Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

Meine Damen und Herren, im Nordwesten unseres Bundeslandes haben wir eine ganz besondere Situation. Die Ostfriesischen Inseln sind nun einmal durch die Nordsee vom Festland getrennt. Wer dort schon einmal zu Gast gewesen ist - ich glaube, das ist eine Vielzahl der heute hier Anwesenden -, der weiß, dass man einigen Aufwand betreiben muss, um eine Insel zu erreichen. Sie müssen zunächst zu einem Sielort fahren. Sie müssen einen Parkplatz finden. Sie müssen zum Schiff laufen. Sie müssen mit dem Schiff rüberfahren. Sie müssen vom Inselhafen zum Inselort laufen oder mit der Kutsche fahren; jedenfalls auf den autofreien Inseln.

Eine aber noch weitaus größere Herausforderung - da bin ich auch ganz bei Herrn Jasper - besteht darin, dauerhaft auf den Inseln zu wohnen. Das liegt aber nicht an den Menschen oder an der Erreichbarkeit. Das liegt auch nicht an der wunderschönen Natur, die natürlich auch einmal sehr rau sein kann. Es liegt schlicht daran, dass Menschen vor Ort Dauerwohnraum nicht mehr bezahlen können. Diese Entwicklung ist in der Tat eine Herausforderung, und der müssen wir uns stellen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Bollwerke gegen Sturmfluten über kurz oder lang nicht mehr mit Bewohnern dauerhaft besiedelt sind, meine Damen und Herren.

Wir müssen zudem dafür sorgen, dass auch touristische Betriebe, der Einzelhandel oder die Wirtschaft im Allgemeinen Arbeitskräfte finden können, die in einer anständigen und bezahlbaren Wohnung ein Zuhause finden. Spekulanten dürfen auch nicht länger dafür sorgen, dass Familien dort

keinen Dauerwohnraum mehr finden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Menschen, die dort wohnen, sorgen Tag für Tag dafür, dass eine kommunale Infrastruktur aufrechterhalten wird, dass der Tourismus mit seinen Einrichtungen vorankommt, dass Küstenschutz auch für das Festland gewährleistet ist und nicht zuletzt Flora und Fauna mitten im UNESCOWeltnaturerbe „Wattenmeer“ geschützt werden. Diesen Menschen, die täglich mit besonderen Umständen umgehen müssen, stehen wir als Land Niedersachsen zur Seite. Dafür wollen wir heute mit dem Antrag der SPD und den Grünen ein deutliches Zeichen setzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, ich freue mich sehr darüber, dass Sie heute signalisiert haben, unseren Antrag mitzubeschließen. Ihn - wie im Sozialausschuss angeklungen ist - erneut zu verschieben, halten wir nicht für zielführend, da die Herausforderungen der Inseln jetzt und dringend angegangen werden sollten.

Wie ich bereits sagte, stehen wir seit Langem in einem engen Kontakt zu den Menschen auf den Ostfriesischen Inseln. Die Verwaltungen dort leisten eine gute Arbeit und entwickeln unser besonderes Stück Niedersachsen hervorragend weiter. Ich freue mich auch sehr darüber, dass einige Bürgermeister von den Ostfriesischen Inseln heute hier anwesend sind. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, auf Bundesebene und auf Landesebene müssen wir den Inseln dafür aber auch Werkzeuge zur Verfügung stellen. Daher legen wir heute gemeinsam den Grundstein für eine positive Entwicklung, bei der die Insulanerinnen und Insulaner im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stehen.

Ich habe eingangs schon einige Herausforderungen erwähnt. Lassen Sie mich aber noch einmal kurz auf die Kernpunkte unseres umfassenden Antrags zurückkommen.

