Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Seit Mitte der 80er-Jahre hat sich die Niedersächsische Landesregierung dafür eingesetzt, HIVInfektionen zu verhüten und aidskranke Menschen zu unterstützen. Seit 1986 hat das Sozialministerium fortlaufend die Arbeit der Aids-Hilfen finanziell und ideell unterstützt, verbunden mit hohem fachlichem Austausch.

Auch wenn wir uns in Niedersachsen Gott sei Dank auf niedrigem Niveau befinden, was die Prävalenz von HIV und Aids betrifft, ist die Landesregierung doch davon überzeugt, dass nach wie vor eine kontinuierliche und wirkungsorientierte Präventionsarbeit notwendig ist. Hierzu dienen in Niedersachsen neben der HIV-Testung insbesondere innovative Projekte der niedersächsischen AidsHilfen.

Während wir in den letzten 30 Jahren bei den Hauptbetroffenen, wie schwulen Männern oder Drogen Gebrauchenden, von großen Erfolgen bei der Behandlung, bei der Primärprävention und bei Safer-Sex-Kampagnen berichten konnten, bleibt die gesundheitliche und psychosoziale Versorgung sowohl von HIV-positiven Kindern als auch von Jugendlichen oder HIV-positiven Müttern in Deutschland nach wie vor unzureichend. Hier

schließt das Projekt „Aids, Kinder und Familie“ der niedersächsischen Aids-Hilfe die Lücke.

Um Jugendliche zu erreichen, müssen Informationen, Aufklärung und Präventionsarbeit zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen dort ansetzen, wo Jugendliche sind. In den Schulen fällt die Aufklärungsarbeit in den Bereich der Sexualerziehung. Dazu werden Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst ausgebildet. Des Weiteren können Schulen über das Beratungs- und Unterstützungssystem der Niedersächsischen Landesschulbehörde ihren Bedarf auch für Themen aus dem Bereich Gesundheitsförderung und Prävention anmelden. Dies geschieht dann in engem Austausch mit außerschulischen Organisationen wie Pro Familia oder den Aids-Beratungsstellen. Eine Reihe von Schulen entwickelt darüber hinaus Eigeninitiativen, um Schülerinnen und Schülern diese Themen nahezubringen.

Allerdings halte ich den Ausbau oder eine Projektförderung für sogenannte Mädchensprechstunden in gynäkologischen Praxen und damit die frühzeitige Einstufung dieser jungen Mädchen und Frauen als Patientinnen für nicht zielführend. Auch sind junge Mädchen und Frauen eben keine homogene Gruppe.

Aspekte wie emotionale Ansprache, erste Liebe, Kommunikations- oder Handlungsfähigkeit, aber auch das eigene Körperbild sollten meiner Ansicht nach außerhalb einer frauenärztlichen Praxis thematisiert werden.

Sie sehen also: Wir sind im Bereich HIV und Aids gut aufgestellt. Dies gilt es weiterzuentwickeln. Sollten sich bei HIV und Aids, aber auch bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten epidemiologisch neue Entwicklungen ergeben, werden wir das gewohnt professionell und durchdacht mit unseren bewährten Bündnispartnerinnen und -partnern - - -

(Unruhe)

Frau Ministerin, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Meine Damen und Herren, wir haben eine latente Unruhe im Haus. Das ist ein wichtiges Thema. Darf ich Sie bitten, sich jetzt auf die Rednerin zu konzentrieren? Sonst können wir der Debatte nicht so folgen, wie man ihr folgen würde, wenn man sich für die Sache interessiert. Ich bitte um Konzentration.

