Gerade wegen dieser Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der Bundesratsbeschluss vom vergangenen Freitag so wichtig gewesen, und ich frage mich, warum Niedersachsen nicht für die Regelung gestimmt hat. Niedersachsen sagt Nein, und der Ministerpräsident und der Innenminister begrüßen den Beschluss. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, nur ein grüner Kompass kann gleichzeitig nach Norden und nach Süden zeigen.
Ich freue mich, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die helfen wollen und die die Flüchtlinge willkommen heißen. Ich freue mich, dass es - wie im Bistum Osnabrück - Kirchen gibt, die sagen: Wir stellen unsere Wohnungen zur Verfügung.
Ich will Ihnen aber auch nicht verschweigen, dass ich in Jordanien zwei katholische Priester getroffen
habe. Der eine hat mir gesagt: Tun Sie uns einen Gefallen: Schicken Sie uns Waffen in den Irak, damit wir uns verteidigen können. - Der andere Priester hat dringend davon abgeraten, Waffen zu schicken, weil diese Waffen am Ende gegen sie selbst eingesetzt würden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich maße mir nicht an, zu wissen, was richtig ist. Aber eines weiß ich ganz genau: Nichtstun ist keine Lösung!
Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Für die Fraktion der SPD hat sich jetzt die Abgeordnete Schröder-Köpf gemeldet. Frau Schröder-Köpf, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Bemerkung vorneweg: Ich empfinde das heute durchaus als besonderen Moment, hier für meine Fraktion, die SPD, eine der ersten Reden in diesem sogenannten Provisorium halten zu dürfen.
Sehr geehrter Herr Präsident, ich finde, hier ist es schön geworden. Viele Abgeordnete haben jetzt einen Blick nach draußen auf die Menschen, auf das Marktgeschehen, auf die Kirche.
Der Blick auf das wahre Leben, sehr geehrte Damen und Herren, bestimmt auch den Kompass von Rot-Grün in der Flüchtlingspolitik in Niedersachsen.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns im übertragenen Sinne „nach draußen“ schauen. Was sehen wir dort? - Am Wochenende flohen binnen 24 Stunden etwa 70 000 Menschen aus Syrien in die Türkei. Beim Sender n-tv hieß es, bisweilen könne man auf türkischer Seite schon Geschützfeuer hören. Der türkische Premierminister Ahmet Davutoğlu schätzt die Zahl der geflüchteten Syrerinnen und Syrer allein für das vergangene Wochenende auf insgesamt 130 000. In der Türkei lebten vorher schon etwa 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge bei - das muss man an dieser Stelle betonen - etwa 76 Millionen Einwohnern. In Deutschland erwarten wir für das ganze Jahr 2014 nach einer Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge etwa 200 000 Menschen, die in größter Not ihre Herkunftsländer verlassen ha
1992, ein Jahr vor der Verschärfung des Grundrechts auf Asyl, kamen auch aufgrund der Balkankonflikte fast 440 000 Menschen nach
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen muss man kennen, um vernünftig diskutieren zu können. Sicher, die Belastung der Entscheiderinnen und Entscheider im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist hoch. Deshalb wurden etwa 350 zusätzliche Stellen zur Bearbeitung der Asylanträge bewilligt. Seit vergangenem Freitag steht nun fest, dass es zu einer weiteren Entlastung kommen soll.
Asylanträge von Personen aus Serbien, Mazedonien oder Bosnien-Herzegowina sollen in noch kürzerer Zeit bearbeitet werden können. Grundlage für die Zeitersparnis von rund zehn Minuten pro Fall - so eine Schätzung des Bundesamtes - ist die am vergangenen Freitag im Bundesrat beschlossene sogenannte sichere Drittstaatenregelung. Sie soll auch den Kommunen Entlastung bringen.
Sehr geehrte Damen und Herren, nun gilt es, die Kapazitäten unserer drei Erstaufnahmeeinrichtungen zu erweitern, auch um Druck von den Kommunen zu nehmen. Innenminister Boris Pistorius ist dazu in Gesprächen und hat außerdem angekündigt, die Pro-Kopf-Pauschale für Asylbewerberinnen und Asylbewerber von derzeit 5 932 Euro pro Jahr zur Entlastung der Kommunen zu erhöhen. Weitere Hilfen für unsere Städte und Gemeinden können und müssen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, mithilfe des Bundes auf den Weg gebracht werden.
Was aber geschieht mit den Menschen, wenn sie erst einmal in Niedersachsen sind? - Bis zum August haben bereits mehr als 10 000 weitere Personen Schutz und Zuflucht bei uns gesucht. Die Flüchtlinge und Asylsuchenden treffen dann auf die ersten Bausteine unseres integrierten Aufnahmekonzeptes, von Wegweiserkursen in den Landesaufnahmebehörden über zusätzliche Stellen bei der Flüchtlingssozialarbeit und eine Neuaufstellung der medizinischen Versorgung bis hin zu Traumatherapieangeboten und einem erheblich
Bei unvermeidbaren Abschiebungen versuchen wir, anständig mit den Menschen umzugehen, wie der heute in Kraft getretene Rückführungserlass zeigt. Auch die reformierte Härtefallkommission gehört als Schlussstein zum Konzept.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und Grünen stellen dafür erhebliche zusätzliche Haushaltsmittel in Millionenhöhe bereit. Aber was wäre all das ohne das unglaublich beeindruckende Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen?
