Protokoll der Sitzung vom 18.04.2013

Ich stelle fest, dass diese Wertermittlung des eigenen Einkommens allzu oft nicht nur durch eine Betrachtung des eigenen Einkommens stattfindet, sondern der Wert des eigenen Einkommens wird meistens dadurch bestimmt, dass man sich das Einkommen der anderen anguckt. Dann muss man den Blick auf das Ende der anderen Skala werfen. Dann stellt man Folgendes fest: Zumindest gefühlt ist die Entwicklung weitgehend nicht mehr gerecht.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir betrachten es in einer Marktwirtschaft als normal, dass der Markt die Löhne festlegt. Wir wollen auch keinen staatlich festgelegten Einheitslohn. Aber, meine Damen und Herren, es gibt diese gefühlte Ungerechtigkeit. Dieser gefühlten Ungerechtigkeit hat sich die Wissenschaft angenommen. Die Hochschule Pforzheim hat in einer Studie die Managergehälter in Deutschland unter die Lupe genommen und ist zu einigen interessanten Feststellungen gekommen. Beispielsweise wurden die Bezüge der Topmanager einer großen deutschen Bank untersucht. Man hat festgestellt, dass die Topmanager dieser Bank in den 70er-Jahren etwa das 30-Fache des Durchschnittseinkommens eines anderen Bankangestellten verdient haben. Im Jahr 2000 war es dann schon das 300-Fache.

Wenn man diese Zahlen sieht, muss man feststellen, dass die Bezahlung von Martin Winterkorn bei der VW AG mit dem 170-Fachen noch lange nicht die Spitze darstellt. Ich möchte an dieser Stelle aber eines ganz ausdrücklich sagen, weil wir als Land Niedersachsen Miteigentümer des Unternehmens VW sind: Ein großes Dankeschön an Martin Winterkorn und VW dafür, dass dieser Konzern, mit dem Niedersachsen aufs Eifrigste verbunden ist, Mittel und Wege gefunden hat, die Problematik von sich aus aufzunehmen und über eine Selbstbeschränkung nachzudenken.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

In der fraglichen Studie ist auch festgestellt worden, dass dieser rasante Anstieg der Managergehälter in der Vergangenheit oft völlig unabhängig

vom Erfolg des Unternehmens stattgefunden hat. Festgestellt worden ist ferner, dass normale Marktmechanismen wie Angebot und Nachfrage nicht unbedingt als Regulierungsinstrumente getaugt haben.

Kein Missverständnis; noch einmal: Gute Arbeit soll gut bezahlt werden. Ich persönlich bin aber der Meinung, dass niemand mit seiner Arbeit 300 Mal mehr wert ist als einer seiner Mitmenschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist keine ausschließlich deutsche Entwicklung. Schaut man in die USA, stellt man fest: Dort sieht es noch schlimmer aus. Auch dort hat sich die Wissenschaft mit der Entwicklung beschäftigt und ist der Frage nachgegangen: Wie sieht es denn in den 350 größten Unternehmen der USA aus? - In den USA sind die Managerbezüge in der Zeit von 1980 bis 2003 inflationsbereinigt um 480 % gestiegen. Wenn ein Topmanager eines solchen Unternehmens 1980 das 35-Fache eines Durchschnittsverdieners dieses Unternehmens verdient hat, war es 2008 bereits das 319-Fache.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie werden u. a. im Benchmarking gesucht. Das heißt, ein Manager liest in der Zeitung - das ist eine skurrile Folge der Offenlegungspflicht -, dass irgendein anderer Manager unheimlich viel verdient, und meint nun, dass er genauso viel verdienen müsste, damit er ebenso viel wert ist. Ein Problem besteht aber darin, dass diese Bezüge von Aufsichtsräten festgelegt werden, die untereinander verquickt und miteinander verbunden sind. Man ist Vorstand in dem einen Unternehmen, Aufsichtsrat in einem anderen Unternehmen und umgekehrt. So schaukelt sich die Entwicklung gegenseitig hoch.

In der Schweiz hat es nun eine beachtliche Volksinitiative gegeben. Beachtlich ist sie zunächst deshalb, weil sie einen selten hohen Zustimmungsgrad erfahren hat, nämlich 70 % - und das in einem Land wie der Schweiz, das nicht unbedingt für seine starke Gewerkschaftsbewegung bekannt ist, sondern eher dafür, dass die Menschen dort dem Eigentum sehr stark verbunden sind.