Besondere Herausforderungen, die für die Inseln bestehen, können auch nur durch die dort dauerhaft lebenden Menschen angesprochen werden. Um diese Kommunikation und Bündelung von

Lösungsansätzen gegenüber Land und Bund zu finden, brauchen wir ein Handlungskonzept, das den Inseln dabei hilft, sozioökonomische, finanzielle, aber auch infrastrukturelle Herausforderungen zu lösen. Dies kann nur gelingen, wenn einerseits örtliche Akteure miteinbezogen werden und andererseits alle Facetten von Herausforderungen beleuchtet werden, damit dann einem Konsens nichts mehr im Wege steht.

Lassen Sie mich noch kurz auf die Lage auf dem Wohnungsmarkt der Ostfriesischen Inseln eingehen. Nicht nur, dass das Landesamt für Geoinformation und Landvermessung Niedersachsen vor Kurzem festgestellt hat, dass die Grundstückspreise auf der Insel Norderney höher liegen als auf Sylt. Nein, damit nicht genug. Der Zensus aus dem Jahr 2011 stellt die Situation umfassend dar: Die Zahl der Wohnungen, die von Menschen, die dort ihren ersten Wohnsitz haben, bewohnt werden, ist unterdurchschnittlich. Beispielsweise auf der Insel Langeoog: 48 % Eigentümerquote. Wenn man sich im Vergleich dazu den betreffenden Landkreis anschaut, dann sieht man, dass diese Quote dort bei 67 % liegt. Noch niedriger liegt die Eigentümerquote auf Juist: 47 %. - An der Spitze mit dem niedrigsten Wert bei der Eigentümerquote liegt die Nordseeinsel Norderney mit gerade einmal 38 % im Jahr 2011.

Meine Damen und Herren, fragen Sie einmal in den Verwaltungen und die Menschen auf den Inseln! Die Situation hat sich seitdem nicht verbessert. Die Tendenz zeigt, dass sich Menschen Wohnraum als Eigentum oder zur Miete auf den Ostfriesischen Inseln nicht mehr leisten können. Es ist Zeit, zu handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn die Menschen ihren ersten Wohnsitz nicht mehr auf den Inseln haben, wird es schwieriger, den kommunalen Aufgaben nachzukommen. Auf einigen Inseln werden doch jetzt schon Bedarfszuweisungen notwendig. Große Projekte umzusetzen oder gar anzugehen, ist dort aktuell undenkbar. Daher ist es wichtig, die Inseln im Rahmen der EU-Förderperiode ab 2021 besonders zu berücksichtigen.

Die Inseln wieder handlungsfähig zu machen, sodass sie sich auf kommunaler Ebene selbst konsolidieren können, ohne einen Ausverkauf vorantreiben zu müssen - das ist das Ziel unserer Politik, und dafür stehen wir mit den Maßnahmen in dem

Antrag, den wir heute wahrscheinlich mit den Stimmen von sogar drei Fraktionen beschließen werden.

Lassen Sie mich abschließend noch auf eines hinweisen: Mein Vorname ist Holger. Dieser Vorname kommt aus dem Nordischen. Wenn man nachschlägt, dann sieht man, dass dieser Name übersetzt „der Kämpfer von der Insel“ bedeutet.

In diesem Sinne: herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Heymann. - Die Bürgermeister von den Inseln wollen auch wir vom Sitzungsvorstand begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen! Es ist ein schöner Anlass, wenn wir den heutigen Abend miteinbeziehen, an dem ja auch Sie ein Stück weit mit stattfinden.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf als nächster Rednerin der Kollegin Hillgriet Eilers, FDP-Fraktion, das Wort erteilen. Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kämpfer für die Inseln! Meine Vorredner haben recht: Unzweifelhaft haben die Ostfriesischen Inseln zunehmend Infrastrukturprobleme, die besonderer Konzepte der Steuerung und Förderung bedürfen. Deswegen haben beide Anträge die richtige Stoßrichtung.

Wir alle miteinander wollen Regelungen, die den Inselgemeinden mehr Handlungsspielräume eröffnen, um Wohnraum zu halten. Mit dem Urteil des OVG Lüneburg vom 18. September 2014 sind die Kommunen diesem Ziel ein Stück weit näher gerückt. Wir erwarten jedoch mit Spannung, ob sich das Bundesverwaltungsgericht zur Kombination aus Wohnnutzung und Feriennutzung noch äußern wird.

