Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Försterling das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren werden die Werkstätten für Behinderte über das Umsatzsteuergesetz mit einem ermäßigten Steuersatz gefördert. Ob das grundsätzlich richtig ist oder nicht, sei hier einmal dahingestellt. Man hat sich für diesen Weg entschieden, aber es kam hier in jüngster Zeit zu einem Bruch. Begründet ist dieser Bruch damit, dass es den § 68 Nr. 3 a - für Zweckbetriebe - und den § 12 Abs. 2 Nr. 8 a des Umsatzsteuergesetzes gibt, der um einen Satz 3 ergänzt worden ist.

Hier geht es um die Frage: Wie ist dieser Satz 3 auszulegen? - Der besagt, dass es sehr wohl - auch wenn Unternehmen in den Wettbewerb eingreifen und auf den Markt gehen - zwei Kriterien gibt, nach denen dennoch der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist. Das eine Kriterium betrifft die Frage, ob der Zweckbetrieb seine steuerbegünstig

ten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht. Das wird im Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums jetzt verneint. Das Bundesfinanzministerium vertritt nämlich die Auffassung, dass Werkstätten für Behinderte Produkte ausschließlich be- und verarbeiten dürfen. Das entspricht einem Begriff von Werkstätten für Behinderte aus den 50er- und 60er-Jahren, der heute unter Inklusionsgesichtspunkten überhaupt nicht mehr denkbar ist, weil man Behinderten heute zu Recht mehr zutraut, als ausschließlich nur Dinge zusammenzudrehen, wie es vielleicht in den 50er- und 60er-Jahren der Fall war.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Von daher wäre es eigentlich richtig, den Anwendungserlass dahin gehend zu ändern, dass man sagt: Ja, Menschen mit Behinderungen sind auch zu Dienstleistungen in der Lage.

(Glocke der Präsidentin)

Daneben gibt es aber noch ein zweites Vehikel, mit dem man zu einem ermäßigten Umsatzsteuersatz kommen könnte. Das ist die Frage: Dient dieser Betrieb in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen oder in erster Linie doch wiederum den satzungsgemäßen Zwecken? - Da unterstelle ich den Werkstätten für Behinderte, dass sie nach wie vor in erster Linie ihre satzungsgemäßen Zwecke erfüllen. Hier kam es aber zu einer anderen Interpretation vonseiten der Finanzverwaltung, die nämlich einen Kriterienkatalog angewendet hat, der eigentlich auch für Integrationsbetriebe gilt, dort aber nicht so scharf ausgelegt wird wie bei Werkstätten für Behinderte -

Herr Försterling, Ihre Redezeit ist knapp bemessen!

- ja, letzter Satz -, nämlich hinsichtlich der Frage, ob man vorrangig vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger hat oder nicht, was bei Werkstätten für Behinderte in den 50er-, 60er- und 70erJahren immer wieder der Fall war, jetzt aber nicht mehr der Fall ist, weil man auch in Dienstleistungen geht. Das ist das Vehikel, warum man in Niedersachsen dazu gekommen ist zu sagen: Wir machen jetzt bei Werkstätten für Behinderte 19 %. Das wiederum ist auch eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber Integrationsbetrieben. Deswegen ist es richtig, dass wir als Landtag heute ein einstimmiges Signal dahin gehend geben, dass wir

nach wie vor zu Werkstätten für Behinderte stehen und denen auch mehr zutrauen, als nur Dinge zusammenzudrehen, nämlich auch Dienstleistungen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Försterling, das war ein genialer Satz über anderthalb Minuten. Glückwunsch!

Nun hat das Wort die Frau Sozialministerin. Frau Rundt, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte unserer Gesellschaft. Das bedeutet eben auch Teilhabe am Arbeitsleben. In den verschiedenen Arbeitsbereichen der Werkstätten finden sich analog zur klassischen Erwerbswirtschaft sowohl Bereiche, in denen produziert wird, als auch Bereiche, in denen Dienstleistungen erbracht werden. Jeder kennt z. B. die Handelsgeschäfte, die CAP-Märkte oder die SAMOCCA-Bistros. Es wäre daher fatal, wenn Dienstleistungs- und Handelsbereiche von Werkstätten - die ja genau der angestrebten Teilhabe voll entsprechen, weil Dienstleistungen den direkten Kontakt mit der ganz alltäglichen Kundschaft bringen - aufgrund einer höheren Besteuerung geschlossen werden müssten. Von Menschen mit Behinderungen betriebene Geschäfte und Bistros, also optische Zeugen der Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen, dürfen auf keinen Fall aus unserem Straßenbild verschwinden.

Meiner Ansicht nach ist es daher zwingend erforderlich, dass das überholte Bild der Werkstätten, das dem Umsatzsteuergesetz zugrunde liegt, nun überarbeitet wird.

Mein Kollege Schneider hat sich die von den Werkstätten geäußerte Kritik zu eigen gemacht und sie gegenüber dem Bundesfinanzminister aufgegriffen. Niedersachsen hat deshalb gegenüber dem Bund und den übrigen Bundesländern vorgeschlagen, die Umsatzsteuerermäßigung künftig auch für Dienstleistungen von Werkstätten zu ermöglichen. Wir werden uns gemeinsam weiter beim Bund dafür einsetzen, dass diese Regelung verändert wird und klarstellt, dass die verringerte Umsatzsteuer für alle Bereiche der zweckbetrieblichen Betätigung in Werkstätten gilt. Dies ist im

Interesse der Menschen mit Behinderungen dringend geboten.

