Rechtsstaats Moralvorstellungen der Gesellschaft zu schützen und durchzudrücken. Das, meine Damen und Herren, geht in einem modernen aufgeklärten Rechtsstaat nicht.
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diese Norm und die Verurteilung damals, in den 50Jahren, gebilligt hat, so muss man doch ganz klar sagen: Auch das Bundesverfassungsgericht kann irren. Auch das Bundesverfassungsgericht kann in seinen Urteilen falsche Maßstäbe anlegen. Und: Frau Wahlmann hat zu Recht darauf hingewiesen, wir alle sind uns doch einig, dass heute das Bundesverfassungsgericht in einem vergleichbaren Fall mit Sicherheit anders entscheiden würde. - Auch das muss an der Stelle betont werden.
Nun ist die Norm lange abgeschafft. Aber die nach dem Paragrafen Verurteilten haben davon nicht viel. Noch immer müssen sie mit dem Stigma leben, strafrechtlich verurteilt worden zu sein. Noch immer müssen sie unter Umständen mit den beruflichen oder anderen Nachteilen, die ihnen durch diese Verurteilung erwachsen sind, leben.
Ich begrüße ausdrücklich, dass sich die Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz bereits im letzten Herbst für eine Rehabilitierung der Betroffenen ausgesprochen hat. Mit diesem Antrag wollen wir auch hier im Landtag als Gesetzgeber ein deutliches Zeichen setzen und die Landesregierung darin bestärken, im Sinne einer Rehabilitierung auf Bundesebene tätig zu werden.
Ich bin in der Tat optimistisch und hoffnungsvoll, dass wir jetzt, im Jahre 2015, also etwas mehr als 20 Jahre nach der endgültigen Abschaffung der Benachteiligung, in der Debatte bundesweit weiterkommen werden. Es ist angesprochen worden: Viele andere Landtage haben sich bereits partei- und fraktionsübergreifend - die Debatte zeigt, dass es auch hier in Niedersachsen eine Perspektive für eine solche breite Einigkeit gibt - für die Rehabilitierung ausgesprochen. Es wird Zeit, meine Damen und Herren, dass der Deutsche Bundestag als zuständiger Bundesgesetzgeber handelt.
Es gibt durchaus Vorbilder. Auch das ist erwähnt worden. Der Deutsche Bundestag hat nach und nach die Opfer der NS-Justiz und schließlich auch die Opfer der NS-Militärjustiz formell rehabilitiert. Herr Kollege Calderone, auch damals ist darum gestritten worden, ob es sich nicht insbesondere im Bereich der Militärjustiz um rechtskräftige Urtei
le handele und ob es uns tatsächlich zustehe, diese formal rechtskräftigen Urteile nachträglich aufzuheben. Aber ich fand es richtig und ich bin froh, dass der Deutsche Bundestag nach langem, langem Ringen auch dieses Zeichen gesetzt hat. Auch die Urteile der NS-Militärjustiz waren pauschal falsch. Die Opfer wurden rehabilitiert. Ich meine, bei allen Unterschieden ist es an der Zeit - selbstverständlich kann man die NS-Zeit nicht mit dem demokratischen Rechtsstaat vergleichen -, einen solchen Schritt auch für die nach § 175 in der Bundesrepublik Verurteilten zu gehen.
Meine Damen und Herren, die Stärke eines Rechtsstaats zeigt sich nicht am sturen Festhalten an als falsch erkannten Urteilen der Vergangenheit, sondern die Stärke eines demokratischen Rechtsstaates zeigt sich auch daran, dass er in der Lage ist, nachträglich Dinge, die er als Fehler erkannt hat, zu korrigieren und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat nun die Justizministerin das Wort. Frau Ministerin Niewisch-Lennartz, bitte!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich den Entschließungsantrag der SPDFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Auch nach unserer Auffassung ist die Rehabilitierung homosexueller Männer, die in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik strafrechtlich verfolgt wurden, längst überfällig.
Die Strafbarkeit sexueller Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts hatte ihren Ursprung im 19. Jahrhundert. Zum 1. Januar 1872 ist das entsprechende Gesetz in Kraft getreten. Es führte seine Existenz bis in die Geltung des Straf
Dazwischen liegt die Zeit des Nationalsozialismus, in der die Strafbarkeitsregelung 1935 zu sage und schreibe zehn Jahren Zuchthaus nachdrücklich verschärft wurde. Es ist beschämend, dass diese Fassung des Gesetzes in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Strafrechtsreform 1969 Bestand hatte. Durch die Strafrechtsreformen der Jahre 1969 und 1973 schränkte der Gesetzgeber zwar die Strafbarkeit homosexueller Handlungen ein; die Strafbarkeit grundsätzlich blieb aber bis zum Inkrafttreten des 29. Strafrechtsänderungsgesetzes mit Wirkung zum 11. Juni 1994 bestehen. Es ist eigentlich unglaublich, dass das erst 20 Jahre zurück liegt.
