Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Es stellt sich die Frage: Wie werden solche Projekte bezahlt? Es müsste ja auch die Idee vorhanden sein, wie die KVen und die Krankenkassen eingebunden werden können.

Es gibt in Niedersachsen einen Verein, der Gynäkologinnen ausbildet und in Schulen zum Aufklärungsunterricht auch über sexuell übertragbare Krankheiten entsendet. Zumindest für die Region Hannover weiß ich, dass viele Schulen das Angebot gerne annehmen und die Schülerinnen und Schüler sehr vertrauensvoll fragen und sich informieren. Nichts darüber in Ihrem Antrag!

Aber dann wird es ja auch kompliziert; dann muss man neue Verantwortlichkeiten mit den Ministerien aushandeln, eine Vernetzung mit Ärztekammer, KV und Krankenkassen erreichen. Das alles ist kompliziert und zeitaufwendig. Es ist einfacher, ein Modellprojekt zu fordern und die bereits vorhandenen Aktivitäten nicht zu beachten.

Sie finden uns bei den Themen Aufklärung und Prävention an Ihrer Seite, liebe Oppositionsfraktionen. Es ist uns aber unverständlich, warum Sie ein so wichtiges Thema so oberflächlich abhandeln.

Und wenn man schon bei den Beratungen feststellt, dass sich das Anliegen erledigt hat, dann ist es gelegentlich klüger, einen Antrag aus dem Rennen zu nehmen, wenn es nicht nur um Pressemitteilungen geht.

In diesem Sinne werden wir den Antrag ablehnen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Wernstedt. - Jetzt hat sich Thomas Schremmer zu Wort gemeldet - Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen. Aber das muss ich, glaube ich, gar nicht immer dazusagen, wenn jemand so oft hier nach vorne kommt. Bitte schön!

Manchmal muss man es vielleicht doch sagen, z. B. wenn wir über den Mindestlohn reden.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den Worten von Kollegin Thela Wernstedt nur anschließen. Wir haben das Thema im Ausschuss nach meiner Wahrnehmung relativ intensiv beraten. Auch ich finde die Vermischung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten im Allgemeinen und Chlamydien im Speziellen in diesem Antrag bedenklich; das haben wir mehr als einmal formuliert. Ich glaube, dass dabei unterschiedliche Herangehensweisen vorzusehen sind. Insofern ist das ein Kritikpunkt.

Ich habe natürlich auch mit der Aids-Hilfe geredet. Im Grunde ist die Aids-Hilfe im Augenblick relativ zufrieden mit ihrer Aufstellung in der Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit. Wir haben die Mittel auch aufgestockt. Insofern haben wir an dieser Stelle - das kann ich sagen - alles getan, um die Aufklärung über die Erkrankung HIV in Niedersachsen deutlich zu stärken.

Die Frage, ob wir uns mit sexuell übertragbaren Krankheiten anderer Art im Landtag noch einmal befassen, stellt sich natürlich - auch das hat Thela Wernstedt schon gesagt. Aber ich erwarte natürlich, dass wir uns dann mit einem entsprechenden Antrag beschäftigen.

Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen können dem heute vorliegenden Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schremmer. - Jetzt hat sich Annette Schwarz, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Risiken von HIV und Aids sind, glaube ich, weitestgehend bekannt. In der Regel ist das dank der guten Öffentlichkeitsarbeit und einer Enttabuisierung des Themas auch bei jungen Menschen der Fall. Dafür sind gute Projekte in Niedersachsen auf den Weg gebracht worden, die dafür Sorge tragen,

dass dieses Thema in der Wahrnehmung der Gesellschaft nicht in den Hintergrund gerät.

Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur muss man allerdings Rechnung tragen. Für Bevölkerungsgruppen, die unsere Gesellschaft hinzugewinnt, ist der Umgang mit diesem Thema nicht selbstverständlich. Daher kann man den Ausführungen des Sozialministeriums im Ausschuss für Soziales nur beipflichten, dass die Aufklärung über Aids, HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten immer einer Anpassung an die Entwicklung bedarf, um gute Präventions- und Beratungsangebote vorhalten zu können.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies streicht der vorliegende Änderungsantrag von CDU und FDP deutlich heraus. Er ergänzt den Ursprungsantrag der FDP allerdings um die Aufklärung über weitere sexuell übertragbare Infektionen gerade bei jungen Menschen. Diese muss ausgeweitet werden.

Ich will einige Themenfelder beispielhaft aufführen.

Erstens: junge Mädchen und HPV - also humane Papillomviren. HPV ist die häufigste durch Geschlechtsverkehr übertragene Virusinfektion weltweit; ein Risiko dabei ist die Entstehung eines Zervixkarzinoms.

Zweitens: junge Mädchen und Chlamydien. Chlamydien sind die häufigste bakterielle sexuelle Infektion in Deutschland und weltweit. Etwa 90 % der Infizierten ahnen aufgrund der überwiegenden Symptomarmut nichts von ihrer Erkrankung. Relevant wird die Infektion erst nach vielen Jahren. Jede vierte bis fünfte Frau ist von einer nachfolgenden Sterilität betroffen.

Meine Damen und Herren, wir haben hier im Hause sehr ernsthaft über künstliche Befruchtung und darüber, wie wichtig sie für Paare sein kann, debattiert. Deshalb sollte Präventionsarbeit, denke ich, verpflichtend sein.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dieses eben von mir geschilderte Risiko ließe sich durch Aufklärung minimieren. Denn diese Infektionsarten und deren Auswirkungen sind besonders bei jungen Frauen und Männern viel zu wenig bekannt. Dem muss man Rechnung tragen. Wer kann also Aufklärung und Prävention am ehesten gewährleisten? - Die Schule - das ist genannt worden - ist immer ein

Ort, an dem so etwas erfolgen kann. Aber man muss dazusagen: Schule kann nicht alles.