Deswegen sollten wir jetzt nicht in eine Regelungswut verfallen; denn letztendlich sollen die Kommunen und die Ostfriesen, wie man es ihnen zutraut - Herr Heymann hat es ja gerade ausgeführt -, selbst entscheiden, welche Instrumente geeignet sind. So ist auch Vorsicht angebracht, wenn der große Wurf aus Hannover gefordert wird.

Auch die Zeichnung eines Untergangsszenarios erübrigt sich. In dem Antrag der Regierungsfraktionen heißt es wie folgt - ich zitiere -:

„Ohne bewohnte Ostfriesische Inseln würde die niedersächsische Festlandküste nicht weiter so bestehen können.“

Da bleibt recht schleierhaft, was damit eigentlich gemeint sein könnte. Formulierungen wie diese zeigen auch die Schwächen des Antrages auf. Bedenken Sie bitte, dass jede Insel einen eigenen speziellen Charakter hat und bestimmte Herausforderungen zu bewältigen sind!

Norderney beispielsweise hat sich massiv entwickelt, und die Attraktivität für Touristen ist in allen Segmenten so angestiegen, dass viele auf der Insel davon profitieren. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg formt sich naturgemäß aber auch der Engpass bei den Wohnungen. Etliche Norderneyer haben davon profitiert und ihren Grund und Boden teuer verkaufen können. Auf der anderen Seite gibt es Insulaner, die fürchten, dass ihr Eigentum an Wert verliert oder nicht mehr zu veräußern ist. Veränderungssperren und Erhaltungssatzungen haben sich dabei nicht als das beste Instrument erwiesen.

Andere Inseln entwickeln sich langsamer, doch die Probleme nehmen spürbar zu. Das entscheidende Kriterium dabei ist die Erreichbarkeit, die Tideunabhängigkeit. Deswegen sagen wir bei der Frage „Was können wir noch tun?“: Lasst uns die Verkehrswege offen halten! Lasst uns dafür Sorge tragen, dass die Küste gut zu erreichen ist! Lasst uns einen Beitrag leisten, damit die Strukturprobleme - ob es Gesundheit, Schule oder Feuerwehr betrifft - gelöst werden können! - Das geschieht insbesondere durch verlässliche, regelmäßige Schiffsverkehre; denn genau das hat auch positive Effekte für das Wohnen auf den Inseln und an der Küste.

(Beifall bei der FDP)

Was rechtsfeste Handlungsempfehlungen anbetrifft, so hoffe ich, dass sie bald auf den Weg gebracht werden können und nicht erst in einigen Jahren; denn darauf können wir aufbauen. Wir können uns dann gerne über konkrete Maßnahmen, die zu ergreifen sind, streiten und auseinandersetzen. Bei der Ausgestaltung - das möchte ich deutlich sagen - hilft die FDP gerne mit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Eilers. - Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Meta Janssen-Kucz das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer wünscht sich nicht, wenn er im Urlaub auf den Ostfriesischen Inseln ist, dass die Zeit kein Ende nimmt, und wer würde dort nicht am liebsten wohnen und leben?

Ein Teil der Kollegen hier und ich gehören zu den glücklichen Menschen, die an der Küste oder auf einer Insel leben. Unabhängig von der Saison haben diese Inseln etwas ganz Besonderes und ihren Reiz. Die Ostfriesischen Inseln im Nationalpark und Weltnaturerbe Wattenmeer sind wirklich etwas Einmaliges, jede Insel für sich. Jede Insel hat etwas Besonderes - vom Hochseeklima auf Borkum über die kilometerlangen Strände und die Dünen bis hin zu der Naturlandschaft, die wir dort vorfinden.

