Wie gesagt: Gesprächsangebote mit einer ultimativen Abstimmung verbinden zu wollen, ist widersinnig und wird mit uns zu keiner Lösung führen.
- Die Diskussion ist wünschenswert, aber wenn alle durcheinander schreien, wird das nicht zu einem Ergebnis führen. Vielleicht kommen wir
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pantazis, mit Ihrem Selbstlob ist keinem Flüchtling hier in Niedersachsen geholfen.
Herr Ministerpräsident - wo auch immer Sie mir zuhören -, ich freue mich sehr, dass Sie den Forderungen der CDU-Fraktion bezüglich der dringend erforderlichen Hilfe und Unterstützung in der Flüchtlingspolitik endlich in weiten Teilen gefolgt sind und sie nun auch ernsthaft umsetzen. Besser spät als gar nicht! Wir haben das heute schon oft gehört. So denken viele Menschen in unserem Land in diesen Tagen. Doch die Folgen Ihrer zögerlichen Regierung sind leider unübersehbar.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist ein großartiges Land. Selbst der Regierungswechsel hat daran nichts geändert.
Dass wir in einem so großartigen Land leben, verdanken wir in erster Linie den Menschen, die sich jeden Tag für dieses Land starkmachen,
so auch der überaus großen Zahl der Ehrenamtlichen, die mit Fleiß und großem Einsatz dazu beitragen, dass die Flüchtlingsströme bewältigt werden können. Hochachtung vor diesem Engagement!
Herr Ministerpräsident, bei aller Freude über Ihre überfälligen Entscheidungen dürfen wir nicht den Blick für die Realität verlieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben September, und die kalten Tage und Nächte lassen nicht mehr lange auf sich warten. Noch verbringen die Flüchtlinge und Asylsuchenden in den Erstaufnahmeeinrichtungen viel Zeit im Freien, draußen in den Grünanlagen, denn es fehlt - - -
- Was hatten Sie gerade gesagt? - Der erste Schnee fällt? - Wissen Sie, ein solcher Zynismus, Frau Polat, gerade von Ihnen, das ist ja unglaublich.
Wissen Sie, wie es ist, wenn man in so engen Verhältnissen leben muss und dann glücklich sein muss, dass man draußen herumlaufen kann und nicht der Regen peitscht?
Wissen Sie, wie schlimm es ist, wenn es kalt wird und diese Möglichkeit nicht mehr besteht? - In den Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es überhaupt keine Aufenthaltsräume. Es gibt keine Sporthallen, in denen sich die Menschen bewegen können. Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten. Ein bisschen Privatsphäre findet man vielleicht im Bett, wenn man ein Tuch darum herum macht. Mehr Privatsphäre gibt es aber nicht! Da wollen Sie mir erzählen, dass das in Ordnung ist, was Frau Polat gerade von sich gegeben hat? - Nein, ganz bestimmt nicht! Das war es nicht.
Wenn wir hören, dass in Friedland an die 4 000 Flüchtlinge untergebracht sind, wo sonst 750 Menschen Platz finden, muss jedem klar sein, wie schwierig die Situation momentan dort ist.
Auch in allen anderen Erstaufnahmeeinrichtungen ist die Situation so. Überall erleben wir unhaltbare Überbelegung.
Herr Minister Pistorius, diese Entwicklung ist seit Monaten zu beobachten. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, wie es kommt, dass EhraLessien heute Erstaufnahmeeinrichtung werden soll, aber noch vor zwei Monaten bei massivem Protest des Flüchtlingsrats in einer Pressemitteilung von Herrn Weber als völlig abwegig und menschenunwürdig hingestellt wurde. Diesen Widerspruch müssen Sie aufklären,
(Jens Nacke [CDU]: Sie haben die zeitliche Verzögerung zu verantwor- ten! Das sind die entscheidenden Monate, die kalten Monate! Das ist ein Kotau nach dem anderen vor den Grünen!)
Von Ende November bis Anfang 2016 werden die Kapazitäten erhöht; so Ihre Ankündigung. Das ist gut. Aber was ist bis dahin? Wo sollen die Menschen bis dahin bleiben, Kinder, Frauen und Schwangere? Was ist denn, wenn die kalte Jahreszeit beginnt?
Was Sie für 2016 angekündigt haben, Herr Ministerpräsident, müsste bereits jetzt vorhanden sein, um annähernd eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten.