Beratungsstellen, insbesondere solche, die in den Strukturen von öffentlichen Verwaltungen angelegt sind, rufen bei jungen Menschen überwiegend Hemmungen hervor. Bevorzugt wird von Jugendlichen, insbesondere von jungen Mädchen, als Ansprechpartner für Fragen zum Thema Sexualität und Verhütung erstens die Mutter und zweitens der Arzt oder die Ärztin.

Nun könnten Sie sagen: Mit den Vorsorgeuntersuchungen für Jugendliche, mit der J1 und der J2, könnte man das doch gut abdecken. - Sie wissen allerdings auch, wie gut bzw. schlecht die Resonanz bei diesen Vorsorgeuntersuchungen ist. Vor allem gelten diese nur für bis 17-Jährige. Für 18Jährige sind diese Vorsorgeuntersuchungen kostenpflichtig; sie müssen sie selber bezahlen. Hinzu kommt: Kinderarztpraxen sind auf diese Untersuchungsformen nicht hinreichend eingestellt.

Wichtig ist dabei, dass auch der kulturelle Aspekt nicht gänzlich ausgeblendet werden darf. In der Ausschussberatung wurde sehr wohl deutlich, dass gerade Migranten bzw. Flüchtlinge Informationen eher von jemandem annehmen, dem sie auch Vertrauen entgegenbringen. Bei jungen Menschen, meine Damen und Herren, ist das nicht anders. Eine vertrauensfördernde Atmosphäre ist also unabdingbar.

In den Schulen gibt es eine lange Tradition der Aufklärungsarbeit, die aber nicht alles Wesentliche abdecken kann. Und jeder weiß, wie es mit 14- oder 15-jährigen pubertierenden Jugendlichen in einer Schulklasse ist - da kann manches, was sensibel zu handhaben wäre, nicht so praktiziert werden. Von daher sehen wir eine stärkere Vernetzung zwischen Schulen und Arztpraxen und eine effektive Unterstützung als wichtig an.

Meine Damen und Herren, es ist außerordentlich schade, dass sich Rot-Grün für eine gemeinsame Überarbeitung des Ursprungsantrages der FDPFraktion nicht begeistern konnte. Ich danke aber Sylvia Bruns sehr herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit - sie war außerordentlich angenehm.

Ich finde es allerdings nicht in Ordnung, wenn ein Vertreter eines Berufsverbandes als „ein Vertreter einer Arztpraxis“ deklariert wird. Ich glaube, damit sollte man etwas anders umgehen. Und man sollte uns auch nicht unterstellen, dass wir nur Wald- und Wieseninformationen bieten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir stimmen dem von uns und der FDP-Fraktion vorgelegten Änderungsantrag zu - zum Wohle der jungen Menschen in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, Sie von den Regierungsfraktionen haben ja betont, wie wichtig das Thema ist. Von daher sehen wir einer Neuauflage des Themas mit Spannung entgegen. Wir werden sehen, was für einen Antrag Sie vorlegen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Jetzt liegt die Bitte zu einer Kurzintervention vor. Frau Wernstedt, bitte schön!

Frau Schwarz, wenn Sie alle sich darüber im Klaren sind, ob Sie über Vorsorgeuntersuchungen, über Aufklärung durch Ärzte oder über Aufklärung durch Lehrer sprechen wollen, dann würden wir uns zu einer neuen Diskussion bereitfinden. Wir hatten den Eindruck, dass das alles ziemlich durcheinander geht und immer wieder - je nachdem, ob man im Ausschuss oder im Plenum redet - neu durcheinandergeschmissen wird.

Wir haben nicht angekündigt - ich möchte an dieser Stelle auch nicht die Diskussion im Ausschuss wiederholen -, in zwei Wochen mit einem anderen Antrag um die Ecke zu kommen. Wir sind gesprächsbereit bei diesem wichtigen Thema und erwarten eher von Ihnen, dass Sie sich sortieren und mit neuen Ideen kommen. Dann bereden wir das neu.

Vielen Dank. - Frau Schwarz!

Werte Kollegin Wernstedt, ich freue mich, dass Sie sagen: Wir möchten uns seitens der Regierungsfraktionen dem Thema nicht verschließen, sondern weiter im Gespräch bleiben. - Man muss sich natürlich auch einmal das Selbstverständnis eines Parlaments vergegenwärtigen. Wenn man hier nur miteinander spricht, gibt es keine Aufforderung an die Landesregierung. Von daher bin ich sehr hoffnungsfroh, dass nach Ihrer Erkenntnis auch ein Antrag der Regierungsfraktionen vorgelegt wird. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Schwarz. - Jetzt hat sich die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration noch einmal gemeldet. Frau Rundt, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung spricht jetzt zu Ihnen.

Entschuldigung!

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts leben zurzeit in Deutschland rund 80 000 Menschen mit einer HIV-Infektion. Die Zahl der gemeldeten HIVErstdiagnosen wird für das Jahr 2014 mit 3 525 angegeben. In Niedersachsen leben nach unseren Daten ca. 4 400 Menschen mit einer HIV- oder Aidserkrankung. Rund 200 HIV-Neuinfektionen kommen jedes Jahr in Niedersachsen dazu.

Seit Mitte der 80er-Jahre hat sich die Niedersächsische Landesregierung dafür eingesetzt, HIVInfektionen zu verhüten und aidskranke Menschen zu unterstützen. Seit 1986 hat das Sozialministerium fortlaufend die Arbeit der Aids-Hilfen finanziell und ideell unterstützt, verbunden mit hohem fachlichem Austausch.