Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da gibt es Dinge, zu denen ich lange recherchieren musste, ob die überhaupt wahr sein können. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man wegen eines Verstoßes gegen die Feingebäckverordnung, die im Internet kaum zu finden ist, tatsächlich eine Vorladung bei der Kriminalpolizei bekommt. So etwas gibt es mittlerweile.

Und wenn Sie sich die Bilder des Auftretens unserer Zollbehörden, die mittlerweile mit Handschellen und Waffen erscheinen, angucken, denken Sie, dass diese eine Drogenkartellrazzia in Uruguay und nicht die Durchsuchung eines deutschen Handwerksbetriebes durchführen. Das ist das Problem.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man muss heutzutage wirklich so weit sein, zu sagen, dass man froh sein kann, dass 1949 in Deutschland offensichtlich auch die Bürokratie am Boden lag. Wenn wir heute noch mit Trümmerfrauen arbeiten würden, wäre es wahrscheinlich so, dass sie einen Schutzhelm und Sicherheitsschuhe haben müssten, von einem Statiker begleitet würden, ein beheizbares Dixi-Klo haben müssten, und die psychologische Betreuung wäre auch noch denkbar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Diese Ver- gleiche sind unglaublich!)

Unsere Handwerksbetriebe leiden unter einer Regelungswut der Politik, sie leiden unter einem Generalverdacht der Behörden, und sie leiden unter Uraltgesetzen, die unseren heutigen Bedingungen nicht angepasst sind. Das müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

Und bei allem, was Frau Nahles angekündigt hat, hoffe ich, dass wir es in die Realität umsetzen und in der Tat diesen Mindestlohn einer Nachprüfung unterziehen, die diesem Bürokratiewahnsinn zumindest in diesem Bereich Einhalt gebietet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Für die SPDFraktion hat nun das Wort der Kollege Schminke. Bitte!

(Zuruf von der CDU: Jetzt kommt der Praktiker!)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir waren uns eigentlich darüber einig, dass es hier keine Bemerkungen gibt, wenn jemand zum Rednerpult kommt.

Bitte, Herr Schminke!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte über den bundesweiten Mindestlohn sprechen - denn darum geht es -, der in der Höhe von 8,50 Euro gesetzlich für mindestens 4 Millionen Menschen in Deutschland bereits eine spürbare Einkommensverbesserung gebracht hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Darauf sind wir allesamt sehr stolz; denn darum haben wir uns viele Jahre bemüht. Um die Spannung aus Ihren Gesichtern zu nehmen - Sie sind ja gerade ziemlich aufgeregt -, verrate ich Ihnen gleich zu Anfang meiner Ausführungen, dass Sie sich heute mit Ihrem Antrag nicht durchsetzen können. Wir müssen die Zustimmung verweigern. Aber das überrascht Sie, glaube ich, nicht wirklich.

Mindestens bei der FDP dürfte zu keinem Zeitpunkt auch nur ein Fünkchen Hoffnung bleiben; denn das, was Sie, Herr Bode, mit Ihrem Antrag wieder einmal produziert haben, ist eigentlich ein

unerträglicher Zynismus. Daher wird der Antrag von keiner - ich betone: von keiner - anderen Fraktion dieses Hauses mitgetragen. Das ist bezeichnend, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Gerd Ludwig Will [SPD] und bei den GRÜNEN)

Sie sind völlig isoliert. Man kann sagen: FDP allein zu Haus. - Insbesondere Ihr Punkt 5, der die Anrechenbarkeit von Sachbezügen behandelt, ist nach den Erfahrungen, die in der Fleischindustrie publik geworden sind, eine echte Zumutung und für die betroffenen Arbeitnehmer eigentlich unerträglich. Denn das bedeutet, dass ein Abzug vom Lohn erfolgt und es daher zu einer Unterschreitung des Mindestlohns kommt. Und genau das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie wollen weiterhin die Abschaffung der Pflicht zur Arbeitszeitdokumentation und die Beweislastumkehr. Ihnen geht es mit Ihrem Antrag im Ergebnis darum, den Mindestlohn kaputt zu machen, das Gesetz zu torpedieren, wo immer es geht, damit die Arbeitnehmer wieder zu Freiwild werden. Daraus wird nichts werden; denn wir werden mit einem praktikablen Mindestlohngesetz dafür sorgen, dass Arbeitnehmer vor moderner Sklavenarbeit und Ausbeutung

(Ulf Thiele [CDU]: Davon hat doch kein Mensch gesprochen!)

und vor allem vor dieser FDP geschützt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Schminke, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele zu?

Danke. Fahren Sie bitte fort!

