1 Die Antworten zu den Anfragen 2 bis 59, die nicht in der 56. Sitzung des Landtages am 22. Januar 2015 behandelt und daher zu Protokoll gegeben wurden, sind in der Drucksache 17/2800 abgedruckt.
- Kolleginnen und Kollegen, die noch Gesprächsbedarf haben, bitte ich, diesem außerhalb des Plenarsaals nachzugehen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir eben schon über Fachkräfte gesprochen haben, lassen Sie uns jetzt über die Fachkräfte von morgen sprechen, nämlich die Flüchtlingskinder, die auch gerade in einem hohen Maße nach Niedersachsen kommen.
Aus der Sicht der FDP-Fraktion haben es diese Kinder verdient, eine Chance zu bekommen. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten die Möglichkeit gehabt, in zahlreichen Sprachlernklassen in Niedersachsen zu sein. Ich habe dort viele Flüchtlingskinder kennengelernt, die genau diese Chance ergreifen möchten, beispielsweise einen 15-jährigen Jungen, der mit seinen Eltern aus Syrien geflohen ist und dann über den Libanon nach Ägypten gekommen ist. In Ägypten haben die Eltern dann festgestellt, dass das Geld nicht reicht, damit die ganze Familie nach Europa fliehen kann, und haben dann ihren 15-jährigen Sohn allein auf die Reise geschickt, der dann über Italien, Frankreich und Belgien nach Hannover gekommen ist und jetzt versucht, hier eine neue Chance zu ergreifen und ganz motiviert in einer Sprachlernklasse in Hannover Deutsch lernt.
Diese Chance wollen die jungen Menschen ergreifen. Dafür müssen wir die notwendigen Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen.
Eines hat sich bei den Besuchen in den Sprachlernklassen herausgestellt: Die derzeitigen Ressourcen reichen nicht aus. Die Sprachlernklassen sollen ja eigentlich eine Obergrenze von 16 Schülern haben, aber vielfach gehen die Sprachlernklassen darüber hinaus, weil die Ressourcen nicht vorhanden sind, um weitere einzurichten, aber die Schulen auch sagen: Wir können diese jungen Menschen nicht einfach in eine andere Klasse stecken, wo sie kein Wort verstehen, sondern diese jungen Menschen müssen erst einmal Deutsch lernen. - Deswegen ist es unser Anliegen, die Zahl der Sprachlernklassen deutlich zu erhöhen.
Wir waren sehr positiv überrascht, als die Ministerin zu Wochenbeginn angekündigt hat, die Zahl der Sprachlernklassen auf 240 zu erhöhen. Wir sehen das sehr positiv und sind überrascht, weil sie als
Argumentation ins Feld geführt hat, Rot-Grün habe dafür im Haushalt 500 000 Euro zur Verfügung gestellt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese 500 000 Euro reichen in einem Schulhalbjahr gerade einmal für 20 Sprachlernklassen mehr, aufs ganze Jahr gesehen nur für 10 Sprachlernklassen mehr. Das heißt, man muss, wenn man in diese Diskussion einsteigt, auch so ehrlich sein, dass es im Kultusetat Umschichtungen gibt - wahrscheinlich dadurch verursacht, dass nicht ganz so viele Schulen so schnell den Ganztagsausbau betreiben, wie die Ministerin es sich ursprünglich bei der Haushaltsaufstellung gewünscht hat - und daher Ressourcen umgewandelt werden. Wir werden uns dazu in den Beratungen positiv einlassen. Das ist ein guter erster Schritt.
Aber bei den Besuchen in den Sprachlernklassen hat sich auch gezeigt, dass mehr nötig ist, als nur die Anzahl der Sprachlernklassen zu erhöhen. Die Lehrkräfte, die dort tätig sind, sind überaus motiviert und engagiert und gehen über das normale Maß, das wir von Lehrkräften erwarten, deutlich hinaus; sie sind so etwas wie Sozialarbeiter für die ganzen Familien ihrer Schülerinnen und Schüler, kümmern sich teilweise um Vormundschaften, kümmern sich um Behördengänge etc. Da ist es bei Weitem nicht damit getan, dass nur Unterricht gegeben wird.
