Erstens freut es mich immer, wenn einer die Braunschweiger Zeitung liest.

(Jörg Bode [FDP]: Wir lesen alle Zei- tungen!)

Zweitens ist es so, dass dieses Zitat nicht autorisiert und missverständlich ist. Auch ich habe mich darüber geärgert. Es ist natürlich nicht so, dass wir nur so lange Haushaltskonsolidierung betreiben wollen, sondern bis dahin haben wir nur den Weg der Haushaltskonsolidierung, nicht aber - wenn ich einmal von dem bisschen Grunderwerbsteuer absehen - den Weg der Einnahmeverbesserung. In diesem Punkt ist das Zitat leider missverständlich, und ich möchte es - insofern bin ich Ihnen dankbar - zurechtrücken. Es ist natürlich nicht so gemeint.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Hilbers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf die nicht ausgeschöpften Kreditermächtigungen zu sprechen kommen. Vor dem Hintergrund, dass jetzt schon die Chinesen dafür herhalten müssen, dass Sie die Schuldenbremse nicht in die Verfassung schreiben wollen,

(Johanne Modder [SPD]: Sie sollten einmal zuhören! Der Minister hat es Ihnen gerade erklärt!)

vor dem Hintergrund, dass Sie hier zugegeben haben, dass wir Ihnen noch eine Rücklage in Höhe von 125 Millionen Euro hinterlassen haben, und vor dem Hintergrund, dass Sie im Haushaltsausschuss vor einer Woche gesagt haben, dass die Häuser - ich glaube, Sie haben es eben sogar selbst wiederholt - beim Haushaltsabschluss Reste in Höhe von 1,5 Milliarden Euro angemeldet hätten, frage ich Sie: Warum wollen Sie die Kreditermächtigung in Höhe von 3,5 Milliarden für den Haushaltsausgleich 2012 heranziehen, wie Sie gestern gesagt haben, wenn die Häuser doch nur 1,5 Milliarden angemeldet haben? - Sicherlich werden nicht alle Reste bewilligt.

Ergänzend dazu frage ich: Wollen Sie auch die komplette Kreditermächtigung, die Sie für 2012 in Höhe von 720 Millionen Euro haben - eben haben Sie ja gesagt, dieser Betrag sei faktisch nicht aufgenommen worden -, ausschöpfen vor dem Hintergrund, dass Sie eigentlich genügend Spielraum hätten, um damit anders umzugehen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister Schneider!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist das, was ich befürchtet habe: Es ist einfach kompliziert.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich dachte, dass Herr Hilbers, der ja im Haushaltsausschuss ist, weiß, wie die Dinge zusammenhängen.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist ja Ihr Problem, Herr Schneider!)

Leider ist das aber nicht der Fall.