Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

(Beifall)

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich der Wissenschaftsministerin, Frau Dr. Heinen-Kljajić, das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der Hochschulen einbringen zu dürfen.

Die Hochschulen sind Orte des zivilgesellschaftlichen Aushandelns und des zivilgesellschaftlichen Agierens. Wenn es noch eines Beweises für diese These bedurft hätte, dann möge man sich bitte anschauen, welche Initiativen und welches Engagement unsere Hochschulen zurzeit im Zusammenhang mit der Unterstützung von Flüchtlingen an den Tag legen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Überall an den Hochschulen in Niedersachsen engagieren sich Studierende, Lehrende sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichermaßen. Ich finde, dieses Beispiel zeigt einmal mehr: Die niedersächsischen Hochschulen nutzen ihre Stärken und übernehmen auch in hohem Maße gesellschaftliche Verantwortung, wofür wir ihnen, glaube ich, alle gemeinsam an dieser Stelle ausdrücklich Dank zollen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Was hat das nun mit der NHG-Novelle zu tun? - Sehr viel, denn wer sich engagiert einbringt und dabei hilft, die Herausforderungen der eigenen Hochschule bestmöglich zu meistern, der soll auch die Möglichkeit erhalten, an der Gestaltung dieser Hochschule aktiv teilhaben zu können.

Deshalb wird die Landesregierung die Demokratisierung der Hochschulen weiter vorantreiben, aber auch die Hochschulautonomie stärken. Beides sind zwei Seiten einer Medaille. Mit wachsender Autonomie wächst auch die Notwendigkeit breiter Beteiligungsstrukturen und -kulturen innerhalb der Hochschulen.

Studierende, Promovierende, Personalvertretungen und Gleichstellungsbeauftragte erhalten mit dieser Novelle neue bzw. zusätzliche Möglichkeiten, sich stärker als bisher an den hochschulinternen Entscheidungsprozessen, insbesondere in den Bereichen Studium und Lehre, zu beteiligen und ihren Anliegen den nötigen Nachdruck zu verleihen.

Aber auch die Senate, sozusagen die Legislative der Hochschulen, erhalten mehr Mitsprache- und Einflussmöglichkeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ein ganz zentraler Punkt dieser Novelle ist die Stärkung der Rechte der Studierenden, die wir eben nicht nur als Nachfrager von Bildungsleistungen verstanden wissen wollen, sondern die wir als Mitgestalter ihrer Hochschulen adressieren.

Dazu haben wir an mehreren Punkten das Gesetz novelliert. So nehmen wir die Option einer Studierendeninitiative in Analogie zum Bürgerbegehren auf. Das heißt, künftig können 3 % der Studierenden einer Hochschule beantragen, dass sich ein Organ der Hochschule hochschulöffentlich mit bestimmten Belangen befassen muss, darüber beraten muss und auch entscheiden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Außerdem können Studierende und Promovierende zukünftig in das Amt eines nebenberuflichen Präsidiumsmitglieds gewählt werden. Das bisherige Gesetz schließt das ausdrücklich aus, weil es nur hauptamtlich Beschäftigte der Hochschulen für dieses Amt vorsieht. Wir kommen hier dem Wunsch der Studierenden nach der Option, dass auch Studierende und Promovierende mit in das Präsidium gewählt werden können, entgegen.

Ferner wird jeder Hochschule die Möglichkeit eingeräumt, eine weitere hauptberufliche Vizepräsidentin bzw. einen weiteren hauptberuflichen Vizepräsidenten für die Bereiche Studium, Lehre und studentische Belange aus dem Kreis der Hochschullehrer zu bestimmen. Auch hier ist die enge Rückkopplung mit den Studierenden insofern gegeben, als die Wahl dieses Vizepräsidenten oder dieser Vizepräsidentin für Studium und Lehre des Einvernehmens mit den Vertretern der Studierenden im Senat und der Studienqualitätskommission bedarf. So ist sichergestellt, dass die Studierenden bei dieser für sie wichtigen Personalentscheidung ein Mitspracherecht haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Neu ist auch, dass Studierende wie Personalvertretung und Gleichstellungsbeauftragte zukünftig das Recht erhalten, an den Sitzungen des Hochschulrates bzw. Stiftungsrates beratend teilzunehmen. Ein Mitglied der Personalvertretung wird zudem in Zukunft dem Senat der Hochschule mit beratender Stimme angehören.

Eine weitere wichtige Verbesserung für die Studierenden stellt die Öffnung des Masterzugangs dar. Wir werden die Grenznote beim Übergang vom Bachelor zum konsekutiven Master streichen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das heißt, ab dem Sommersemester 2016 wird die Bachelornote nur noch bei zulassungsbeschränkten Masterstudiengängen eine Rolle spielen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal an die Studierenden. Gerade Lehramtsstudierende wissen von den Problemen, die mit der bisherigen Regelung verbunden sind, ein Lied zu singen. Wir erhöhen damit auch die Durchlässigkeit zwischen Bachelor und Master und stellen sicher, dass bei nicht ausgelasteten Studiengängen keine Studienplätze freibleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Gesetzentwurf erweitert zudem den Fürsorgeauftrag der Hochschulen auf die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit pflegebedürftigen Angehörigen oder chronischen Erkrankungen.

