Als weiteres Gegenargument wird ins Feld geführt, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht - Reziprozität - und die Staaten ihren Staatsangehörigen gegenseitig dieses Recht eingeräumt hätten. Das ist in europäischem Kontext richtig, aber gerade Länder, die mittlerweile eine ähnliche Struktur, eine ähnliche Migrationsgesellschaft, eine multikulturelle Gesellschaft wie Deutschland haben - ich nenne beispielhaft die Niederlande, Belgien oder Irland -, haben dieses Recht auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger eingeführt. Insofern greift auch hier dieses Argument nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Was die Ausschussberatungen angeht, war es eine sehr schöne Erfahrung, dass man aus den Beratungen immer etwas klüger herauskommt, als man hineingeht. Vor allem die Union hatte als Gegenargument angeführt, dass wir einen Flickenteppich verschiedener Regelungen hätten, woraus sich Unterschiede ergäben. Sie werden sich erinnern, wenn Sie an unseren Antrag zurückdenken: Um dem Signal der Union aus Bayern ein wenig entgegenzukommen - die hatte ja pauschal gesagt: Wir gehen den Weg nicht mit -, hatten wir gesagt: Okay, wir wollen den Ländern freistellen - sozusagen eine Bekundung im Sinne des Föderalismus -, selbst darüber zu entscheiden, wie sie damit verfahren wollen.
Daraufhin wurde vonseiten der Union der Vorwurf erhoben, diese Freistellung würde zu einer Verzerrung und in den Ländern zu einer unterschiedlichen Handhabung führen. Eventuell würden Menschen dadurch animiert, nach Niedersachsen zu ziehen, um von diesem Recht Gebrauch zu machen. Ehrlich gesagt: Das ist doch ein Superargument dafür. Stellen Sie sich das einmal vor: ein Wettbewerbsvorteil, ein Standortvorteil „Demokratie und Teilhabe“ vor allem gegenüber Bayern. Herr Olaf Lies ist nicht da, aber ich glaube, ihn hätte es besonders gefreut, meine sehr geehrten Damen und Herren. Insofern greift hier auch dieses Argument nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist ein absolutes Plus für die Veränderungen in diesem Sinne, sehr geehrter Herr Thiele.
Ferner wird uns vorgeworfen, Rot-Grün sei inkonsequent, weil wir auf der einen Seite die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft bewerben und Einbürgerungskampagnen starten, jetzt auf der
anderen Seite aber hiermit kommen. Es ist richtig, dass dies zwei Initiativen sind, die parallel laufen. Sie greifen aber ineinander, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ehrlich gesagt kann ich viele Menschen verstehen, die ihre Staatsbürgerschaft aus Gründen der Emotionalität nicht abgeben wollen. Das müssen sie in diesem Fall aber leider noch tun, weil eine doppelte Staatsbürgerschaft aufgrund des Widerstands der Union nicht möglich ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Was ein Herr David McAllister darf, das sollten auch andere Menschen in diesem Lande dürfen.
In diesem Sinne bin ich sehr froh, dass wir diese Initiative auf den Weg gebracht haben. Sie ist zeitlich auch gut getaktet, weil im Bundesrat bereits eine Debatte dazu läuft. Insofern können wir uns dem voll und ganz anschließen.
- Ich habe Ihren Kommentar nicht verstanden, aber ich hoffe, er war positiv im Sinne eines gedanklichen Umschwenkens.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Das war der Hinweis darauf, dass der Landesvor- sitzende der niedersächsischen CDU kein Drittstaatler ist!)
Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Herr Thiele, wir hören zwar Ihre Zwischenrufe, aber Sie haben sich nicht gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute wiederholt über den Antrag von Rot-Grün, das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einzuführen bzw. eine entsprechende Bundesratsinitiative zu starten sowie die Niedersächsische Verfassung und die Kommunalgesetzgebung zu ändern. Ich darf Ihnen an dieser Stelle sagen: Das Wahlrecht ist ein hohes Gut, das
ein Staat seinen Bürgern einräumt. Wie Staaten mit diesem Wahlrecht umgehen, ist sehr unterschiedlich. Auch in der Europäischen Union wird dieses Thema sehr differenziert diskutiert.
