Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

In der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 27. Mai steht:

„Auffällig ist jedoch, dass die Weil-Regierung - anders als das schwarz-gelbe Kabinett nach der Machtübernahme 2003 - in der Startphase kaum Pflöcke bei zentralen Projekten einschlug.“

In der Nordwest-Zeitung von heute steht:

„Start mit angezogener Handbremse. Die Arbeit macht Stephan Weil Spaß … Nur das Tempo in der Landespolitik ist dem früheren Oberbürgermeister manchmal zu hoch.“

Und weiter unten:

„Politik auf Sparflamme. Koalitionäre verweisen darauf, dass die Regierung erst nach der Haushaltsklausur im Juli richtig durchstarten werde.“

Die Welt von heute schreibt:

„Er macht das, wie erwartet, ordentlich, ohne allzu große Akzente zu setzen.“

(Zustimmung bei der CDU)

Und die Neue Presse schreibt heute:

„Das Bohren der dicken Bretter“

- Sie haben es gerade angesprochen, Herr Ministerpräsident -

„jedoch hat noch nicht begonnen. Rot-Grün scheint noch zu überlegen, wo man den Bohrer ansetzen muss.“

In demselben Artikel steht:

„Ideen werden angedeutet, aber es ist ein Suchen.“

Oder auch:

„Doch derzeit ist in vielen Punkten nicht einmal klar, wohin die Reise gehen soll.“

Das ist die Bilanz der Presse zu Ihren ersten 100 Tagen im Amt, Herr Ministerpräsident! Merken Sie etwas? - Da zieht sich ein roter Faden durch, und zwar genau der rote Faden, der Sie schon in Ihrer Zeit als Oberbürgermeister begleitet hat: Ihnen wird eine Kämmerermentalität bescheinigt. Sie

verwalten, aber Sie gestalten nichts in diesem Lande!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das liegt auch an der Art und Weise, wie Sie hier auftreten. In dieser Debatte treten Sie ganz zum Schluss auf, heute Morgen um 8 Uhr haben Sie zunächst mal lieber handverlesenen Journalisten ein bisschen was vorgetragen, und gestern haben Sie sich in ein leeres Fußballstadion gesetzt. - Sie haben Angst vor dem Regieren! Das ist auch an den Ausführungen von Frau Piel deutlich geworden, die gerade gesagt hat: Mir wird Angst und Bange vor den Haushaltsberatungen.

Frau Piel, Sie haben gerade beanstandet, dass Sie einen schwarz-gelben Haushalt abarbeiten müssen. Ich sage Ihnen, warum Sie das müssen: Weil Sie sich verweigern, einen Nachtragshaushalt aufzustellen, mit dem Sie eigene politische Akzente setzen könnten.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Modder, Sie reden hier vom Pfeifen im Walde.

(Johanne Modder [SPD]: Nein, „dicke Backen“ habe ich gesagt!)

Aber Pfeifen im Walde ist es doch, wenn Sie sagen, es läuft gut zwischen den Koalitionspartnern.

(Petra Tiemann [SPD]: „Dicke Ba- cken“ hat sie gesagt!)

Die Wahrheit ist doch, dass es nicht gut läuft, weil Ihre Minister schwere Fehler machen, weil es zu Pannen kommt: Herr Lies fährt durch die Gegend und hat nichts mehr zu sagen, weil er seiner Zuständigkeiten völlig beraubt ist. Gleichwohl verspricht er an allen Ecken und Enden Infrastrukturprojekte, die von den Grünen dann aber gleich wieder einkassiert werden.

(Minister Stefan Wenzel: Wo waren Sie in den letzten Wochen?)

Beim Thema Bahnumgehung Oldenburg streiten Sie sich wie die Kesselflicker. Beim Thema Cannabis-Freigabe schreibt man Briefe hin und her.