Beachtlich ist ferner, dass man dort eine systemgerechte Lösung gefunden hat, wie man diese Managergehälter in ihren Auswüchsen begrenzen kann. Die Lösung ist relativ einfach. Kernpunkt ist, dass die 271 börsennotierten Unternehmen der Schweiz künftig wie folgt verfahren: Gehälter und Boni werden durch die Aktionäre festgelegt, und

damit durch die Eigentümer. Das ist in jedem Fall systemgerecht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In der Volksinitiative ging es auch noch um einige andere Maßnahmen wie das Verbot von Anwerbeprämien, von Entschädigungszahlungen und von Konkurrenzausschlusszahlungen. Am beachtlichsten ist aber, dass es funktioniert. Zunächst gab es die Kritik: Es klappt doch niemals, dass eine Aktionärsversammlung in der Schweiz plötzlich die Bezüge korrigiert! - Doch es hat funktioniert. Das Bankhaus Julius Bär musste das in den letzten Wochen schmerzlich erfahren, als sich die Aktionäre geweigert haben, den Vergütungsbericht zu genehmigen. Die Vergütungsstruktur wird jetzt überarbeitet.

Meine Damen und Herren, neben dieser Initiative der Schweiz und neben den dort dargestellten Instrumenten sind sicherlich noch andere Stellschrauben denkbar. Wir können sicherlich auch über die steuerliche Absetzbarkeit von Managerbezügen diskutieren. Aber ich stelle eines fest: Die bisherigen Instrumente waren nicht ausreichend.

Nicht ausreichend war das Hoffen auf freiwillige Selbstbeschränkung: Nicht ausreichend war - das muss man zugeben - das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung. Und leider ebenfalls nicht ausreichend war - das muss man ehrlicherweise sagen - die betriebliche Mitbestimmung, also die Entsendung von Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsräte; denn auch sie haben in der Vergangenheit mitgemacht.

Meine Damen und Herren, Handlungsbedarf sehen auch große Teile der Wirtschaft. Aber sie sehen ihn nicht etwa aus einem wie auch immer verstandenen Samaritertum heraus. Ausschlaggebend ist vielmehr die Erkenntnis, dass die soziale Marktwirtschaft über viele Jahre in Deutschland sehr erfolgreich funktioniert hat und dass sich die Menschen in unserem Lande nur dann weiterhin in die soziale Marktwirtschaft einbringen, wenn sie sie als gerecht empfinden. Dieser Antrag soll ein Stück weit zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung dieser Gerechtigkeit beitragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Für die SPDFraktion hat sich nun Herr Will zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Toepffer, im Ziel sind wir uns sicherlich einig. Jetzt müssen wir uns nur noch über die Art und Weise, wie wir dieses Ziel erreichen wollen, klar werden. Dazu dient sicherlich auch Ihr Antrag.

Sie haben vom subjektiven Eindruck sowie von einer gefühlten Ungerechtigkeit gesprochen. Ich würde ein Stück weiter gehen: Es geht um eine objektiv nicht erklärbare Höhe von Gehältern, die keinen Bezug mehr zu messbarer Leistung haben und eben deshalb nicht mehr gegenüber den Menschen begründbar sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, was ergibt sich nun aus dem Erfolg der Schweizer Initiative gegen die Selbstbedienung der Managerkaste in der Schweiz für die deutschen Verhältnisse, und wie können wir diese nutzbar machen? - Denn auch in Deutschland wollen die Menschen eine solche Abzockerei nicht mehr akzeptieren.

(Beifall bei der SPD)

Sie selbst haben davon gesprochen: Vor 25 Jahren erhielt der Vorstand eines DAX-Unternehmens etwa das 14-Fache eines durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmers. Heute ist es mehr als das 70-Fache, in Einzelfällen, bei Vorstandsvorsitzenden, sogar mehr als das 200- bis 400-Fache. Damit eines klar ist: Wer große Unternehmen erfolgreich führt, muss auch gut bezahlt werden. Gleichwohl habe ich großes Verständnis dafür, dass die meisten Menschen bei solchen Gehaltshöhen keinen sinnvollen Zusammenhang zwischen Leistung und Einkommen mehr erkennen können.

Meine Damen und Herren, vollends verloren geht das Verständnis, wenn Manager die Unternehmen erst zu Rekordverlusten führen und dann Millionen an Abfindungen kassieren. Um solche Missstände anzugehen, wurde 2009 - Sie haben davon gesprochen - das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung verabschiedet. Danach haben die Aufsichtsräte bei der Festsetzung der Bezüge der Vorstandsmitglieder dafür zu sorgen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitgliedes sowie zur Lage der Gesellschaft stehen.