Deswegen würden wir dafür plädieren, diesen Sprachlernklassen zusätzlich pädagogische Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, die sich genau um diese Probleme der Kinder, aber auch der Familien kümmern können.
Bestes Beispiel ist: Da wurden einem Kind in Hameln, einem Flüchtlingskind, vom Sozialhilfeträger die Schulbücher finanziert. Die Schulbücher lagen dann in der örtlichen Buchhandlung in Hameln. Aber keiner war da, um mit der Mutter einmal in den Bus zu steigen, um ihr zu zeigen, wie sie aus einem Vorort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hameln in die Buchhandlung kommt, um dort die Schulbücher abzuholen. Und wer hat es am Ende getan? - Es war eine überaus engagierte Schulleiterin, die dann in der Freizeit mit der Mutter das Busfahren geübt hat, damit die Schulbücher für das Kind abgeholt werden können. Hier, glaube ich, müssen wir ehrlicherweise zugestehen, dass wir noch weitere Ressourcen zur Verfügung stellen müssen. Das hätten beispielsweise solche pädagogischen Mitarbeiter machen können.
fahrten geht, um Tagesausflüge. Wie läuft das da mit der Sprachlernklasse? Wer soll das bezahlen? Auch hier plädieren wir dafür, ein zusätzliches Budget zur Verfügung zu stellen, das dann u. a. für Unterrichtsmaterialien eingesetzt werden kann.
Die Flüchtlingskinder kommen ja nicht zu den Stichtagen 1. Februar oder 1. August, wenn es aus dem Bildungs- und Teilhabepaket auch Geld für Unterrichtsmaterialien gibt, sondern die stehen plötzlich und unvermittelt vor der Tür und müssen dann oftmals mit Materialien ausgestattet werden, die von den anderen Schülern oder im Lehrerkollegium gesammelt werden. Auch hier müssen wir in eine systematische Hilfe für die Kinder einsteigen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die notwendigen Ressourcen müssen auch deswegen erhöht werden, weil zurzeit in Niedersachsen etwas läuft, was zwar dazu führt, dass man noch Sprachlernklassen bilden kann, dass aber die darüber hinausgehende Förderung ausbleibt. Es gibt im Schulbereich insgesamt diesen Fördertopf 071 für die Sprachförderung. Der wird gerade einmal zusammengezogen, damit Sprachlernklassen gebildet werden können, in denen die Schüler dann ein Jahr lang Deutsch lernen sollen. Aber der Erlass sieht eigentlich vor, dass die Kinder nach diesem einen Jahr weiter gezielt Sprachförderung erhalten, und zwar dann in den Regelklassen mit bis zu drei Stunden pro Woche. Die bleibt gerade aus, weil die Ressourcen nicht ausreichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mich würde es freuen, wenn wir in den kommenden Wochen diesen Antrag als Grundlage nähmen, uns mit den Sprachlernklassen in Niedersachsen auseinanderzusetzen, das Engagement der Lehrkräfte würdigen, auch den Willen der Kinder würdigen, hier die Chance auf ein neues Leben zu ergreifen, unsere Sprache zu lernen, und ernsthaft darüber zu diskutieren, wie wir die Flüchtlingskinder von heute zu den Fachkräften von morgen machen können. Darauf freue ich mich, und ich hoffe, dass wir dann hier in diesem Haus zu einmütigen Beschlüssen kommen werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Nun hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Seefried das Wort. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der FDP und die Ausführungen von Björn Försterling sowie die bereits im Rahmen des Haushalts diskutieren Anträge der CDU zum Bereich Sprachförderung im Bereich der Schule und der Erwachsenenbildung machen den Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit deutlich, den Unterschied zwischen der Wahrnehmung und der Anscheinserweckung durch SPD und Grüne und der Realität, wie es Björn Försterling eben auch beschrieben hat, in den Schulen.
Die Vertriebenen und Flüchtlinge aus den aktuellen Kriegs- und Krisengebieten haben fürchterliche Schicksale, sie haben ihre Heimat verlassen, und sie haben - wie dazu eben auch ein Beispiel genannt worden ist - häufig auch Teile ihrer Familie zurücklassen müssen und sind hier allein angekommen. Ihnen zu helfen, ihnen Zuflucht zu bieten - das ist unsere Verantwortung. Neben dem Bund und den Kommunen muss hier auch das Land Niedersachsen seinen Beitrag leisten.
