Protokoll der Sitzung vom 25.07.2014

wenn einer ein Auto ohne Bremsen und Gurte kaufen will, dann ist das seine freie Entscheidung, sondern es muss natürlich, wie es die Kollegin Staudte angesprochen hat, staatliche Regeln zum Schutz der Verbraucher und der Allgemeinheit geben.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Grenzenlose Freiheit und alles zu liberalisieren, ist vielleicht Vorstellung der FDP. Wir stehen aber zu einer sozialen Marktwirtschaft, die auch dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher dient.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

In der EU und natürlich auch in Niedersachsen verfolgen wir den ganzheitlichen Ansatz einer konsequenten Kontaminationsvermeidung auf allen Stufen der Herstellung und des Vertriebs und nicht erst im Endprodukt. In der gesamten Produktionskette muss für hygienische Bedingungen und eine Minimierung der mikrobiellen Belastung gesorgt werden. Nach den derzeit geltenden Hygienevorschriften darf zum Zweck der Entfernung von Oberflächenverunreinigungen z. B. bei Hühnerfleisch kein anderer Stoff als Trinkwasser verwendet werden. In den USA ist das anders. Sie fordern in Ihrem Antrag, das auch hier zuzulassen. In den USA wird ein Verfahren zur Dekontamination angewandt, bei dem das Geflügelfleisch am Ende der Gewinnungskette durch ein Chemikalienbad gezogen oder damit besprüht wird.

Sie fordern in Ihrem Antrag, wir sollen uns bei der Bundesregierung im Hinblick auf das Freihandelsabkommen dafür einsetzen - das ist Punkt 2 Ihres Antrags -, dass alternative Behandlungsformen wie Chlordioxid oder ionisierende Strahlung zugelassen werden. Sie fordern also genau das, was in den USA passiert.

Meine Damen und Herren, Sie verkürzen auch. Das BfR hat 2006 in einer Stellungnahme z. B. darauf hingewiesen, dass zu beachten sei, dass das Fleisch nach der Schlachtung eine natürliche Oberflächenflora besitze. Werde diese z. B. durch Chlor nun vollständig beseitigt, fänden pathogene Keime bessere Wachstumsbedingungen auf der Fleischoberfläche vor. Die Dekontamination sei nur für einen kurzen Zeitraum wirksam und würde durch Abspülen neutralisiert. Zudem könne bei einer extrem hohen Keimbelastung des Fleisches aufgrund der Oberflächenstruktur von Geflügel -

Haut und zahlreiche Hohlräume der Geflügelkarkassen - keine vollständige Dekontamination erwartet werden - so das BfR 2006 -, und deshalb könne eine Resistenzbildung pathogener Keime durch dieses Verfahren eben nicht ausgeschlossen werden.

Seltsam, dass nun von diesen Bedenken gar nicht mehr die Rede ist. Woher kommt dieser Sinneswandel? - Wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen mit den USA. Die rotgrüne Landesregierung hat klar gesagt: Wir lassen unsere Arbeitnehmerrechte, unsere Umweltrechte, unsere Verbraucherschutzrechte nicht auf dem Basar eines Freihandelsabkommens zur Disposition stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist übereinstimmende Meinung der Verbraucherminister von SPD, Grünen und CDU. Die FDP hat leider keinen oder wird mit diesen Forderungen vielleicht auch keinen mehr bekommen. Wir befinden uns bezüglich dieser Forderung in großer Übereinstimmung mit der niedersächsischen Geflügelwirtschaft, mit den Gewerkschaften, mit den Arbeitgeberverbänden, mit den Verbraucherschützern und mit den Umweltverbänden, dass wir es nicht zulassen wollen, dass unsere hohen Verbraucherstandards nun für ein Freihandelsabkommen mit den USA aufgeweicht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es liegt ein Antrag auf zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 vor. Herr Grupe, ich gebe Ihnen das Wort für anderthalb Minuten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Das Thema ist uns wirklich wichtig. Deswegen: Herzlichen Dank! Vielleicht können wir ja einiges versachlichen.

Herr Minister, Sie haben gesagt, wir wollten die gleichen Behandlungsmethoden wie in den USA. Das ist falsch. Wir haben auf Methoden hingewiesen, die uns vom Bundesamt für Risikobewertung z. B. als mögliche zusätzliche Behandlungsmethoden empfohlen wurden. Auch das Institut für Fleischhygiene und -technologie - ich habe es vorhin zitiert - sowie Fachprofessoren sagen, es gibt Möglichkeiten, da etwas zu tun. Wie und in

welcher Art und Weise das bei uns in Deutschland möglich wäre, müssen die Fachleute entscheiden.

Es ist auch falsch, dass die Anwendung ionisierender Strahlung etwa verboten wäre. Dieses Verfahren wird ja in Teilbereichen auch bei uns in Deutschland angewendet, in Belgien zu einem sehr großen Anteil. Auch da gilt es zu entscheiden, wie und in welcher Weise man diese Methoden zusätzlich zu dem hohen Standard einsetzen will.

