Protokoll der Sitzung vom 24.09.2014

Eine Minute hat es gedauert, meine Damen und Herren, bis Herr Seefried das Wort „Einheitsschule“ benutzte.

(Christian Dürr [FDP]: Darum geht es doch!)

Ich kann dazu nur sagen: Solches Denken ist eher eindimensional.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn unter der Vorgängerregierung das Schulgesetz angefasst wurde - im Übrigen selten durch Entwürfe der Landesregierung -, dann ging es vor allem darum, Schulstrukturen zu zementieren, Hürden zu errichten. Es ging darum, Verbote zu erlassen oder aufrechtzuerhalten.

(Christian Grascha [FDP]: Die Grün- dung von Oberschulen ist doch kein Verbot! - Christian Dürr [FDP]: Das Recht, ein Gymnasium zu besuchen, ist doch kein Verbot! Das wollen Sie abschaffen, Frau Heiligenstadt!)

Mein Ziel - und das der Landesregierung - ist ein anderes. Ich möchte Bildungschancen für Kinder erhöhen. Ich möchte die Gleichbehandlung aller Schulformen in Niedersachsen gewährleisten. Ich möchte Schulen und Schulträgern die Möglichkeit geben, vor Ort die Schullandschaft zu gestalten und sie den regionalen Notwendigkeiten und Gegebenheiten anzupassen. Diese Handschrift wird dieses Gesetz prägen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Ein Bildungschancengesetz wird es werden. Das ist nicht mit Verboten, wie Sie sie in der Vergangenheit gepredigt haben, zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn wir die jahrelange Ungleichbehandlung der Gesamtschulen beenden, geht es nicht darum, die Gymnasien anzugreifen. Ganz im Gegenteil, es geht darum, dem Wunsch der Eltern, beide Schulformen vor Ort zu ermöglichen, gerecht zu werden. Es geht darum, dem Wunsch der Schulträger gerecht zu werden, ein Instrument an die Hand zu bekommen, das es ihnen ermöglicht, die Schullandschaft vor Ort einzurichten, und ihnen keine zwanghaften Vorgaben zu machen.

Wir zwingen niemanden, Gesamtschulen einzurichten. Aber wir ermöglichen es, eine Schulform zu wählen, die durchaus den Wünschen der Eltern und der Schulträger vor Ort gerecht werden kann. Es geht uns um Gesamtschulden, es geht uns um Gymnasien, es geht uns um alle Schulformen in Niedersachsen, weil sie - gleichberechtigt nebeneinander - eine bunte Bildungsvielfalt abbilden können.

Meine Damen und Herren, auf diesem Weg werden wir weitergehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Ministerin Heiligenstadt. - Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 a erledigt.

Ich kann übergehen zu

b) Chancen für unsere Kinder statt rot-grüner Schulstreit: „Ministerin krempelt Schullandschaft um“, HAZ vom 11.09.2014 - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/2024

Für die Fraktion der FDP hat sich der Kollege Försterling gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Chancen für unsere Kinder statt rotgrüner Schulstreit“ - ja, wir als Liberale wollen vielfältige Chancen für die Kinder in Niedersachsen. Vielfältige Chancen - das bedeutet für uns auch ein vielfältiges Schulsystem, ein Schulsystem, aus dem sich Eltern und Schüler die für sie passende Lösung aussuchen können.

Das betrifft im Übrigen nicht nur die Frage „Gesamtschule oder Gymnasium?“, zu der ich gleich noch komme, sondern auch den Bereich der Förderschulen.

Das neue Schulgesetz soll leider vorsehen - das hat die Ministerin angekündigt, und das steht im Koalitionsvertrag -, den Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf die Möglichkeit zu nehmen, sich ab Klasse 5 für eine Förderschule Lernen oder ab Klasse 1 für eine Förderschule Sprache zu entscheiden. Auch darin sehen wir einen Chancenraub.

(Beifall bei der FDP)

In dem vielzierten gestrigen Interview der dpa mit dem Ministerpräsidenten und der Kultusministerin ist klar geworden: Haupt-, Real- und Oberschulen haben Sie von Rot-Grün schon längst abgeschrieben. - Ich darf Ihnen empfehlen, Haupt-, Real- und Oberschulen vor Ort zu besuchen und die Schüler zu fragen, was sie eigentlich davon halten, dass Sie überall proklamieren: Na ja, zu diesen Schulen will ja eh keiner mehr gehen. - Damit tun sie diesen Schülerinnen und Schülern wahrlich keinen Gefallen!

(Beifall bei der FDP)

Aber das zeigt, in welche Richtung Sie gehen wollen. Der erste Schritt wird sein, dass Sie dafür sorgen wollen, dass zweizügige Haupt- und Realschulen sowie zweizügige Oberschulen im ländlichen Raum zu vierzügigen Gesamtschulen zusammengelegt werden. Das bedeutet nichts ande

res als ein Schulsterben im ländlichen Raum, eine Verlängerung der Schulwege und die Bildung von großen Schulzentren.