Insgesamt bleibt aber festzustellen, dass sich insbesondere die Kommunen selbst mit ihren Bürgermeistern, mit ihren Gemeinderäten, aber eben auch mit unzähligen Ehrenamtlichen darum kümmern, den Flüchtlingen vor Ort Unterstützung und Begleitung zu geben.
Am 6. Januar war bei mir in Stade vom Kirchenkreis der Epiphaniasempfang, der genau unter diesem Motto stand. Dort war eine ehrenamtlich Tätige, die jetzt in Schulen ist, die vor Ort Flüchtlingen Unterstützung gibt und sie auch außerhalb der Schule begleitet. Diese Ehrenamtliche sagte beim Epiphaniasempfang: Wir haben hier keine Pegida, wir brauchen hier auch nicht in die eine oder in die andere Richtung zu demonstrieren, sondern hier wird gehandelt. - Ich finde, das ist das ganz Entscheidende. Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, den vielen, den unzähligen Menschen, die sich vor Ort in den Kommunen ehrenamtlich für die Flüchtlinge einsetzen, einen ganz großen Dank auszusprechen.
Das heißt also: Nicht Reden, sondern auch Handeln ist gefordert, genau wie es dieses Beispiel der Ehrenamtlichen gezeigt hat.
Aber gerade im Bereich der Sprachförderung, die doch immer wieder in allen Reden als Schlüssel zum Erfolg bezeichnet wird, lässt derzeit das Land
die Menschen vor Ort im Regen stehen. Es reicht eben nicht aus, von Willkommenskultur zu sprechen, sondern auch die Taten sind an dieser Stelle gefordert. Alles andere ist unglaubwürdig.
Die Anträge der CDU zu den Haushaltsberatungen haben die Abgeordneten von SPD und Grünen gemeinsam mit ihren Kabinettsmitgliedern in namentlicher Abstimmung abgelehnt.
Aber sich anschließend hinzustellen, wie unser Wirtschaftsminister es macht, und sich für eine verstärkte Berufsberatung in den Landesaufnahmestellen einzusetzen, ist im Sinne der Flüchtlinge und auch der Wirtschaft eindeutig richtig. Vor dem Hintergrund, dass jedoch auch Minister Lies gegen eine bessere Sprachförderung gestimmt hat, ist es einfach nur scheinheilig.
In unseren Anträgen haben wir damals - jetzt kommen wir zu dem „Unseriösen“, Frau Geuter - 4 Millionen Euro für die Sprachförderung in der Schule vorgesehen und nochmals 800 000 Euro für ein Sonderprogramm im Bereich der Erwachsenenbildung.
Auch Frau Modder hat hier am Dienstag im Landtag in der Generaldebatte - genau wie Sie, Frau Geuter - gesagt: Das Ganze ist unseriös.
Das glaubt Ihnen draußen keiner, dass bei einem Landesetat von insgesamt 28 Milliarden Euro keine 4,8 Millionen Euro für eine so wichtige Aufgabe zur Verfügung stehen sollten.
Alle Fraktionen haben hier ausreichend Redezeit und Redemöglichkeiten. Von daher, denke ich, sollte Herr Kollege Seefried zu Ende ausführen können.
Herr Kollege Seefried, vor dem Hintergrund der Zwischenrufe von Frau Geuter zur Gegenfinanzierung frage ich Sie, ob es wahrscheinlich ist, dass bei einer zu nachlässigen und falschen Sprachförderung oder keiner Sprachförderung zu Beginn die Folgekosten für die Kommunen und für das Land später deutlich höher sein werden.
Hier ist es anders als bei den Mündlichen Anfragen. Wir haben das nicht abgestimmt, und ich habe die Antwort auch nicht aufgeschrieben. Aber die Antwort ist einfach und lautet: ja. Das ist an der Stelle eindeutig, und es handelt sich - daran braucht man an dieser Stelle auch nicht herumzudiskutieren - um eine klare Aufgabe des Landes, den Schulen diese Unterstützung zu geben.