Durch den Maastricht-Vertrag von 1992 wurden mehrere EU-Staaten - darunter natürlich auch Deutschland - verpflichtet, ihre Verfassungen zu ändern. Für Deutschland stellte sich damals auch die Frage: In welcher Form wird das Grundgesetz geändert? Wird das kommunale Wahlrecht den Ländern ermöglichen, EU-Bürger wählen zu lassen oder auch Drittstaatsangehörige?
Meine Damen und Herren, es ist auch schon aus den Beiträgen der Kollegen deutlich geworden: Nicht nur Deutschland, sondern auch andere EULänder haben sich ausschließlich dafür entschieden, das kommunale Wahlrecht nur für EU-Bürger zu ermöglichen. Und das aus gutem Grund: Das Bundesverfassungsgericht hat 1990 entschieden, dass das kommunale Ausländerwahlrecht, das einige Bundesländer eingeführt hatten, verfassungswidrig sei. Das Gericht argumentierte, dass die Bestimmung im Grundgesetz, wonach die politische Macht vom Staatsvolk ausgeht, so zu interpretieren sei, dass damit nur deutsche Staatsangehörige gemeint seien und somit das Wahlrecht auch ausschließlich von diesen ausgeübt werden darf.
Unterschiedliche Auffassungen zu dieser Rechtsprechung haben dazu geführt, dass Wissenschaftler der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder davor warnen, eine Grundgesetzänderung im Hinblick auf eine Wahlrechtsmöglichkeit für Drittstaatsangehörige zu eröffnen, weil dadurch auch das Ansehen der deutschen Legislative Schaden nehmen könnte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, Sie wollen mit Ihrem Antrag erreichen, dass Menschen aus Nicht-EU-Ländern, die dauerhaft in Deutschland und damit auch hier in Niedersachsen leben, am politischen Meinungsbildungsprozess durch Wahlen und Abstimmungen teilnehmen können. Einzige Voraussetzung für das Wahlrecht von Drittstaatsangehörigen soll die Verknüpfung mit einem dauerhaften Aufenthalt sein. Dies, meine Damen und Herren, wird Ihrem eigenen Anspruch auf Integration nicht gerecht.
Denn das Wahlrecht nur an einen Aufenthaltstitel zu knüpfen und unkonditioniert zu verleihen, widerspricht allen Bemühungen, hier lebende Drittstaatsangehörige heimisch werden zu lassen.
Gerade auch Ihr Antrag auf Durchführung einer Einbürgerungskampagne unterstreicht dies; denn wenn diese fruchten soll, haben schon viele in Niedersachsen lebende Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EU-Staaten die Möglichkeit zu wählen. Wenn jemand seit 40 Jahren - wie Sie es in Ihrem Antrag begründen - hier lebt und voll integriert ist, sollte er auch den Wunsch haben, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Warum aber sollte sich jemand einbürgern lassen, wenn er sonst bereits alle Rechte wie z. B. das Wahlrecht besitzt?
Das Wahlrecht minimiert eindeutig - das ist auch wissenschaftlich belegt - das Interesse von Zuwanderern an Einbürgerung. Wenn aber Menschen, die ihren Lebensweg hier bei uns dauerhaft gestalten und auch hier bleiben möchten, daran kein Interesse haben, dann sollte uns dies sehr nachdenklich stimmen. Ich hoffe sehr, dass Ihre Einbürgerungskampagne darüber Aufschluss gibt und wir im Rahmen einer Evaluation Antworten hierzu bekommen.