Doch viele der Besonderheiten dieser wunderbaren Kultur- und Naturlandschaft, die für die Urlauberinnen und Urlauber den Reiz ausmachen, machen den Insulanerinnen und Insulanern das tägliche Leben nicht leichter. Zu den Problemen, mit denen die Inseln kämpfen, gehören z. B. die demografischen Auswirkungen, die Veränderungen im Berufsleben. Das führt verstärkt dazu, dass junge Insulaner lieber auf dem Festland einer geregelten Arbeit nachgehen, als im Saisongeschäft tätig zu sein; denn das bedeutet, dass man rund um die Uhr im Einsatz ist. - Das kann man mögen, man muss es aber nicht.

Hinzu kommt, wie angesprochen, die Wohnraumsituation. Die andauernde Niedrigzinsphase der letzten Jahre führt beinahe zu einem Ausverkauf der Inseln bzw. dazu, dass der Wohnraum immer teurer wird. Immer mehr Wohnhäuser werden verkauft, umgebaut und dann als Ferienwohnungen zur Miete oder zum Kauf angeboten. Wohnraum muss bezahlbar bleiben. Er darf nicht zum Spekulationsobjekt werden. Das können und das werden wir nicht zulassen! Dafür müssen wir - dieses Ziel verfolgt auch der gemeinsame Antrag- alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und dem einen Riegel vorschieben.

Meine Damen und Herren, wir brauchen wirklich ein umfassendes, ganzheitliches Konzept, das gemeinsam mit den Inselkommunen, mit den Landkreisen auf den Weg gebracht wird. Wir müs

sen uns den unterschiedlichen Herausforderungen stellen; denn es geht nicht nur um Wohnraum, sondern es geht auch um medizinische Versorgung, um ärztliche Versorgung, um Mobilität auf den Inseln und zu den Inseln hin, um Bildungsinfrastruktur, und es geht grundsätzlich um die Versorgungslage. An diesen Stellen brauchen die Inseln Unterstützung - vom Land, aber auch vom Bund. Unser Ziel ist die Unterstützung der Inselkommunen und damit der Menschen, die auf den Inseln leben und arbeiten. Letztendlich ist Inselschutz auch Küstenschutz, und da sitzen wir alle in einem Boot.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es reicht deshalb auch nicht aus, sich - wie die CDU - auf „Dauerwohnen“ zu beschränken, eine Ergänzung des § 22 zu fordern und sich für eine Differenzierung der Funktion „Wohnen“ in der Baunutzungsverordnung einzusetzen. Ich glaube, das ist einfach zu kurz gesprungen. Deshalb haben wir diesen erweiterten Antrag vorgelegt, um ein Gesamtpaket zu haben.

Mir ist aber auch sehr wichtig, dass wir mit den politischen Akteuren vor Ort sprechen; denn dort wird zum Teil bewusst auf Steuerungsmöglichkeiten verzichtet. Es gibt sogar Fälle, in denen das noch bestehende Bauplanungsrecht zugunsten der Vorhabenträger geändert wird. Ich finde, das kann und das darf nicht wahr sein. Da sind rechtliche Beratung und Unterstützung notwendig. Es ist sehr widersprüchlich, auf der einen Seite Forderungen zu stellen und auf der anderen Seite konträr zu handeln. Das müssen wir offensiv ansprechen.

Dazu gehört aber auch, dass es nicht angehen kann, dass Wohnraum, der mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gefördert wurde, nach Wegfall der Bindungsfrist verkauft wird, weil die Inselkommunen finanziell so klamm sind, dass sie kein Geld für notwendige Sanierungen haben. Auch diese Punkte müssen wir anpacken.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich bin dankbar, dass in diesem Antrag auf die besondere Situation der Inseln eingegangen wird, und ich freue mich darüber umso mehr, als ich seit Anfang des Jahres selbst Insulanerin bin. Ich freue mich darauf, zusammen mit der Landesregierung, mit den Inseln und mit den Landkreisen das Gesamtpaket anzupacken.