Eine ähnliche Entwicklung nahmen auch die Gesetzgebung und die Strafjustiz in der Deutschen Demokratischen Republik. Für die betroffenen homosexuellen Männer stellen die Verurteilungen nicht die einzige besondere Härte dar. Die damit verbundenen ungerechtfertigten Eingriffe in die Menschenwürde aus Artikel 1 und Artikel 2 unseres Grundgesetzes führte zugleich zur gesellschaftlichen Ausgrenzung, häufig zum Verlust des Arbeitsplatzes und zum Ausschluss aus dem sozialen Leben insgesamt. Die Folgen hieraus wirken fort bis in die Gegenwart.
Meine Damen und Herren, während die Opfer der Strafverfolgung nach § 175 und § 175 a Reichsstrafgesetzbuch durch das NS-Regime zwischendurch rehabilitiert und entschädigt worden sind, steht dieser Schritt für die unter der Geltung des Grundgesetzes und in der Deutschen Demokratischen Republik erfolgten Verurteilungen noch aus.
Vor allen Dingen angesichts der Fortgeltung der Strafvorschriften aus der NS-Zeit erweist sich diese ungleiche Behandlung der Betroffenen als nicht haltbar. Der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 7. Dezember 2000, in dem er sein Bedauern über das durch die HomosexuellenVerfolgung in beiden Teilen Deutschlands erfolgte Unrecht zum Ausdruck brachte, genügt insoweit nicht. Ein solcher Beschluss trägt den Bedürfnissen der Betroffenen nach Rehabilitation und nach Entschädigung nicht hinreichend Rechnung.
Den Worten müssen, wie ich meine, auch Taten folgen. Welcher rechtliche Weg sich dafür als tragfähig erweist, werden die Diskussionen auch im Rechtsausschuss zeigen. Ich werde diesen Weg auf jeden Fall nachdrücklich unterstützen.
Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Vielen Dank.
Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 33 und 34, die nach unserer Tagesordnung zusammen aufgerufen werden sollen:
Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Niedersachsen unterstützt die deutsche Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele und Paralympischen Spiele - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/2717
Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Norddeutsche Allianz für die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele und der Paralympics 2024 - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/2734
Inzwischen haben sich alle vier Fraktionen des Hauses zu diesem Thema auf einen gemeinsamen Antrag mit dem Titel „Norddeutsche Allianz für die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele 2024 beziehungsweise 2028“ geeinigt, der Ihnen in der Drucksache 17/2808 vorliegt.
Die ursprünglich vorgelegten Anträge wurden zurückgezogen, wie aus den Drucksachen 17/2809 und 17/2810 zu entnehmen ist.
Wie mir mitgeteilt wurde, sind die Fraktionen übereingekommen, die Tagesordnung für die heutige Sitzung um den gemeinsam vorgelegten Antrag in
Der guten Ordnung halber frage ich zunächst, ob es Widerspruch gegen die vorgesehene Erweiterung der Tagesordnung gibt. - Das ist nicht der Fall.
Zusätzlicher Tagesordnungspunkt: Erste und abschließende Beratung: Norddeutsche Allianz für die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele 2024 beziehungsweise 2028 - Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP - Drs. 17/2808
Wie bereits erwähnt, soll die zweite Beratung und damit die Entscheidung über den Antrag direkt angeschlossen werden. Der guten Ordnung halber frage ich dennoch, ob eine Ausschussüberweisung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall.
Moment, bitte! - Für Herrn Mohr bitte ich um Ruhe im Plenarsaal - auf allen Bänken, auf allen Seiten, auch auf den Fluren. - Wunderbar, ich danke Ihnen. - Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - So manches Lob an dieser Stelle, an die Adresse der anderen Landtagsfraktionen gerichtet, wird hier oftmals nur ausgesprochen, um es dann im Folgesatz oder im nächsten Gedankengang zu relativieren oder gar die Keule herauszuholen.
Auch wenn es im weiteren Verlauf sehr wohl noch die eine oder andere kritische Anmerkung gibt, möchte ich eingangs uneingeschränkt und offen den Sportsprechern der anderen Fraktionen meinen Dank für die intensive und gute inhaltliche Abstimmung für einen interfraktionellen Kompromiss sagen. Ich finde es wichtig, dass wir als Niedersächsischer Landtag ein gemeinsames Signal senden. Deshalb danke ich den sportpolitischen Sprechern, die dafür einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.