Protokoll der Sitzung vom 24.09.2014

Deswegen mein klarer und eindeutiger Appell an Sie, Herr Weil: Pfeifen Sie Frau Heiligenstadt zurück! Drücken Sie bei der Schulgesetznovelle auf die Reset-Taste! Beginnen Sie ganz von vorne! Kümmern Sie sich um die Sorgen der Schüler, der Eltern und der Lehrer an den Schulen! Lassen Sie die Schulstruktur in Ruhe und kümmern Sie sich um die Qualität!

Das ist eine große Aufgabe. Dafür würden Sie möglicherweise belohnt, wenn Sie endlich verstehen würden, dass dies das Thema ist und nicht das andere.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Thümler. - Die nächste Wortmeldung kommt von der Landesregierung. Frau Ministerin Heiligenstadt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wortbeitrag von Herrn Thümler hat gezeigt, was das Thema bei der CDU im Moment auf der Tagesordnung ausmacht, meine Damen und Herren: Der Landesvorsitzende im fernen Brüssel bläst auf dem Landesparteitag die Attacke und sagt dann zum Fraktionsvorsitzenden: Jetzt musst du aber auch einmal reden, damit das Thema mal ein bisschen prominenter von der CDU besetzt wird!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Thümler, Sie haben Ihren Beitrag hier pflichtschuldig abgeliefert. Aber so richtig hat man es Ihnen nicht abgenommen, dass Sie an das, was Sie hier gerade vorgetragen haben, wirklich glauben.

(Christian Grascha [FDP]: Sagen Sie auch etwas zum Thema?)

Das, was Sie hier gerade vorgetragen haben, ist wirklich Bildungspolitik von gestern und entspricht hinsichtlich unserer Überlegungen für ein neues Schulgesetz auch nicht der Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Thümler, wir wollen über Qualität und nicht über Strukturen reden.

(Björn Thümler [CDU]: Sie reden doch nur von den Strukturen!)

Sie gehen in die Schützengräben der Strukturdebatte hinein und wollen gar nicht über Qualität reden, weil Sie da überhaupt nicht mithalten können.

Ich mache das einmal am Beispiel der Gymnasien deutlich: Bei den Gymnasien haben Sie die Orientierungsstufe aufgelöst und die Kinder der 5. und 6. Klasse den Gymnasien innerhalb von noch nicht einmal einem Jahr sozusagen übergeben. Sie haben in Niedersachsen das Abitur nach acht Jahren eingeführt und die Gymnasien mit den Problemen, die sie damit haben, und mit dem Stress an den Schulen im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben die Klassenteiler an den Gymnasien, die wir jetzt mühsam nach und nach wieder verkleinern werden, exorbitant vergrößert. Sie haben den Gymnasien tatsächlich die zusätzlichen Zumutungen aufgebürdet. Wir werden jetzt Gymnasien unterstützen und ihre Weiterentwicklung ermöglichen, indem wir die Ganztagsschule - 70 % der Gymnasien sind Ganztagsschulen - deutlich besser ausstatten, indem wir die Klassenteiler deutlich reduzieren,

(Unruhe bei der CDU)

indem wir an den Gymnasien ein neues, modernes Abitur nach neun Jahren ermöglichen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

80 % der Eltern wollen das, Herr Thümler.

Wir stärken die Gymnasien. Sie führen eine Phantomdebatte um die angebliche Schwächung von Gymnasien, an die Sie noch nicht einmal mehr selbst glauben, wenn man Ihren Vortrag tatsächlich verfolgt hätte.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hilbers zu?

Der Abgeordnete Hilbers möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein. Lassen Sie mich bitte zu Ende ausführen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Schade!)

Ich kann ja verstehen, dass Sie bei der Bildungspolitik jetzt wirklich in die Tischkante beißen, weil wir die Pace machen,

(Christian Dürr [FDP]: Zusammen mit den Eltern, den Lehrern und den Schülern beißen wir in die Tischkante! - Christian Grascha [FDP]: Gucken Sie mal, wer draußen gegen Ihre Bil- dungspolitik demonstriert! - Unruhe)

weil wir tatsächlich die entsprechenden Themen in den Schulen voranbringen: mit Ganztagsschulausbau, mit besserer Ausstattung für Inklusion, mit entsprechender Rechtssicherheit für Verträge.

(Christian Grascha [FDP]: Schüler, El- tern, Gewerkschaften! Alle demonst- rieren gegen Ihre Bildungspolitik! Sie ist gescheitert! - Zuruf von Björn Thümler [CDU])

Zehn Jahre lang 70 000 Honorarverträge - Herr Tümmler, das haben Sie hinterlassen! Wir mussten erst Ihre Politikhinterlassenschaften aufräumen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Was Sie da erzählen, ist doch falsch!)