Detaillierte Regelungen und die Forderung nach Begrenzungen für Abfindungen sowie zur namentlichen Veröffentlichung der Gehälter stehen seit 2006 übrigens im Deutschen Corporate Governan

ce Kodex. Trotzdem müssen wir feststellen, dass die Vergütungen weiterhin unangemessen hoch sind.

Nun ist der Vorstoß der CDU-Fraktion hier im Landtag keine isolierte Aktion, wobei die Überschrift und der Inhalt des Antrages wenig miteinander zu tun haben; denn wer Aktionärsrechte stärken will, sorgt damit noch nicht automatisch für mehr demokratische Teilhabe und Transparenz bei der Angemessenheit von Vorstandsgehältern.

(Beifall bei der SPD)

Mit den Beschlüssen des Koalitionsausschusses von Union und FDP im Bundestag soll die Entscheidung über die Höhe von Managergehältern in die Hauptversammlungen verlagert werden. Aber anstatt Lösungen im Geiste der sozialen Marktwirtschaft anzustreben, geht die schwarz-gelbe Koalition in Berlin den Weg des ungebremsten Finanzkapitalismus weiter.

Die Hauptversammlungen sind eben keine demokratischen Bürgerversammlungen, sondern werden oft von institutionellen Anlegern wie Hedgefonds, die häufig ca. 60 % der Teilnehmer von Hauptversammlungen ausmachen, dominiert. Sie selbst sind die Treiber des perversen Boni- und Bezahlsystems. Würde man diesen Akteuren die Entscheidung über das Gehalt überlassen, würde der Bock zum Gärtner gemacht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dass diese Anteilseigner ein Interesse am langfristigen Unternehmenserfolg haben, ist nicht garantiert. Es ist eher zu befürchten, dass statt einer Begrenzung und Regulierung der Managervergütungen das Gegenteil eintreten wird. Der Druck auf kurzfristige Rendite zu Lasten der Belegschaften würde völlig unnötig erhöht.

Meine Damen und Herren, was aber ist das Entscheidende? - Mit dieser Initiative verfolgen CDU/CSU und FDP im Bund wie auch die CDU hier in Niedersachsen auch das Ziel, den bisherigen Einfluss der Arbeitnehmerschaft im Aufsichtsrat zu beschneiden.

(Björn Thümler [CDU]: Quatsch!)

Aber das nehmen wir nicht hin!

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Entscheidung allerdings beim Aufsichtsrat bleiben soll, sehen auch wir die Notwendigkeit, die Auswüchse vor allem der vergangenen Jahre

bei der Bezahlung von Managern mit weiteren zielführenden Maßnahmen zu beenden. Wir wollen die Kriterien für die Angemessenheit der Managergehälter verschärfen. Wir wollen die steuerliche Abzugsfähigkeit von Gehältern und Abfindungen begrenzen. Wir wollen das Aktiengesetz derart verändern, dass sich der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gehälter stärker am Allgemeinwohl orientieren muss. Und wir wollen, dass die Unternehmen die Relation der Vergütung ihrer Vorstände zum durchschnittlichen Gehalt ihrer Arbeitnehmer veröffentlichen und die Aufsichtsräte Obergrenzen für diese Quoten festlegt, nach denen die Vorstandsgehälter bemessen werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Damit respektieren wir einerseits die Vertragsfreiheit der Unternehmen. Andererseits schaffen wir Transparenz und zwingen dazu, den Wert der Arbeit der Vorstände ins Verhältnis zum Wert der Arbeit der gesamten Belegschaft zu setzen.

Mit dem hier vorgelegten Antrag zeigt die CDUFraktion erneut, dass sie kein echtes Interesse daran hat, exzessive Managergehälter zu begrenzen. Vielmehr sollen im Fahrwasser der öffentlichen Empörung Mitbestimmung und demokratische Kontrolle geschwächt und neoliberale Prinzipien durchgesetzt werden.

Hätten CDU und CSU im Jahr 2009 beim Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung nicht gebremst und den weitergehenden Forderungen der SPD zugestimmt, wären wir hier in Deutschland mit der Begrenzung exzessiver und ökonomisch schädlicher Managergehälter längst viel weiter.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mit Ihrem Antrag wollen Sie im Grunde weitergehenden und wirkungsvollen Maßnahmen zur Begrenzung der Managergehälter einen Riegel vorschieben. Zielführender sind aber die Vorschläge der SPD aus dem Jahr 2009. Daher stehen sie immer noch auf der Tagesordnung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Will. - Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Toepffer zu Wort gemeldet. Bitte, Sie haben das Wort.