Über alles, was Sie zu der Kontrolle in der gesamten Kette gesagt haben, um da immer besser zu werden - das will ich ausdrücklich betonen -, sind wir uns doch völlig einig. Im Übrigen sind wir in Bezug auf Salmonellen in den letzten Jahren viel besser geworden.

Aber zu dem eigentlichen Problem, zu dem Anlass dieses Antrags, dass bisher keinerlei Lösung dafür genannt wird, dass hier Keime unterwegs waren und nach Auffassung vieler Experten jederzeit wiederkommen können, die schwere gesundheitliche Schäden hervorgerufen haben und die Tote gefordert haben, haben Sie leider keinen einzigen Ton gesagt.

Ihre Politik, zu sagen: „Wir machen das nach unseren bestimmten“ - das sage ich jetzt wirklich mal - „ideologischen Grundsätzen, und wenn eine Epidemie kommt und es mal wieder 50 Tote gibt, können wir auch nichts dafür“, kann nicht Politik dieses Landes sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung, mitberatend der Unterausschuss

„Verbraucherschutz“ sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Vielen Dank. Dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung: Pkw-Maut-Pläne sofort stoppen - Keine weiteren Belastungen von Mobilität und Logistik in Deutschland und keine Diskriminierung von

Nachbarn durch Deutschland! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/1744

Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Dürr, FDP-Fraktion, das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wie in jeder guten Fernsehserie will ich einmal mit einer Rückblende beginnen: Was bisher geschah. Zunächst einmal der Koalitionsvertrag hier in Niedersachsen von SPD und Grünen, in dem es zu dem Thema sehr eindeutig heißt:

„Eine Umgehung von Finanzierungsengpässen beim Straßenbau durch die Erhebung einer allgemeinen Pkw-Maut … lehnt die rotgrüne Koalition ab.“

So weit, so gut.

(Beifall bei der FDP)

Dann haben wir einen Bundestagswahlkampf erlebt. Da waren sich alle Parteien mit Ausnahme der CSU sehr einig. Alle sagen Nein zu einer PkwMaut.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Dann haben wir auf Bundesebene in Berlin die Koalitionsverhandlungen erlebt, und am Ende stand im Koalitionsvertrag drin - ich will zitieren -:

„Diesem Ziel dient auch eine Ausweitung der Lkw-Maut sowie eine europarechtskonforme Pkw-Maut, mit der wir Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw an der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für das Autobahnnetz beteiligen wollen, ohne im Inland zugelassene Fahrzeuge höher als heute zu belasten.“

Aber die Geschichte geht dann an der Stelle natürlich noch weiter. Dann gab es verschiedentliche Debatten. Etwa ein halbes Jahr ist in Berlin rauf und runter diskutiert worden. Am Ende des Tages stand eine Sache sehr eindeutig fest, nämlich das Papier von Herrn Dobrindt. Das, was ursprünglich im Koalitionsvertrag zugesagt war, nämlich dass man sich auf die Autobahnen beschränkt, ist am Ende des Tages nicht passiert.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, was heute vorliegt, ist eine allgemeine Straßenbenutzungsgebühr in Deutschland. Ich will es deutlich sagen: Eine solche Gebühr lehnt die Freie

Demokratische Partei ab, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP)

Aber worüber reden wir hier eigentlich? - Alle Straßennutzer zusammen in Deutschland zahlen heute über die Kfz-Steuer, über die Mineralölsteuer und über die Lkw-Maut insgesamt 53 Milliarden Euro in den Haushalt des Bundes. Der gute alte Grundsatz „Verkehr finanziert Verkehr“, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt bereits heute.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Und warum ist dann alles so verloddert?)

Bereits heute sind die Autofahrer und die LkwFahrer und die Unternehmer, die auf den deutschen Straßen unterwegs sind, diejenigen, die die Infrastruktur voll und ganz finanzieren. Im Gegenteil, ein Großteil des Geldes wird heute bereits woanders ausgegeben. Also, kurzum gesagt: Der alte Grundsatz „Der Verkehr in Deutschland finanziert den Verkehr“ ist bereits heute Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen ist es abwegig, die Autofahrerinnen und Autofahrer zusätzlich zu belasten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich will an der Stelle auch noch einmal auf die historischen Dinge zurückkommen. In dem Straßenbaufinanzierungsgesetz aus dem Jahr 1960 - daran wird sich niemand der von uns hier Anwesenden mehr erinnern, weil es niemand von uns im Deutschen Bundestag mit beschlossen hat - steht:

„Artikel 1 - Zweckbindung des Aufkommens der Mineralölsteuer

Das Aufkommen an Mineralölsteuer … ist … in Höhe von 50 vom Hundert für Zwecke des Straßenwesens zu verwenden.“

In dem erst kürzlich verabschiedeten Bundesfernstraßenmautgesetz steht in § 11:

„Das verbleibende Mautaufkommen wird“

- nach Abzug der Bürokratiekosten -