Protokoll der Sitzung vom 24.07.2014

Aber wir dürfen doch nicht so tun, als wenn es heute noch keine Entschädigung gäbe. Wir müssen doch darüber reden, wie wir das bestmöglich realisieren können. Denn am Ende - das können wir drehen und wenden, wie wir wollen - muss die Leitung irgendwo entlangführen, muss der Mast irgendwo stehen.

Deshalb wollen wir mit Ihnen zusammen das Entschädigungsrecht darauf überprüfen, ob entstandene Verluste und Nutzungseinschränkungen - allein darum geht es bei der Entschädigung - tatsächlich gerecht ausgeglichen werden. Sich dafür gegenüber dem zuständigen Bund einzusetzen, halten auch wir - da sind wir ganz bei der CDU - für notwendig.

Dabei kann auch gerne geprüft werden, ob und inwieweit regelmäßige Zahlungen - auch wenn sie erst einmal das Grundprinzip des Entschädigungsrechts berühren - geeignet sind, dies zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren von der CDU, was Sie aber in Ihrem Antrag ansonsten fordern - eine laufende Zahlung, die sich an der Rendite der Leitungsnetzbetreiber orientiert -, ist absurd. Da haben Sie die eigennützige Forderung des Bauernverbandes einfach 1 : 1 übernommen.

Haben Sie darüber eigentlich einmal ernsthaft mit Ihren Parteifreunden im Bund gesprochen? - Die könnten das doch einfach umsetzen - und das übrigens seit vielen Jahren. Vermutlich ernten Sie bei Ihren eigenen Leuten in Berlin - wie bei uns - nur Kopfschütteln.

Wieso fordern Sie eine an der Rendite orientierte laufende Entschädigung eigentlich nur für Leitungstrassen? Seien Sie doch konsequent! Fordern Sie es doch auch für Autobahnen, für die Entwicklung von neuen Gewerbe- oder Baugebieten! Da könnten die Grundeigentümer, die ihre Flächen hergeben mussten, doch auch gleich an den Maut-, Steuer- oder Pachteinnahmen beteiligt werden. Das wäre konsequent. Warum fordern Sie es nicht? - Weil dieser Antrag am Ende doch nur der „Show“ dient.

Wer mit seinen Flächen vom Ausbau des Stromnetzes betroffen ist, soll dafür vernünftig entschädigt werden. Man muss sich genau anschauen, ob die derzeitigen Regelungen das leisten oder nicht. Das tun wir mit unserem Antrag. Da sind wir bei Ihnen.

Aber einen solchen Mumpitz, mit dem Sie sich allenfalls bei womöglich schlecht informierten Lobbyisten lieb Kind machen können, können wir nicht unterstützen. Sie trauen sich nicht einmal, ihn Ihren eigenen Leuten in Berlin schmackhaft zu machen. Das können wir nicht mittragen. In diesem Sinne werden wir das heute ablehnen und unseren eigenen Antrag auf den Weg bringen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Bajus. - Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Dammann-Tamke das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Kollege Bajus, das von Ihnen gewählte Beispiel der Erdkabel im Wald bringt es im Grunde genommen hervorragend auf den Punkt. Bei einer Erdverkabelung im Wald muss dauerhaft ein mindestens 20 m breiter Schutzstreifen freigehalten werden. Auch ein Erdkabel unter Ackerflächen bedeutet aufgrund der Erwärmung dieser Flächen, dass der Nutzer dauerhaft unter erheblichen Bewirtschaftungseinschränkungen zu leiden hat. Darin unterscheidet sich diese Technik maßgeblich von der Technik, die bis dato eingesetzt wird: Unter Freileitungen kann frei gewirtschaftet werden, und nur eine kleine Fläche wird durch einen Mast beeinträchtigt.

Dieses Beispiel zeigt, dass wir hier zu Neuregelungen kommen müssen, die zu mehr Gerechtigkeit führen. Aber die von den Sozialdemokraten und von Ihnen getragene Beschlussempfehlung - in der die Landesregierung aufgefordert wird, „sich … dafür einzusetzen, dass geprüft wird“; das auch in Richtung von Herrn Hausmann - ist weichgespült. Mit solchen butterweichen Formulierungen kommen wir in dieser Sache nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Bajus, das Wort „Mumpitz“ ist nicht parlamentarisch, würde ich sagen. Beim

nächsten Mal, wenn Sie etwas Ähnliches meinen, können Sie es vielleicht anders formulieren.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Machen Sie einen Vorschlag, Herr Präsident! - Heiterkeit)

Sie haben jetzt das Wort zur Antwort auf Herrn Dammann-Tamke.

Vielen Dank, Herr Präsident, auch für den Hinweis. Ich meinte, dass der Antrag widersinnig ist. Er ist wirklich nicht zielführend.

Sie haben das, was wir hier machen, gerade „butterweich“ genannt. Ich möchte Ihnen darauf mit harten Argumenten entgegnen.

Die Welt besteht doch nicht allein aus Netzausbau und davon betroffenen Grundstücksbesitzern. Wir reden hier über die Entschädigung, die gezahlt werden muss, wenn im Interesse des Gemeinwohls, dem ein privates Interesse entgegensteht, eine Enteignung erfolgt. Das gibt es in vielen Bereichen. Das Entschädigungsrecht sieht grundsätzlich vor, dass erstens für den entstandenen Schaden Entschädigung gezahlt wird - das besagt schon das Wort - und dass zweitens auch Nutzungseinschränkungen kompensiert werden. Es sieht nicht vor, Eigentümer in irgendeiner Form an dem Gemeinwohl dienenden Zwecken zu beteiligen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Al- so müssen wir doch an das Gesetz heran! Die „dem Gemeinwohl dienen- den Zwecke“ werden von TenneT ver- treten! Das ist nicht die Bundesrepu- blik Deutschland, das ist TenneT!)

