Nur noch der übliche Hinweis von mir: Jeder darf zwei Zusatzfragen stellen. Sie müssen kurz, knapp und vor allem sachbezogen vorgetragen werden.
Herr Präsident! Herr Minister, ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund stark steigender Studierendenzahlen, wie wir die Studienabbrecher im Rahmen der Fachkräfteinitiative besser in den ersten Arbeitsmarkt integrieren können. Ich frage das auch mit Blick auf das Thema Anrechenbarkeit von Studienleistungen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Problem mit Blick auf die Studienabbrecher ist ja nicht nur das Problem eines vermeintlichen persönlichen Versagens im Bildungssystem, sondern ein Problem ist hierbei auch, dass an dieser Stelle unter Umständen Kapazitäten verloren gehen, die nicht verloren gehen müssten. Deshalb setzen wir ganz stark darauf, über Anerkennung von im Studium bereits erbrachten Leistungen die Studienabbrecher über den klassischen Berufsausbildungssektor - duales System oder fachschulische Ausbildung - in den Arbeitsmarkt zu
Um das faktisch umzusetzen, bedarf es aber einer großen Anzahl an Maßnahmen. Das heißt, wir müssen die potenziellen Studienabbrecher erst einmal erreichen. Wir müssen gemeinsam mit den Kammern und den Berufsfachverbänden vereinbaren, welche Leistungen unter welchen Bedingungen anerkannt werden können. Hierzu haben wir bereits an ganzes Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht. Wir finanzieren zurzeit im Rahmen der Offenen Hochschule gemeinsam mit der NTH und den Kammern ein Projekt, über das einzelne Maßnahmen auf den Weg gebracht wurden. Auch im Raum Vechta gibt es ein gemeinsames Projekt mit den Kammern und den Arbeitgebern.
Wir werden genau diesen Bereich in Zukunft schwerpunktmäßig in den Fokus stellen und mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Denn bei Studienabbrecherquoten von zum Teil mehr als 30 % - z. B. im MINT-Bereich - ist, glaube ich, klar, dass wir doch noch sehr viele Menschen erfolgreich, wenn wir es gescheit anstellen, in den ersten Arbeitsmarkt bringen könnten.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Mir liegt noch eine Wortmeldung des Kollegen Will für eine Zusatzfrage vor. Herr Will, wollen Sie eine weitere Frage stellen,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass es im Emsland bereits erste Bündnisse für die Ausbildung von spanischen Jugendlichen gegeben hat, ob es schon Erkenntnisse zum Erfolg solcher Maßnahmen gibt.
Ich will an dieser Stelle noch einmal auf den Handlungsrahmen verweisen. Es bestehen, glaube ich, ganz unterschiedliche Herausforderungen beim Thema Fachkräftesicherung. Wir müssen uns um diejenigen kümmern, die wir für den Arbeitsmarkt qualifizieren wollen, und wir müssen uns um diejenigen kümmern, die schon im Arbeitsmarkt sind, aber die wir noch stärker integrieren können. Wir wollen jedoch auch attraktiv für Zuwanderer sein. Mit dem Modell der Ems-Achse haben wir ja letztendlich weniger junge Leute gewonnen, die wir in Niedersachsen hätten qualifizieren können, um ihnen eine Perspektive zu geben, sondern es sind zum Teil Leute hierhergekommen, die schon eine hohe Qualifikation hatten. Dadurch hat sich das Modell am Ende ausgezeichnet.
Unser Ziel muss doch ein doppeltes sein: Auf der einen Seite wollen wir jungen Menschen aus dem europäischen Ausland, insbesondere aus den südeuropäischen Ländern, in denen die Jugendarbeitslosigkeitsquote 40, 50 und zum Teil sogar 60 % beträgt, eine Perspektive geben, indem wir sie qualifizieren, sodass sie in ihr eigenes Land zurückgehen und dort als Fachkräfte zur Verfügung stehen und die Wirtschaftskraft steigern können.
Zum anderen wollen wir auch eine Perspektive für den Arbeitsmarkt in Deutschland generieren. In diesem Handlungsfeld - das habe ich vorhin gesagt - haben wir ein ganz eigenes Interesse.