Sie sehen vor, in diesen großen Schulzentren die Grundschulen direkt an die Gesamtschule anzudocken. Dann wollen Sie die Noten in der Grundschule und die Laufbahnempfehlung abschaffen. So stellen Sie die Eltern vor die Wahl, sich nach Klasse 4 - ohne Noten, ohne Laufbahnempfehlung - zu entscheiden: Bleibt mein Kind an dem Schulzentrum vor Ort, in dem Gebäude, das es kennt, mit den Lehrern, die es kennt, in einem System, in dem es auch weiterhin keine Noten gibt? Oder schicke ich mein zehnjähriges Kind in die entfernte Stadt - Sie reden immer von zumutbaren Bedingungen: 60 Minuten Fahrzeit - zum Gymnasium, in eine neue Umgebungen, mit Noten, mit neuen Lehrern, mit neuen Klassenkameraden?

Und dann reden Sie tatsächlich von Gleichheit zwischen Gesamtschulen und Gymnasien? - Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist so durchsichtig, dass Sie im ländlichen Raum nichts anderes verfolgen als die Volksschule von Klasse 1 bis 10!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Schauen wir uns nun die aktuelle Diskussion in den Städten an! Wir haben eben schon gehört, wie sie dafür sorgen wollen, dass die Gymnasien im ländlichen Raum verschwinden. In den Städten werden dann ganz ähnliche Diskussionen geführt.

Das beste Beispiel ist Braunschweig, wo der neue Oberbürgermeister sagt: Wir wollen eine sechste IGS, aber wir haben kein Geld für ein neues Schulgebäude. Also muss irgendein Gymnasium weichen. - In Braunschweig wird jetzt mehr oder weniger jeden Tag ein anderes Gymnasium durch die Presse getrieben. Die rot-grünen Kommunalpolitiker schauen jetzt erst einmal: Welches Gymnasium wehrt sich am wenigsten? Wo können wir die neue IGS installieren?

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das stimmt doch so gar nicht!)

Das hat alles einen Grund.

Wenn es in den Städten mehr Gesamtschulen gibt, werden die sich natürlich die Frage stellen: Wie sollen wir eigentlich qualitätsvolle Arbeit leisten?

Schon jetzt sagt die Vorsitzende der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule: Wir brauchen einen repräsentativen Querschnitt aller Schüler.

Wenn aber künftig in dem Zweisäulenmodell Gesamtschule/Gymnasium 100 % der ehemaligen Haupt- und Realschüler auf die Gesamtschule gehen, wie wollen Sie dann noch jemandem weismachen, dass die Gesamtschulen einen repräsentativen Querschnitt durch die gesamte Schülerschaft haben, wenn es daneben noch Gymnasien gibt? - Die Gesamtschulen kämpfen heute schon um Gymnasiasten.

Die Absicht hinter Ihrem Vorhaben, Gesamtschulen zur ersetzenden Schulform zu machen, ist keine andere, als am Ende des Tages Gymnasien abzuschaffen. Genau das werden wir Ihnen in den folgenden Monaten in der Schulgesetzdebatte nachweisen. Ich kann Ihnen eines sagen: Den Kampf gegen das Gymnasium hat noch niemand gewonnen. Auch Sie mit der von Ihnen ständig erhöhten Giftdosis gegen die Gymnasien werden diesen Kampf nicht gewinnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Oh! bei der SPD - Klaus-Peter Bach- mann [SPD]: Was soll denn das?)

Vielen Dank, Herr Försterling. - Es folgt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Scholing. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank an die FDP dafür, dass auch Sie der Bildungspolitik heute so viel Raum geben wollen.

Herr Försterling, noch sind Sie mit Ihrer Fraktion in diesem Landtag vertreten. Wir werden uns einmal Zeit nehmen und über Bildungsgerechtigkeit reden. Das wird bestimmt ein interessantes Gespräch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Fast jede Bildungsstudie weist nach - das muss man sich immer wieder vergegenwärtigen -, dass es in Deutschland einen signifikant hohen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulabschluss gibt. Das ist unerträglich für unser Land. Das ist der Kern. Darum geht es.

(Christian Dürr [FDP]: Und die Ge- samtschule ist am schlimmsten!)

Als ich gehört habe, dass auch Sie die Aktuelle Stunde dem Thema Bildungspolitik widmen wollen, habe ich mich gefragt: Wie kann ich das anders machen als in meiner ersten Rede? - Ich habe mich der Mühe unterzogen, die Welt einmal aus Ihrer Sicht zu betrachten.

(Christian Grascha [FDP]: Versuchen Sie es mal mit Inhalten!)

Das geht; denn diese Welt ist ja überschaubar.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Erstens. Wir wollen den Leistungsgedanken aus den Schulen Niedersachsens verbannen. „Kuschelpädagogik“ nennt man das. Ach ja! Anders ist es aus Ihrer Sicht nicht zu interpretieren, dass wir es den Grundschulen - jetzt achten Sie auf dieses Wort - ermöglichen wollen, das Benotungssystem durch Entwicklungsberichte zu ersetzen. Die Schullaufbahnempfehlung packen Sie natürlich in die gleiche Kiste: Wir wollen den Leistungsgedanken aus den Schulen verbannen.

(Jörg Bode [FDP]: Das ist auch so!)