Die FDP hat nichts, aber auch gar nichts dazugelernt. Sie ist einfach unbelehrbar. Sie setzt weiter auf neokonservative Wirtschaftskonzepte,

(Jörg Bode [FDP]: Das ist die soziale Marktwirtschaft!)

die von einer breiten Mehrheit der Menschen abgelehnt werden. Zurück zu Sodom und Gomorrha, weg mit allen Regeln für den Arbeitnehmerschutz, Freiheit für die Ausbeuter, die mit ihrem Geschäftsmodell schon viel zu lange ihr Unwesen treiben konnten - das sind die Aussagen Ihres Antrages gegen den Mindestlohn.

Und weil Sie sich für Ihre wirtschaftspolitischen Ansichten nicht einmal mehr schämen, stehe ich stellvertretend für die FDP bereit, mich öffentlich fremdzuschämen, Herr Bode.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich schäme mich fremd für das, was Sie machen.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist doch al- bern, was Sie machen, Herr Kollege!)

Wenn man nun den Antrag der CDU liest, bekommt man zuerst das Gefühl, bei der Geburtsstunde des flächendeckenden Mindestlohns sei die Christlich Demokratische Union als Geburtshelfer dabei gewesen. Mitnichten, meine Damen und Herren, es war da schon etwas anders. Sie hatten zum Mindestlohn deutlich andere Positionen, Herr Toepffer.

(Dirk Toepffer [CDU]: Bis Sie mich überzeugt haben!)

Das haben wir nicht vergessen. Viele Kolleginnen und Kollegen der CDU schmücken sich heute - hier verweise ich auf den Antrag - mit der Erkenntnis, dass der Mindestlohn ein echtes Erfolgsmodell geworden ist. Es gab aber Zeiten, in denen Sie massiv gegen den Mindestlohn gearbeitet haben. Sie haben Massenarbeitslosigkeit vorausgesagt. Diese wird jedoch nicht wegen des Mindestlohnes eintreten.

Dann sage ich Ihnen: Bitte schmücken Sie sich heute nicht mit fremden Federn! Der Mindestlohn ist das Federkleid der Sozialdemokratie. Und Sie sehen mit fremden Federn eher aus wie diese Eier legenden Tiere mitten in der Mauser.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben in Ihrer Regierungszeit immer nur stereotyp auf die Verantwortung der Tarifvertragsparteien verwiesen, die allein den Mindestlohn aushandeln sollten. Wenn man aber doch weiß, welche Tarifbindung in einigen Branchen vorherrscht, so ist eine Empfehlung schon fast ein unsittlicher Akt; denn da geht ja bekanntlich nichts, weil sich die Arbeitgeber kontinuierlich verweigern, den Mindestlohn tariflich abzuschließen. Wäre es anders gewesen, hätten wir

uns den Mindestlohn ersparen können. Dann hätten wir das Gesetz nicht gebraucht.

Meine Damen und Herren, gute Arbeit ist unser Markenzeichen. Das lassen wir uns von Ihnen auch nicht mit solchen Anträgen beschädigen.

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

Sie haben mit Ihren Lockerungswünschen falsche Ansätze, und die sind mit dem Grundsatz „gute Arbeit“ unvereinbar.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Weil Sie das mit dem DGB ansprechen, möchte ich Ihnen dazu Folgendes sagen: Die Landesregierung hält sich an Gesetze und Tarifnormen; denn das ist das Markenzeichen „guter Arbeit“. Dazu stehen wir, und dabei bleibt es auch. Sollte die Problematik des Erlasses tatsächlich, wie von DGB-Chef Hartmut Tölle beschrieben, bestehen und Anbieter mit Dumpinglöhnen tatsächlich bevorteilt sein, wird dieser Erlass umgehend geändert.

(Ulf Thiele [CDU]: Können Sie das?)

Mit der Staatskanzlei ist das besprochen, und somit ist klar, dass der Kollege Tölle keine Schnappatmung mehr bekommen wird; denn die Kernmarke „gute Arbeit“ wird von dieser Landesregierung niemals aufgegeben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Sie sind viel zu spät! Sie hätten es früher erlassen müssen!)

- Nein, nein.

Sie wollen eine Haftungsbefreiung der Generalunternehmer für Verstöße der Nachunternehmer. Auch hierfür wird es keine Zustimmung von uns geben. Wir brauchen nämlich die Durchgriffshaftung, und die Generalunternehmer lernen sehr schnell, sich darauf einzustellen. In der Baubranche gibt es das schon lange; da ist das schon die Regel. Warum soll man das nicht in andere Branchen übernehmen?