Was wir aber nicht tun dürfen - das will ich an der Stelle sagen -, ist, zu sagen, dass die Lösung für den Fachkräftemangel in Deutschland in solchen Projekten mit jungen Menschen aus dem europäischen Ausland besteht und wir uns deshalb nicht um den Rest kümmern müssen. Denn das Ganze kann nur im Einklang geschehen. Ziel dieser Handlungsstrategie ist es, alle Felder gleichberechtigt zu berücksichtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Herr Präsident, darf ich zuallererst meine letzte Besuchergruppe in diesem Plenarsaal von der Emil-Langen-Realschule aus Salzgitter begrüßen, mit Herrn Kaletka, Frau Rodewald, Herrn Schuffenbauer.
Sie sollen hier eine Frage stellen. Sie haben jetzt Ihren Publikumserfolg gehabt, und nun kommt die Frage. Bitte!
Ich komme zu der Frage. - Herr Minister Lies, Sie sprachen bereits die Erwerbstätigkeit von Frauen an. Ich frage Sie vor diesem Hintergrund: Welchen Stellenwert konkret misst die Landesregierung der Erwerbsbeteiligung von Frauen bei der Fachkräftesicherung in Niedersachsen bei?
Meine zweite Frage darf ich daran anschließen. Wir alle wissen, dass wir es künftig schwerer haben werden, den Bedarf an Fachkräften alleine durch Schulabgänger quantitativ zu decken. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Welchen Beitrag können gerade ältere Beschäftigte unter welchen Voraussetzungen zur Fachkräftesicherung in Niedersachsen leisten?
Danke schön. Das waren zwei Fragen. - Für die Landesregierung antwortet der Wirtschaftsminister. Bitte sehr!
(Ministerin Cornelia Rundt: Lässt du mich vor? - Gegenruf von Minister Olaf Lies: Du willst vor? Okay!)
Diese wunderschöne Frage teilen wir uns; denn zum Thema Frauenerwerbstätigkeit würde ich gerne etwas sagen.
Wir haben sicherlich das Phänomen, dass wir im Moment das Thema Frauenerwerbstätigkeit vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels diskutie
ren. Ich möchte gerne als Erstes klarstellen, dass es bei der Erwerbstätigkeit von Frauen nur sekundär um das Thema Fachkräftemangel gehen kann. Zunächst einmal geht es darum, dass Frauen natürlich die gleichen Chancen im Arbeitsmarkt haben müssen, wie es auch bei Männern der Fall ist.
(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Wenn das alle verstehen wür- den, wäre das schon mal hilfreich!)
Dass sich aber der Wunsch von Frauen, auch die entsprechend gleichen Chancen im Arbeitsmarkt zu haben, wunderbar mit dem Thema ergänzt, dass wir Frauen auch als Fachkräfte brauchen, ist klar. Das ist eine gute Fügung. Bei den Frauen haben wir eine Erwerbsquote von ungefähr 70,4 %. Bei den Männern sind es 81 %. Es gibt da also noch gewisse Unterschiede. Insbesondere gibt es nach wie vor auch Unterschiede bei der Bezahlung. Zum Beispiel verdienen Frauen bei gleicher Arbeit im Durchschnitt um die 20 bis 22 % weniger als Männer. Wir haben das Phänomen, dass sich dies insbesondere hinterher auf die Erwartungen bei den Ruhestandseinkommen auswirkt. Dort gibt es nämlich einen Unterschied von 60 % zu Lasten der Frauen.
Daran sieht man, wie wichtig es ist, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen gut gefördert wird, dass sie gut angenommen wird und dass wir insbesondere auch darauf achten, dass sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten durchgeführt werden und dass, bedingt durch Erwerbstätigkeitsverhältnisse von Frauen, nicht Altersarmut eintritt. Wir haben das Phänomen, dass sich Minijobs als Falle erweisen, weil sie nicht sozialversicherungspflichtig sind und deswegen dazu führen, dass Frauen im Alter in Armut fallen. Das heißt, auch Dinge wie Minijobs oder Teilzeitfallen, die durchaus bestehen, sind Rahmenbedingungen, die wir im Rahmen der Fachkräfteinitiative sicherlich deutlich verbessern müssen und wollen.