Es gibt aber auch noch andere Kriterien, die für die CDU eine große Rolle spielen. Andere Länder haben z. B. die Bedingung gestellt, das Wahlrecht für Ausländer davon abhängig zu machen, dass auch die eigenen Staatsangehörigen im Ausland wählen dürfen. Also bilaterale Verträge, die ein Wahlrecht auf Gegenseitigkeit bestimmen. Dies sprechen Sie allerdings nur in der Begründung Ihres Antrags an, nicht aber als Forderung. Das finde ich sehr schade; denn es kann nicht sein, dass unsere im Ausland lebenden Mitbürger dort nicht wählen können. Wer dieses Recht in Deutschland fordert, muss auch in anderen Staaten dafür werben, dass die dort lebenden Deutschen dort auch wählen können.
Auch die Dauer des bisherigen Aufenthalts kann eine Begründung sein - z. B. fünf Jahre Mindestaufenthalt. Andere Länder fordern, dass sich Ausländer in Wählerlisten registrieren lassen, oder es wird sogar gefordert, dass Ausländer eine Erklärung abgeben, in der sie geloben, die Verfassung und das Landesrecht zu achten.
Frau Kollegin, ich wollte keinen Satz unterbrechen. An dieser Stelle darf ich Sie aber unterbrechen. Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Polat?
Nein. - Alle diese Voraussetzungen finden jedoch in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von Rot-Grün, überhaupt keine Erwähnung.
Das aktive und passive Wahlrecht sollte ein verdientes Privileg sein. Es ist per Definition an die Nationalität gekoppelt. Daher sollten nur Staatsangehörige an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen mitwirken.
Möglicherweise erhoffen Sie sich durch die Umsetzung Ihres Antrags Wählerstimmen. Das könnte auch ins Gegenteil umschlagen. Es besteht die Gefahr, dass hier nicht nur Wahlen stattfinden, sondern dass sich auch neue Parteien bilden, die den demokratischen Prozess und die Meinungsbildung in unseren Kommunen erheblich verändern.
Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass die Frage des Wahlrechts für Drittstaatsangehörige auch bei den bisherigen Wahlberechtigten diskutiert wird. Bevor Sie solche gravierenden Entscheidungen hervorrufen, sollten Sie also die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland beteiligen - natürlich auch in Niedersachsen. Sonst reden Sie doch auch immer von Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten. Im Zusammenhang mit dem Wahlrecht für Drittstaatsangehörige habe ich bislang noch nichts davon gehört, dass Sie die Bürger hierzu befragt hätten.
Fragen Sie die niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger, ob sie damit einverstanden sind, dass alle Nicht-EU-Bürger, die hier dauerhaft leben, ein Wahlrecht bekommen!
Gerade hat in Luxemburg eine Abstimmung stattgefunden. Dort haben sich 80 % der Bürger dagegen ausgesprochen.
Sollte tatsächlich irgendwann eine Veränderung des Wahlrechts im Grundgesetz angestrebt werden, erfordert dies eine breite Übereinstimmung - nicht nur eine Zweidrittelmehrheit, sondern auch eine breite Zustimmung der Bevölkerung.
Okay. Aber halten Sie sich bereit; denn Sie haben gleich die Gelegenheit, wenn Sie das wollen, auf eine Kurzintervention des Kollegen Onay zu antworten. - Herr Onay, bitte! 90 Sekunden.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kollegin Jahns, ich bin mir nicht ganz sicher, ob das, was Sie hier so gequält rübergebracht haben, wirklich Ihre eigene Meinung war.
Sie haben ganz zum Schluss eine Umfrage angesprochen. Sie wollen die Bevölkerung befragen, um festzustellen, ob Beteiligung von Menschen hier erlaubt sein soll. Aber welche größere demokratische Beteiligung gibt es denn als Wahlen selbst, nämlich in diesem Fall die Kommunalwahlen?
Sie argumentieren, dass das unkonditioniert geschehen solle. Das stimmt nicht. Wir haben das ganz klar gesagt. Ich bin auch gern zu Kompromissen bereit, wenn die Union vorschlägt, die Grenze auf drei Monate, wie es bei EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern der Fall ist, oder auf fünf Jahre festzusetzen. Hier reden wir aber vor allem über Menschen, die seit Jahrzehnten in unseren Gemeinden leben.