Und Sie stellen sich hier wohlfeil hin und reden von Einheitsschule, von einem Angriff aufs Gymnasium. - Wissen Sie, die Eltern sind diese Debatten leid! Die Eltern wollen eine gleichberechtigte Diskussion über Gesamtschulen. Sie wollen eine gleichberechtigte Diskussion über Gymnasien. Die Eltern wollen, dass über Qualität in der Schule geredet wird. Das wollen wir für alle Schulformen ermöglichen, Herr Thümler. Bleiben Sie in Ihrer Meckerecke! Wir machen moderne Bildungspolitik mit einem Bildungschancengesetz!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Machen Sie das mal! Fangen Sie mal damit an!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen zum Tagesordnungspunkt 4 b.

(Detlef Tanke [SPD]: Jetzt hat es auch jeder verstanden!)

- Herr Tanke, war das eine Wortmeldung?

(Detlef Tanke [SPD]: Ich wollte nur sagen, dass es jetzt jeder verstanden hat!)

- Die Hoffnung stirbt zuletzt.

(Heiterkeit - Detlef Tanke [SPD]: Bei mir nie!)

Meine Damen und Herren, ich gehe damit über zu dem Punkt

c) Rot-Grün in Niedersachsen ohne Kompass in der Flüchtlingspolitik - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/2030

Es hat sich der Abgeordnete Bäumer gemeldet. Herr Bäumer, bitte sehr! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der CDU-Fraktion dankbar, dass sie das Thema Flüchtlingspolitik heute auf die Tagesordnung gesetzt hat, und ich bin dankbar, dass ich zu diesem Punkt sprechen darf. Denn damit kann ich ein Versprechen einlösen, das ich vor einem Monat gegeben habe: in Jordanien, genauer gesagt in Amman, in einer katholischen Kirche, umringt von irakischen Christen, die damals wenige Tage zuvor dem Terror des IS entkommen waren. In Jordanien habe ich versprochen, hier in Niedersachsen zu berichten, was diese irakischen Christen erlebt haben.

Ich will von einer alten Frau, einer Witwe, erzählen, deren einziges Erinnerungsstück an ihren Mann der gemeinsame Ehering war und der die Terroristen vom IS befohlen haben, diesen Ring abzugeben - mit oder ohne Finger.

Ich will von einem alten Mann erzählen, der als Christ jahrzehntelang im Irak mit seinem muslimischen Nachbarn Tür an Tür gelebt hat, der immer an das Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen geglaubt hat und der an dem Tag, an dem die IS-Milizen kamen, erleben musste, wie man sein Haus gekennzeichnet hat, und

der von seinem muslimischen Nachbarn aus dem eigenen Haus geworfen wurde.

Lassen Sie mich auch von einem ganz fleißigen Mann erzählen, der sich mit harter Arbeit im Irak einen Handel mit Landmaschinen aufgebaut hatte, der noch im Juni in seinem eigenen Haus leben konnte und der sich heute mit seiner Familie auf 12 m² wiederfindet, notdürftig abgetrennt durch Stoffbahnen.

Diese Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind in den vergangenen zehn Jahren von Bagdad nach Mossul, von Mossul nach Erbil und von Erbil nach Jordanien geflohen. Eine Alternative hatten sie nicht; denn das Freikaufen durch Geld, das Konvertieren zum Islam oder den Tod durch Erhängen kann man nicht als Alternative bezeichnen. - Wobei „Erhängen“ auch Kreuzigung oder Schlachtung bedeuten kann. Ja, meine Damen und Herren, Sie haben richtig gehört: geschlachtet wie ein Tier - von Menschen, deren Brutalität keine Grenzen kennt.

Ich bin der jordanischen Caritas sehr dankbar, dass sie sich wie viele andere Hilfsorganisationen intensiv um diese Menschen kümmert und ihnen ein Dach über dem Kopf gibt. Mir ist in Jordanien deutlich geworden, dass es sich gerade bei diesen Menschen, bei den irakischen und syrischen Christen, nicht um Wirtschaftsflüchtlinge handelt. Mir ist auch deutlich geworden, dass diese Menschen niemals wieder in ein Land zurückkehren wollen, in dem sie alles bis auf ihre Kleidung zurücklassen mussten. Diese Menschen leben jetzt 3 100 km von hier in einer Kirche und warten auf eine europäische Perspektive.

Gerade wegen dieser Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der Bundesratsbeschluss vom vergangenen Freitag so wichtig gewesen, und ich frage mich, warum Niedersachsen nicht für die Regelung gestimmt hat. Niedersachsen sagt Nein, und der Ministerpräsident und der Innenminister begrüßen den Beschluss. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, nur ein grüner Kompass kann gleichzeitig nach Norden und nach Süden zeigen.