Es ist kein Zufall, dass das Thema Frauen und Erwerbstätigkeit von Frauen in dem entsprechenden Papier der erste genannte Punkt ist. Hier liegen sowohl Potenziale für den Fachkräftemarkt als auch erhebliche Potenziale für Frauen, insbesondere auch was Einkommen und was Ruhestandsbezüge betrifft, sodass wir dies auf jeden Fall deutlich voranbringen wollen. Das tun wir mit sehr unterschiedlichen Projekten, indem wir zum Beispiel die Koordinierungsstellen für Frauen und Beruf deutlich voranbringen - wir haben gerade eine 23. Koordinierungsstelle eröffnet - und das auch in
erheblichem Maße über ESF-Mittel gegenfinanzieren, damit solche Dinge nicht mehr passieren, dass Frauen in Teilzeitfallen bzw. in Minijobfallen sind, sondern dass wir die Erwerbstätigkeit von Frauen für die Frauen selber und für den Arbeitsmarkt voranbringen.
Vielen Dank, Frau Ministerin Rundt. - Auf die zweite Frage antwortet jetzt der Wirtschaftsminister Herr Lies. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das zeigt, dass es ressortübergreifend hervorragend funktioniert.
Ja, ich will das wirklich sagen: Fachkräftesicherung wird nur funktionieren, wenn es nicht Einzelspieler machen, sondern wenn die gesamten Ressorts dieser Landesregierung intensiv zusammenarbeiten. Das funktioniert; das hat man gerade gemerkt.
Deswegen will ich den wirtschaftspolitischen Ansatz der Frauenerwerbstätigkeit darstellen. Der zu Recht genannte sozialpolitische Ansatz, dass es ja wohl ein Anrecht auf Erwerbstätigkeit, auf Vollzeiterwerbstätigkeit und auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt, ist, glaube ich, unbestritten. Aber ich will noch einmal deutlich machen, warum das aus wirtschaftspolitischer Sicht ebenfalls so entscheidend ist.
Wir haben gesehen, dass es einen Anstieg bei der Beschäftigung bzw. Erwerbsbeteiligung von Frauen gibt, die 2012 auf 70,4 % angestiegen ist. Aber es ist kein Anstieg des Arbeitsvolumens von Frauen festzustellen. Der ist nämlich bei 42 % konstant geblieben. Genau das ist das Problem. Es gibt zwar mehr Frauen, die in Beschäftigung sind - dabei ist der Begriff „Beschäftigung“ nicht „Arbeit“, sondern es ist eher die Frage, welche Jobs man bekommt und wo man eingesetzt wird -, aber das Beschäftigungsvolumen, das ebenfalls wichtig ist - die Sozialministerin hat von dem Thema Altersarmut gesprochen -, kommt an dieser Stelle viel zu kurz.
Deswegen muss es uns gelingen, mehr Frauen die Perspektive zu geben, mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch die Chance auf größere
Teilzeitmengen bis hin zur Vollzeit zu haben, also beides miteinander zu verbinden. Genau das ist das Problem. Die Teilzeitquote von Frauen lag 2011 bei 40 %. Sie liegt eben nicht nur bei 40 %, weil es ein großer Teil der Frauen will - das ist gut so -, sondern sie liegt auch deshalb bei 40 %, weil man nicht allen, die eigentlich die Perspektive haben, ihre Stelle aufzustocken, die Möglichkeit dazu gibt. In einer Studie wurde festgestellt, dass es 200 000 Frauen alleine in Niedersachsen gibt, die bereit wären, mehr als das zu arbeiten, was sie jetzt als Teilzeitvolumen haben, die aber keine Möglichkeiten haben.
Warum ist das aus wirtschaftspolitischer Sicht so entscheidend? - Nach Berechnungen für Niedersachsen ließen sich 25 % der zu erwartenden demografischen Lücke bereits durch eine Halbierung der Kluft zwischen der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern schließen. Deswegen haben wir aus wirtschaftspolitischer Sicht - ich denke, alle anderen Fragen sind völlig klar - einen dringenden Handlungsbedarf, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf und die Anerkennung von erworbenen Abschlüssen ganz weit vorne anzusiedeln, damit wir einen entsprechenden Beitrag zum Thema Fachkräfte leisten können.