Herr Pistorius, der immer unvorbereitet unterwegs ist, weil er seine Akten nicht liest - das wird ganz deutlich -,

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

kassiert mal eben den Südniedersachsenplan ein. Von dem ist heute keine Rede mehr, und dann heißt es: Das habe ich so nicht gesagt. - Inzwischen liegt das Schreiben des Landrats Michael Wickmann vor. Darin heißt es:

„Es war keinesfalls meine Absicht, die wesentlichen Ergebnisse aus unserem Gespräch fehlerhaft wiederzugeben. Vielmehr habe ich nach bestem Wissen und Gewissen in Ausführung eines Kreisausschussbeschlusses das Protokoll der öffentlichen Beschlussvorlage beifügen lassen.“

Das heißt, der Landrat hat Ihnen klar geschrieben, dass das genauso gesagt worden ist und dass er enttäuscht ist, dass Sie davon nichts mehr wissen wollen. Jetzt sagt er: Nun gehe ich davon aus, dass Geld kommt. - Diese Zusage steht aber noch aus, Herr Minister. Sie haben diesem Parlament eindeutig die Unwahrheit gesagt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Sie sollten noch mal in Klausur gehen! - Uwe Schwarz [SPD]: Ein paar Wo- chen Seeluft würden Ihnen guttun!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, das Land hat einen Anspruch darauf, dass es ordentlich und gut regiert wird, auch wenn Sie andere Schwerpunkte setzen wollen als wir. Diesem Anspruch wurden Sie in den ersten 100 Tagen und auch mit der heutigen Rede schlechterdings nicht gerecht.

Ich möchte Ihnen abschließend einen Rat geben: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich glaube, es dürfte inzwischen im ganzen Lande bekannt sein, dass Sie Fan von Hannover 96 sind. Bitte verschonen Sie uns in Zukunft mit Ihren Privatangelegenheiten! Das Turnier zwischen den Fraktionen in diesem Landtag ist weiß Gott nicht das wichtigste Problem, um das Sie sich kümmern müssen!

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD - Petra Tiemann [SPD]: Das war peinlich! - Weitere Zurufe von der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Bode das Wort. Die FDP-Fraktion hat eine Restredezeit von 25 Sekunden. Da der Ministerpräsident seine

Redezeit etwas überzogen hat, gewähre ich Ihnen nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine zusätzliche Redezeit von einer Minute. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Weil, es mag erstaunlich sein: Aber während Sie Zeit zum Fußballspielen oder -schauen hatten, haben andere in diesem Land gearbeitet.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD: Oh! - Wei- tere Zurufe von der SPD)

Herr Weil, ich war schon sehr überrascht, was hier von Ihnen kam. Daraus ergibt sich wieder das gleiche Bild, nämlich dass Ihre Worte und Ihre Taten eklatant auseinanderfallen. Sie reden hier von einer Vision, von Wegen. Dazu kann ich nur sagen: Wo sind die denn? - In der Landesregierung gibt es keinen Ministerpräsidenten, der Richtlinienkompetenz ausübt, sondern es gibt eine große Selbsterfahrungsgruppe, zu der Moderatoren geholt werden, und es findet eine Klausurtagung als großes Happening statt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht Führung, das ist nicht Vision.

Und beim Thema Finanzpolitik stellen Sie sich hier hin und sagen: Ja, wir müssen mit weniger Geld auskommen, und wir müssen an die kommenden Generationen denken. - Sie tun aber genau das Gegenteil! Welche Politik wollen Sie denn zukünftig machen? Was kommt denn dabei für die nachfolgenden Generationen heraus?

Sie wollen die Studienbeiträge abschaffen. Das sind erst mal locker 120 Millionen Euro an Mehrkosten, die von anderen erwirtschaftet werden müssen.

(Johanne Modder [SPD]: Gut ange- legtes Geld! - Anja Piel [GRÜNE]: Wenn das kein Blick in die Zukunft ist! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Glocke der Präsiden- tin)

Bei der Personalpolitik, Herr Tanke, sind Sie wirklich sehr viel weiter als wir: Allein für drei Polizeipräsidenten entstehen Mehrkosten in Höhe von 1 Million Euro.

Im Zuge des Gesamtschulerrichtungsgesetzes müssen 150 Gymnasien abgebaut werden - Kosten, die Sie wahrscheinlich den Kommunen aufdrücken.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)