Wir hoffen, dass sich auf Bundesebene etwas bewegt. Wenn das der Fall ist, dann dürfen wir das dem Engagement unseres Finanzministers PeterJürgen Schneider zuschreiben, zumal das Finanzministerium, weil sich auf Bundesebene etwas tut, in Aussicht gestellt hat, die Finanzämter zu bitten, entsprechende Rechtsbehelfsverfahren zunächst ruhen zu lassen, sodass eine Entscheidung auf Bundesebene abgewartet werden kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich kann die Beratungen schließen und zur Abstimmung kommen.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das war einstimmig. Vielen Dank.

Dann kommen wir zur Abstimmung zu Nr. 2 der Beschlussempfehlung. Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit die in die Beratung einbezogene Eingabe 01925 der Landesregierung zur Erwägung überweisen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Auch das war einstimmig.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 30: Abschließende Beratung: a) Sprachkurse für Flüchtlinge - Eine Aufgabe für die Erwachsenenbildung - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/2158 - b) Sprachkurse für Flüchtlinge und Geduldete öffnen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/3543 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 17/3845

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die

Grünen unverändert anzunehmen und den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Das Wort hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hillmer. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niedersachsen steht vor großen Herausforderungen. Zehntausende Menschen aus aller Welt suchen als Opfer von Flucht und Vertreibung Schutz in Niedersachsen. Meine Damen und Herren, es ist Auftrag unseres Grundgesetzes - in dem Artikel, in dem es um das Asyl geht, werden wir dazu aufgefordert -, dafür offen zu sein und denjenigen, die Hilfe suchen, Hilfe zu gewähren. Wir müssen aber nicht nur, weil das Grundgesetz uns dazu auffordert, sondern auch - das glaube ich jedenfalls für uns sagen zu können - aus christlicher Nächstenliebe den Menschen helfen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Almuth von Below-Neufeldt [FDP] - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wenn ihr solche Reden mal früher gehalten hättet!)

- Herr Bachmann, das ist so. Sie können dazu eine andere Meinung haben.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: „Wenn ihr solche Reden mal früher gehalten hättet“, habe ich nur gesagt!)

- Sie können dazu eine andere Meinung haben. Aber reden Sie doch nicht dazwischen!

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das ist so ungewöhnlich!)

- Das kommt häufiger vor.

Wir setzen jetzt die Beratungen fort. Bitte, Herr Hillmer!

Meine Damen und Herren, Sprache ist unverzichtbar, und zwar hier in diesem Lande die deutsche Sprache, wenn man an der Gesellschaft teilhaben will und auch an der Gesellschaft teilnehmen will.

(Björn Thümler [CDU]: Eben!)

Deshalb müssen wir den Menschen, die zu uns kommen und häufig nicht ein einziges Wort

Deutsch sprechen, Sprachangebote zur Verfügung stellen. Ich halte uns für dazu verpflichtet.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Almuth von Below-Neufeldt [FDP])

Ich freue mich sehr, dass das inzwischen auch SPD und Grüne so sehen. Das war in den letzten acht Monaten harte Arbeit. Noch im Dezember 2014 haben Sie sich namentlich gegen Sprachförderung ausgesprochen. Sie haben sich im Ausschuss auch mehrfach einer Anhörung widersetzt. Erst mit Flüchtlingsrat und Migrationskommission ist es dann schließlich gelungen, Sie für dieses wichtige Thema zu öffnen.

Uns liegen hier zwei Anträge vor, nämlich der Antrag der CDU aus dem Oktober letzten Jahres und der jetzt von Ihnen eingebrachte weitere Antrag. Damit eröffnen sich zwei Wege. Ich möchte auf die Unterschiede dieser beiden Anträge eingehen.

Die CDU legt Ihnen einen Antrag vor, in dem sie sich dieser Herausforderung stellt und einen sinnvollen, gangbaren Weg beschreibt, gemeinsam mit den Erwachsenenbildungseinrichtungen in Niedersachsen Sprachförderung für Flüchtlinge anzubieten. In unserem Haushaltsantrag hatten wir das auch mit Haushaltsmitteln hinterlegt.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Wie viel denn?)

Ihr Antrag formuliert Prüfaufträge. Ich halte die Prüfaufträge, die Sie dort formuliert haben, für wirkungslos und frage Sie, meine Damen und Herren: Was haben Sie in den letzten Monaten - - -

(Filiz Polat [GRÜNE]: Sie haben die Koordinierungsstellen dafür auf null gekürzt! Fragen Sie einmal im Land- kreis Uelzen nach, was die davon ge- halten hätten!)

Frau Polat, alle haben noch die Möglichkeit, hier zu Wort zu kommen. - Bitte, Herr Hillmer!

Sie haben Prüfaufträge formuliert, und ich frage Sie: Was haben Sie denn in den letzten Monaten gemacht? Sie hatten doch Monate, vielleicht Jahre Zeit, sich mit Prüfaufträgen zu beschäftigen und Lösungen zu erarbeiten. Das hilft nicht.