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sollten sich bei HIV und Aids, aber auch bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten epidemiologisch neue Entwicklungen ergeben, werden wir das gewohnt professionell und durchdacht mit unseren bewährten Bündnispartnerinnen und -partnern zeitnah besprechen und wirksame Strategien und Projekte entwickeln, um dies auch umzusetzen. Das gilt auch für Fragen, die sich im Zusammenhang mit Flüchtlingen ergeben, die sich bereits in ihren Heimatländern infiziert haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Damit sind wir am Ende der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitergehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur falls diese abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über den Änderungsantrag ab.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 17/2549 ablehnen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt. Damit ist zugleich der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drucksache 17/3891 nach § 39 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 29: Abschließende Beratung: Sicherung der Existenzgrundlagen von Werkstätten für behinderte Menschen und vergleichbaren Einrichtungen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/3441 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/3720

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Uwe Schwarz. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anfang des Jahres entstand - für mich als Sozialpolitiker übrigens nachvollziehbar - erhebliche Aufregung, weil etliche Werkstätten für behinderte Menschen mit nicht unerheblichen Umsatzsteuernachzahlungen belastet wurden. Schnell wurde klar, dass es sich nicht um ein landespolitisch zu lösendes Thema handelt, sondern um bundespolitische Fragen. Sozialrecht und Steuerrecht sind nicht ganzheitlich weiterentwickelt worden, sondern sie stehen sich widersprüchlich gegenüber.

Menschen mit Behinderungen sind in unserer Gesellschaft immer noch deutlich überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Werkstätten für behinderte Menschen haben nach § 39 SGB IX die gesetzliche Verpflichtung, die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der Betroffenen nicht nur zu erhalten, sondern sie so weit wie möglich an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen und, wenn möglich, dort zu integrieren, also ganz im Sinne der UNBehindertenrechtskonvention.

(Vizepräsident Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Während jedoch Produktionsleistungen in den Werkstätten nach dem Gesetz mit 7 % Umsatzsteuer, also mit dem verminderten Steuersatz belegt werden, gilt für Dienstleistungen der volle Steuersatz von 19 %. Das Steuerrecht unterstellt an dieser Stelle eine Wettbewerbsverzerrung und die volle Leistungsfähigkeit von behinderten Menschen. Das Sozialrecht hingegen geht von einer deutlichen Einschränkung dieses Personenkreises aus und belastet z. B. bei den Sozialabgaben diese Personen in den Werkstätten mit maximal 80 %. Daraus ergeben sich zwei zentrale Fragen für uns:

Erstens. Welche Wirkung hat der ermäßigte Steuersatz auf Menschen mit Behinderungen auf die Aufgabenstellung der Werkstätten?

Zweitens. Müssen Steuer- und Sozialrecht an dieser Stelle synchronisiert werden?

Meine Damen und Herren, wenn der Bundesgesetzgeber dieses Problem nicht schnellstens löst, bekommen die Werkstätten erhebliche Existenz

probleme. Entweder müssen die Löhne der Betroffenen um bis zu 15 % gekürzt werden, oder das Land als Sozialhilfeträger muss die Ausfälle in Millionenhöhe über die Sozialhilfe ausgleichen. Das Ziel eines inklusiven Arbeitsmarktes würde in weite Ferne rücken. Das wäre das genaue Gegenteil der Zielrichtung von Inklusion.

Wir sind dankbar dafür, dass Finanzminister Schneider und Sozialministerin Rundt das Problem mit Nachdruck auf die Bundesebene getragen haben. Es hat offensichtlich etwas gedauert, bis auf der Bundesebene angekommen ist, wo das Thema zu lösen ist. Wir sind auch dankbar dafür, dass Bundesfinanzminister Schäuble daraufhin zwischenzeitlich eine Überprüfung eingeleitet hat.

Es ist gut und wichtig, dass wir es geschafft haben, heute einen einstimmigen Beschluss des Landtags Niedersachsen als starkes Signal an die Bundesregierung und den Bundestag zu senden. Ich hoffe - ich glaube, wir hoffen gemeinsam -, dass dies zu einem guten Ergebnis und zu einer verbesserten Integration von gehandicapten Menschen führt und auf diese Art und Weise der Bestand unserer Behindertenwerkstätten, die wir dringend brauchen, nachhaltig gesichert werden kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Jetzt hat das Wort für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Pieper. Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Uwe Schwarz hat ja schon eindringlich ausgeführt, worauf dieser Antrag beruht. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen seit den 70er-Jahren behinderten Menschen die Möglichkeit bieten, im Rahmen ihrer persönlichen Fähigkeiten am Arbeitsleben teilzunehmen. So, wie sich innerhalb unserer Gesellschaft das Arbeitsleben verändert hat, hat sich auch die Arbeit in den Werkstätten weiterentwickelt.

