Es hat mich nicht groß überrascht, lieber Herr Will, dass die Ausschussberatungen keine Veränderung in den bisherigen Positionen gebracht haben.
Sie sind immer noch der Meinung, mit dem Mindestlohn sei eigentlich kein bürokratischer Aufwand verbunden. Zum Teil vertreten Sie auch die Auffassung, das könne man den Unternehmen ruhig zumuten.
Bei der FDP ist es wohl leider immer noch so, dass sie der Meinung ist, in dieser Form brauche man den Mindestlohn eigentlich gar nicht - so die Kollegin König.
Wir sind immer noch der Meinung: Der Mindestlohn an sich ist eine gute Sache. Wir sollten die Unternehmen nur von unnötiger Bürokratie entbinden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Toepffer, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass sich Frau Nahles in der Frage des Mindestlohns und der Herangehensweise inzwischen mit der CDU auf Bundesebene geeinigt hat
und dass Sie, da Sie ja an der Regierung in Berlin noch beteiligt sind, das eigentlich durch ein Zurückziehen des Antrags erledigten könnten?
Lieber Kollege Will, grundsätzlich habe ich eine sehr pessimistische Einstellung, was Ankündigungen einer Arbeitsministerin angeht, die außerhalb der Politik nie im Leben eine Stunde gearbeitet hat. - Das zum Ersten zu Frau Nahles.
Zum Zweiten kann ich Ihnen sagen: Wenn man grundsätzlich sagt, man will jetzt einmal gucken, wie das - - -
(Ulrich Watermann [SPD]: Woher nehmen Sie eigentlich diese Unver- schämtheit? - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Unruhe - Glocke der Präsidentin)
Nein, wir streiten nicht hier im Plenarsaal, sondern außerhalb. Jetzt hat Herr Toepffer das Wort und sonst niemand.
Das mögen Sie zwar unverschämt finden. Ich kann Ihnen aber eines sagen, Herr Watermann: Wenn Sie draußen zu den Betrieben gehen und einmal mit denen sprechen, die unter diesem Mindestlohn und seinen Auswirkungen leiden, dann werden Sie sehr schnell verstehen, warum sie gerne Ministerinnen hätten, die wüssten, wie es ist, wenn man das Geld mit seiner Hände Arbeit verdient. So ist das, mein Lieber.
- Ich soll ja nicht mit Ihnen diskutieren. Aber ich kann Ihnen eines sagen: Ich bin von diesem Mindestlohngesetz selbstverständlich betroffen. Ich führe Aufzeichnungen für meine Mitarbeiter. Wenn Sie der ersten Beratung hier gefolgt wären, wüssten Sie das.
ich bei einer mittelständischen Bäckerei im Bereich Hannover mit 200 Mitarbeitern und 25 Filialen. Die haben mir erklärt, wie sie unter diesem Mindestlohn leiden. Wissen Sie, wie das bei denen ist? - Die beschäftigen mittlerweile fünf Sachverständige: einen für Müll, einen für Energie, einen für Inhaltsstoffe, einen für juristische Fragen und einen für Architekturfragen. Die zahlen 100 000 Euro im Jahr für diese Sachverständigen und kommen immer noch nicht damit aus.
Herr Toepffer, die Sitzung wird von hier oben geleitet. - Das Problem ist, dass hier Dialoge geführt werden, die der Sache nicht dienlich sind.
Da gibt es einen Landwirtschaftsminister, der sich auf seiner Webseite beispielsweise dafür rühmt, dass die Kontrollen seiner Gewerbeaufsichtsämter in den Filialen dieses Bäckereibetriebs jetzt bezahlt werden müssen. Dazu sagt mir der Bäckermeister: Das ertrage ich noch. Ich muss jetzt aber für diese 25 Filialen jeden Monat eine vom Wirtschaftsprüfer bestätigte Berechnung vorlegen, welchen Umsatz jede einzelne Filiale gemacht hat, damit die Höhe der Gebühren berechnet werden kann. - Das ist Realität in Niedersachsen!