Die Bewerbungen für den Niedersächsischen Integrationspreis mit dem Titel „Zuflucht Niedersachsen“ im vergangenen Juni zeigen mir als Juryvorsitzender erneut die riesige Bandbreite des zivilgesellschaftlichen Engagements hier im Land. Da sorgen sich Braunschweiger Kleingärtner um Flüchtlingskinder und legen mit ihnen Gärten an. Pensionierte Lehrerinnen bieten in Dinklage
Flüchtlingen Sprachkurse mit Kinderbetreuung an. Ehrenamtliche des Refugiums Wesermarsch statten Flüchtlinge aus aller Welt mit gebrauchten Möbeln aus, um für sie ein gemütliches Zuhause zu schaffen.
Schirmherrin zu sein ich die Ehre habe, bemühen sich, Vorurteile zu zerstreuen und Begegnungen zwischen Anwohnern und Flüchtlingen zu ermöglichen.
Frau Kollegin, ich muss Sie leider unterbrechen. Aber Ihre Redezeit ist deutlich überschritten. Sie müssen zum Schluss kommen.
Sehr geehrte Damen und Herren, heute ist ein guter Anlass, all diesen Menschen zu danken. Ihre Kompassnadel zeigt in die gleiche Richtung wie die von Rot-Grün in Niedersachsen, nämlich in Richtung Menschlichkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Köpf. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gut, dass es Politiker gibt, die eine Verantwortungsethik haben. Winfried Kretschmann ist so einer.
Es ist gut, dass der Bundesrat die Staaten des Westbalkans als sichere Herkunftsstaaten eingestuft hat.
Die Kommunen in Niedersachsen hätten auch von dieser Landesregierung eine Zustimmung erwartet. Sie haben die Landesregierung am 11. September eindringlich dazu aufgefordert, dem Kompromiss im Bundesrat zuzustimmen - leider vergebens.
Worüber reden wir? - Wir reden über 37 000 Asylanträge von Menschen aus den drei Ländern Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, von denen nur 0,3 % anerkannt wurden. Solche Anträge können nun im beschleunigten Verfahren abgearbeitet werden; die Kollegin Schröder-Köpf hat es gerade ausgeführt. Das entlastet die Behörden und die Kommunen, und zwar ohne dass das Asylrecht ausgehöhlt wird; denn jeder Einzelfall wird natürlich weiterhin geprüft. Das entlastet auch die Mitarbeiter, die sich um Menschen kümmern, die aus Krisengebieten wie dem Irak oder aus Syrien stammen und unsere Hilfe brauchen. Ich bin dem Kollegen Bäumer sehr dankbar dafür, dass er hier von seinen Erfahrungen berichtet hat.
Das alles hat uns auch der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Herr Dr. Schmidt, ausführlich im Ausschuss dargelegt. Er hat uns die Hintergründe erklärt, warum das Gesetzgebungsverfahren des Bundes auf den Weg gebracht wurde und wie die Zahlen sind. Auch die Kollegin Schröder-Köpf hat auf diese Zahlen verwiesen.
Im Ausschuss, meine sehr verehrten Damen und Herren, kamen von den Grünen keinerlei kritische Anmerkungen. Anscheinend ist es nicht bis zu den grünen Ministern in dieser Landesregierung durchgedrungen, dass fachlich gesehen alle Argumente für den Asylkompromiss gesprochen haben. Meine
Herr Kretschmann wird von seinen grünen Parteifreunden gerade stark gescholten. Er hat der Bundesregierung eine Protokollerklärung abgerungen, die im Rahmen der Beratungen im Bundesrat abgegeben wurde. Sie ist zwar ganz nett, aber inhaltlich bleibt bei näherem Hinsehen kaum etwas übrig. Die Residenzpflicht ist in den meisten Bundesländern ohnehin schon abgeschafft, und auch das Sachleistungsprinzip ist schon fast überall dem Geldleistungsprinzip gewichen. Wirklich keine
Der richtige Weg wäre der Wegfall der Vorrangprüfung, und deswegen muss die Bundesregierung hierzu jetzt schnell einen Gesetzentwurf vorlegen. Die Protokollerklärung allein ist nur bedrucktes Papier. Wenn wir den Menschen die Möglichkeit geben wollen, eine Arbeit aufzunehmen, dann muss dies gesetzlich geregelt werden. Das sollte die Bundesregierung jetzt schleunigst tun.
Aber, meine Damen und Herren: Das alles ist Schnee von gestern. Worauf wir warten, ist, dass diese Landesregierung den Kommunen konkret hilft, die große Schwierigkeiten haben, die Flüchtlinge vor Ort unterzubringen. Wann endlich stehen die erweiterten Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung? Wann gibt es die zusätzliche Außenstelle? Wann organisieren Sie die Verteilung auf die Kommunen endlich so, dass die Vorankündigung die Kommune nicht erst zwei Tage vorher erreicht? - Zwei Tage! Es gibt Zeitdruck, Herr Minister. Seit Monaten ist hier nichts passiert. Handeln Sie endlich! Tun Sie was! Helfen Sie den Kommunen!