Die Netzinfrastruktur dient dem Gemeinwohl; denn sie dient der Daseinsvorsorge.

Ich habe das Gefühl, Sie wollen eine Neiddebatte forcieren: Ein Landwirt, auf dessen Flächen Windkraftanlagen stehen, kann damit durchaus Profit machen. Ein Landwirt, auf dessen Flächen Freileitungsmasten stehen oder dessen Flächen von Leitungen überspannt werden, kann das nicht.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Auch das ist ein Aspekt!)

Hier führen Sie eine unseriöse Debatte. Eigentlich wollen Sie das Entschädigungsrecht grundsätzlich ändern. Dann sagen Sie es hier auch, bringen Sie es auf den Punkt, und bringen Sie es auf den Weg! Wir können ja gern über die Höhe und über den

Modus reden. Das macht unser Antrag auch. Aber versprechen Sie nichts, was Sie am Ende sowieso nicht halten können.

Genau das tun Sie hier: Sie streuen den Menschen Sand in die Augen. Die Grundstücksbesitzer, die Forst- und Landwirte in Niedersachsen haben das nicht verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Herr Bajus. - Herr Minister Wenzel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Netzausbau ist eine Grundvoraussetzung für den Ausbau der erneuerbaren Energien, und es ist unbestritten, dass dafür in der Regel auch die Nutzung privater Flächen gegen eine Entschädigungszahlung für die dadurch entstandenen Nutzungseinschränkungen erforderlich wird.

Der Netzausbau gehört grundsätzlich zum Bereich der Daseinsvorsorge. Er wird in der Regel von Monopolunternehmen ausgeführt, die in dem jeweiligen Bereich tätig sind. Aber dort wird eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrgenommen, die im Energierecht des Bundes geregelt ist.

Die bundesgesetzliche Entschädigungsregelung für direkt betroffene Grundstückseigentümer - das sagt uns der Bund - hat sich aus bundespolitischer Sicht bewährt. Die Entschädigungshöhe wird in der Regel durch Rahmenvereinbarungen zwischen den Landesbauernverbänden und den Netzbetreibern festgelegt. Das ist in der Vergangenheit von den Bauernverbänden ja auch schon des Öfteren thematisiert worden. Ich habe aber mit Interesse zur Kenntnis genommen, Herr Dammann-Tamke, dass sich die Bundesregierung auch unter der Regierungsbeteiligung der CDU bislang nicht zu einer Änderung der Entschädigungspraxis entschließen konnte.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Es wäre doch ein gutes Signal, wenn das aus Niedersachsen käme!)

- Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Wir reden hier ja über eine Materie, die nicht ganz so neu wie Ihr Antrag ist.

Der Bund hat auch immer deutlich gemacht, dass hier aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Überkompensation vermieden werden muss.

Sie schlagen vor, im Zweifel auch eine landesspezifische Regelung zu treffen. Bei einer Materie aber, bei der wir es mit einem Leitungsausbau über viele Bundesländer hinweg zu tun haben und bei der eigentlich der Bund derjenige ist, der das regeln darf, ist das ein ganz schwieriges Projekt.

Insofern glaube ich, dass am Ende der Vorschlag, den die Fraktionen von SPD und Grünen hier vorgelegt haben, deutlich konstruktiver und zielorientierter an die Materie herangeht. Er versucht nicht, den Eindruck zu erwecken, dass man Bundesrecht einfach aushebeln oder eine gewachsene Entschädigungspraxis einfach infrage stellen könnte, sondern er hebt darauf ab, Akzeptanz verbessernde Maßnahmen aufzuzeigen, um den dringend erforderlichen Netzausbau zu beschleunigen und die derzeitige Entschädigungspraxis zu verbessern. Insofern nimmt er den Grundgedanken Ihres Antrags auf, Herr Dammann-Tamke,

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Er war also doch nicht so verkehrt!)

versucht aber, einen Weg aufzuzeigen, wie man hier im Sinne des gemeinsamen Interesses, den Netzausbau voranzubringen, vielleicht zum Ziel kommt, und zwar durch eine Weiterentwicklung des bestehenden Entschädigungssystems zugunsten einer punktuellen Verbesserung, der man grundsätzlich aufgeschlossen gegenübersteht, beispielsweise durch eine angemessene allgemeine Anpassung an die Preisentwicklung, die nicht unbedingt immer erfolgt ist.

Das könnte möglicherweise ein gangbarer Weg sein. Auch erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass hier Spielräume im Bereich von Beschleunigungszuschlägen bestehen könnten. Die bundeseinheitliche Entschädigungspraxis sollte man aus meiner Sicht aber nicht infrage stellen.

Insofern begrüßen wir grundsätzlich die Beschlussempfehlung in der Drucksache 1738, die uns hier zur Beratung vorliegt.

Herr Minister, Herr Dammann-Tamke möchte Ihnen eine Frage stellen.

Gerne.

Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Minister, bevor Sie Ihren Schlusssatz formulieren, frage ich Sie: Kann ich Ihre Ausführungen dahin gehend interpretieren, dass wir in dieser Hinsicht eine entsprechende Bundesratsinitiative Niedersachsens zu erwarten haben?

(Beifall bei der CDU)

Bitte schön, Herr Minister!

Herr Abgeordneter Dammann-Tamke, ich möchte dem Landtag hier nicht vorgreifen. Der Landtag wird diesen Antrag zunächst abschließend beraten, und dann werden wir sehen - - -

(Wiard Siebels [SPD]: Zuerst kommt die Legislative!)