Dann geht es weiter. Seit 1. Januar dieses Jahres muss der arme Mann Allergene in seinen Backwaren auszeichnen - EU-Verordnung! Ihm wurde gesagt, dazu gebe es eine Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung. Die liegt bis heute nicht vor. Deshalb ruft er beim Veterinäramt und fragt: Wie soll ich es denn machen, damit ich nicht
wieder Ärger kriege? - Dort sagt man ihm wortwörtlich: Wir sind keine Beratungsfirma. Wir sind eine Kontrollbehörde. - Das ist Realität in Niedersachsen!
Das Gespräch hat damit zu tun, dass dieser Mann mir gesagt hat: Das mit der Dokumentationspflicht zum Mindestlohn mache ich ja noch mit. Es wird aber, verdammt noch mal, immer mehr. Ich erkläre dir als Parlamentarier einmal, was alles dabei ist.
Dieses Gespräch haben wir beendet, weil der gute Mann zusammen mit seinen Mitarbeitern zu einer Schulung musste, und zwar über die Nutzung von Gummihandschuhen. Ich habe ihn gefragt, warum er dabei sein muss. Antwort: Er muss jedem einzelnen Mitarbeiter attestieren, dass er an der Schulung teilgenommen hat. - Das ist Realität in Niedersachsen!
Er schafft es trotz der Sachverständigen nicht mehr, das Geld zu verdienen, das er braucht, um 200 Mitarbeiter zu bezahlen. - Das ist Realität in Niedersachsen!
Ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Hannover: Wenn dieser Bäcker eine Filiale eröffnet, muss er sich das genehmigen lassen. Vorher darf er eigentlich nicht. Das Problem ist, dass es sechs Monate dauert, bis die Genehmigung da ist. Dann zahlt er sechs Monate lang Miete, ohne dass er aufmachen kann. Die Landeshauptstadt Hannover ist aber pfiffig, die macht jetzt Folgendes und sagt: Wir packen es nicht mehr rechtzeitig, aber du kriegst die Genehmigung schon vorher, musst nur 45 Euro bezahlen, und dann darfst du schon vorläufig aufmachen. - So macht man aus Bürokratie und Not eine Tugend.
Und nun kommt der Mindestlohn, mit dem Zoll- und Arbeitszeitgesetz im Schlepptau. Der Bäcker hat gesagt: Die waren jetzt bei mir. Die haben den ganzen Laden nachts umgekrempelt und haben dort alles durcheinandergebracht. Sie haben sich das angeguckt und festgestellt: Aha, den Mindestlohn zahlt er, gar kein Problem. - Aber sie prüfen jetzt auch das Arbeitszeitgesetz. Nach dem Arbeitszeitgesetz gibt es eine Pausenregelung, die aus der ursprünglichen Arbeitszeitordnung aus dem Jahre 1938 stammt und im Wesentlichen besagt: Nach sechs Stunden Arbeit ist eine halbe
Stunde Pause einzuhalten. Wenn Frau Merkel mit Herrn Tsipras 17 Stunden diskutiert, hätte sie dreimal eine Ordnungswidrigkeit begangen. Das wäre dann vermutlich strafbar.
Jetzt gucken die in den Filialen nach und stellen Folgendes fest: ländliche Bäckereifiliale. Wissen Sie, wie das in der Praxis läuft? - Deswegen ist es wichtig, dass man einmal gearbeitet hat. - Da ist das so: Die sitzen da, und dann kommt eine Stunde kein Kunde rein. Das ist dann die Pause. Daran stört sich auch niemand, und das bekommen die Arbeitnehmer auch bezahlt. Dazu hat man mir gesagt: Geht nicht mehr. Sechs Stunden und dann Pause. - Was macht er nun? - Er schließt den Laden zu, und die Damen werden nur noch sechs Stunden beschäftigt. Sie sagen mittlerweile, dass es sich nicht mehr lohnt, weil sie von sechs Stunden Arbeit am Tag nicht leben können. - Er hat die ersten Kündigungen auf dem Tisch. Das ist Realität in Niedersachsen!