Ich bin erschüttert über die Bilder aus den Erstaufnahmeeinrichtungen. Ich bin sehr erschüttert über das, was sich in Friedland abspielt: viel zu wenig Personal in allen Bereichen der Erstaufnahmeeinrichtung, Toiletten, die man unter normalen Umständen sofort schließen würde, Matratzenlager überall, in den Gängen, in den Fluren, im Verwaltungstrakt. Auch dort, wo wir zu Weihnachten den großen Wagen des Weihnachtsmannes aufbauen und Geschenke verteilen, liegen Menschen auf Matratzen. Stundenlanges Warten bei der Essenausgabe!
Aus meiner Sicht sind aber die Wartezeiten bis zur Registrierung der Flüchtlinge sehr problematisch. Momentan beträgt die Wartezeit - in den Erstaufnahmeeinrichtungen unterschiedlich - zwischen vier und acht Wochen; vier bis acht Wochen, ohne zu wissen, wer dort überhaupt angekommen ist, vier bis acht Wochen ohne zu wissen, ob eine infektiöse Erkrankung vorliegt. Denn erst dann erfolgt die erste Untersuchung. Vier bis acht Wochen ohne Taschengeld.
80 % der Flüchtlinge gehen in die Kommunen, ohne dass sie Kontakt zum BAMF hatten. So ist die Situation. Genau das hat Herr Oetjen deutlich gemacht. Das alles hätte nicht diese Dimension erreichen dürfen, meine Damen und Herren.
Herr Weil, Sie haben mit dem Maßnahmenpaket endlich das getan, was längst überfällig war. Doch wer glaubt, dass nun alles damit erledigt ist und man sich entspannt zurücklehnen kann, der irrt. Die nächsten drängenden Herausforderungen liegen in der Integration der anerkannten Flüchtlinge. Dass Ihr Maßnahmenpaket nur ein allererster Anschub ist, muss uns allen klar sein.
So, wie Sie, Herr Minister, eben vom Bund eingefordert haben, dass die finanziellen Leistungen und Förderungen stetig kommen müssen - angepasst an die Zahlen -, so müssen wir doch auch von der Landesregierung erwarten können, dass die finanzielle Sicherung der auf den Weg gebrachten Maßnahmen sichergestellt ist und dass Sie sich nicht wieder wegducken, wenn sich die Zahlen noch erhöhen.
Es ist gut, dass die Unterstützung durch die Ehrenamtlichen so groß ist. Es bedarf aber weitaus mehr hauptamtlicher Unterstützung, um eine Basis für eine gelingende Integration zu schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihr 10-Punkte-Sofortprogramm ist gut, doch an einer Stelle sind Sie weder konsequent noch realistisch. Die Forderung nach rascher Rückführung der abgelehnten Menschen aus dem Westbalkan ist richtig und dringend erforderlich. Doch dass Sie für alle Asylsuchenden den Zugang in die gesetzliche Krankenkasse fordern, kann doch nicht wirklich Teil Ihrer Forderungen sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bitte überdenken Sie das noch einmal!
An dieser Stelle möchte ich einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erstaufnahmeeinrichtungen aussprechen. Sie leisten im Augenblick Unglaubliches unter schwierigsten Bedingungen. Herzlichen Dank dafür!
Ein herzliches Dankeschön aber auch - das wird häufig vergessen - an unsere Polizei! Wir konnten erleben, dass von unserer Polizei sehr viel Solidarität mit Blick auf die Liegenschaften ausgeht, die jetzt für die Flüchtlinge bereitgestellt werden. Das geht natürlich zulasten der Polizei, aber sie zeigt sich solidarisch, und sie leistet im Augenblick an verschiedenen Orten weitaus mehr, als normalerweise möglich ist. Auch dafür ein herzliches Dankeschön!
Ein Dank auch an unsere Ehrenamtlichen, die sich mit Herz und Hand jeden Tag dafür einsetzen und sich den Herausforderungen widmen!
Ich danke aber auch ausdrücklich den Menschen in der Nachbarschaft der Erstaufnahmeeinrichtungen, die schwierige Gegebenheiten mittragen. Bitte, Herr Weil, denken Sie auch an die hohe Belastung dieser Nachbarn! Lassen Sie diese Menschen bitte nicht allein. Da gibt es Sorgen, und da gibt es Ängste. Da dürfen wir nicht wegschauen. Das ist sehr wichtig; denn wenn wir uns auf diesen Weg machen, dann müssen wir alle mitnehmen - auch die Menschen in der Nachbarschaft, die diese hohe Belastung aushalten und mittragen.