Ziel war und ist es, Menschen mit Behinderungen Arbeit nicht nur anzubieten, sondern ihnen auch die Möglichkeit zu offenbaren, sich nach einer gewissen Zeit in den normalen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist Inklusion. Doch leider sind wir noch weit davon entfernt; denn trotz sinkender Arbeitslosenzahlen finden viele Menschen mit

Behinderungen nach wie vor nur in den Werkstätten ihre Arbeit, die ihnen der allgemeine Arbeitsmarkt nicht zu den passenden Bedingungen zur Verfügung stellen kann.

Die Werkstattträger erfüllen in diesem Zusammenhang eine zentrale, ja eine sehr wichtige Funktion und haben in den vergangenen Jahren im Rahmen ihrer Weiterentwicklung durch viele innovative Projekte arbeitsmarktnahe Arbeitsplätze sichergestellt. Hierfür gibt es in meinem Heidekreis viele Beispiele. Diese zu nennen, würde jetzt aber zu weit führen.

Möglich ist dies alles, da die Werkstattträger aufgrund eines gesetzlichen umsatzsteuerrechtlichen Nachteilsausgleichs die Wettbewerbsnachteile ausgleichen können. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Inklusion, einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Teilhabe, einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von vielfältigen Angeboten an arbeitsmarktnahen Arbeitsplätzen innerhalb und auch außerhalb der Einrichtungen. Auch Dienstleistungsangebote, die eine gute Brücke in die Gesellschaft, in den normalen Arbeitsmarkt darstellen, leisten hierzu einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Teilhabe.

Mit dem jetzt vorliegenden gemeinsamen Entschließungsantrag verfolgen wir genau dieses Ziel, gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Lösungen zu finden, die dafür Sorge tragen, dass die niedersächsischen Finanzämter bei der Besteuerungspraxis ihren auf der Grundlage der aktuellen Rechtsgrundlagen bestehenden Ermessensspielraum im Sinne der Werkstätten für behinderte Menschen nutzen, dass auf Bundesebene eine Evaluierung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vorgenommen wird und dass weiterhin auch die geänderten Arbeitsmarktbedingungen unter sozialen Aspekten betrachtet werden. Wichtig dabei ist, dass sich der Wettbewerbsnachteil nach wie vor in der reduzierten Steuerabgabe wiederfinden muss, um den Nachteilsausgleich zu gewährleisten, und dass die restriktive Anwendung gerade auch hier in Niedersachsen im Rahmen der Evaluation gesetzeskonform unterbleibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir als CDU-Fraktion sind dankbar dafür, dass sich auch Bundesfinanzminister Schäuble dieser Thematik annimmt - Uwe Schwarz hat es schon ausgeführt - und auch eine schnelle Klärung herbeiführen möchte.

Bedanken möchte ich mich abschließend beim Fachausschuss für die konstruktive Zusammenarbeit. Wir denken, dass wir mit dem heutigen gemeinsamen Beschluss ein wichtiges Signal für unsere Menschen mit Behinderungen setzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Schremmer das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mit einem Satz zusammenfassen, was meine Vorrednerin Gudrun Pieper und mein Vorredner Uwe Schwarz gesagt haben: Das teilt meine Fraktion im vollen Umfang. Ich finde es großartig, dass wir zu diesem wichtigen Thema „Werkstätten für behinderte Menschen“ eine einvernehmliche Entschließung erarbeitet haben. Vielen Dank dafür! Ich hoffe, dass sich auch die Umsatzsteuerproblematik in Kürze regeln wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Försterling das Wort. Bitte!