Längst überfällig ist zudem, finde ich - allemal in Zeiten der Inklusion -, die Einführung einer bzw. eines Beauftragten für die Belange der Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt in Richtung inklusive Hochschule.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ebenso überfällig ist die Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten. Die Gleichstellungsbeauftragten werden zukünftig an allen Hochschulen hauptberuflich beschäftigt werden. Wir sind der Meinung, dass Gleichstellung eine wichtige Maxime kluger Personalpolitik und -entwicklung an den Hochschulen ist. Deshalb werden die Gleichstellungspläne der Hochschulen in Zukunft konkrete Ziel- und Zeitvorgaben für den Abbau von Unterrepräsentanzen enthalten müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ein weiteres wichtiges Anliegen des Gesetzentwurfs ist die Verbesserung der Perspektive des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ich glaube, wir alle in diesem Saal sind uns einig, dass die Befristungspraxis an unseren Hochschulen inzwischen Ausmaße erreicht hat, die nicht mehr hinnehmbar und für die Nachwuchswissenschaftler auch nicht mehr zumutbar sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn man sich die Karrierewege unserer Nachwuchswissenschaftler von einem kurz befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten anschaut, dann stellt man fest, dass das wenig mit einer planvollen Karriere zu tun hat. Das ist sozusagen eher ein SichDurchschlagen durch das Abenteuer „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ und „Zeitverträge“.

Um dieser Praxis der weiter ausufernden Befristungen Einhalt zu gebieten, schreibt der Gesetzentwurf die Sicherstellung guter Beschäftigungsbedingungen in den Aufgabenkatalog der Hochschulen mit konkreter Bezugnahme in der Begründung des Gesetzes zu den Zielvereinbarungen. In den Zielvereinbarungen sind die Hochschulen

allesamt aufgefordert, Befristungen zukünftig an die Mindestdauer einer Promotion oder an die Laufzeit eines Drittmittelprojektes zu binden.

Wirklich durchschlagend - das sei als kleiner Exkurs erlaubt - wären an dieser Stelle allerdings eine mutige Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und die Aufhebung der Tarifsperre gewesen. Leider ist der Entwurf des Bundeskabinetts an dieser Stelle eher halbherzig ausgefallen. Aber wir werden auf Bundesebene an diesem Thema dranbleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als zentralen Baustein zu Beginn einer wissenschaftlichen Karriere führen wir außerdem eine Interessenvertretung der Doktorandinnen und Doktoranden ein, die nach unserer Meinung eine Möglichkeit finden müssen, auch in formalen Verfahren ihre Stellungnahme zu den Belangen, die sie selbst betreffen, abzugeben.

Auch für junge Professorinnen und Professoren haben wir bei der Novelle eine Änderung vorgesehen: Zusätzlich zum Tenure Track bei den Juniorprofessuren - in diesem Zusammenhang ist das vermutlich bekannt - schaffen wir diese Option jetzt auch für befristete Professuren der Besoldungsgruppe W 2. Danach können diese Nachwuchswissenschaftler - selbstverständlich bei einem Nachweis exzellenter Leistungen - ohne Ausschreibung in ein Amt der Besoldungsgruppe W 3 übernommen werden. Das macht, glaube ich, wissenschaftliche Karrieren noch einmal ein Stück weit planbarer und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen, wenn es darum geht, junge Talente für die eigene Hochschule anzuwerben.

Gestärkt werden auch die Rechte der Senate. Es wird zum einen klargestellt, dass der Senat das Letztentscheidungsrecht bei der Abwahl von Präsidiumsmitgliedern hat. Zum anderen gibt es eine Vielzahl von Neuregelungen, die auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 zurückgehen. Hier geht es im Wesentlichen um den Einfluss der Senate an unseren Unikliniken auf die Entwicklungsplanung, den Wirtschaftsplan der Hochschule und die Bestellung, die Amtszeitverlängerung und die Abbestellung sämtlicher Vorstandsmitglieder. Zudem sind zukünftig Mittel für Forschung und Lehre getrennt von Mitteln für die Krankenversorgung zu bewirtschaften.

So weit die zentralen inhaltlichen Punkte dieser Novelle.

Lassen Sie mich zum Schluss noch darauf hinweisen, dass der Titel „Gesetz zur Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der Hochschulen“ auch noch aus einer anderen Perspektive heraus durchaus programmatisch ist: Denn noch nie zuvor war die Kultur der Beteiligung bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zum NHG so breit angelegt wie bei diesem. Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis einer Vielzahl von Gesprächen und Diskussionen mit den Vertretern unterschiedlichster Interessengruppen im Hochschulbereich: von den Studierenden - selbstverständlich - bis zur Landeshochschulkonferenz und von den Gewerkschaften bis zu den Gleichstellungsbeauftragten.

Die im Entwurf enthaltenen Regelungen werden mehrheitlich von den Hochschulen und Verbänden begrüßt. Das ist, glaube ich, nicht selbstverständlich, zumal die Interessen der unterschiedlichen Gruppen bekanntermaßen nicht immer identisch sind. Mancher Änderungswunsch ist auch schlicht und ergreifend an den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen gescheitert - beispielsweise die Forderung der Studierenden und des DGB, eine Viertelparität in den Senaten oder Fakultätsräten einzuführen.

Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass das heute vorgelegte Gesetz die Beteiligungskultur an den Hochschulen stärken und vor allem die Perspektive des wissenschaftlichen Nachwuchses noch einmal verbessern wird.

Ich freue mich auf die Ergebnisse einer konstruktiven Beratung im Ausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Dr. Lesemann das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gute Hochschulen sind Motoren für die nachhaltige und erfolgreiche Entwicklung unserer Gesellschaft. Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle packen wir die anstehenden Herausforderungen an und modifizieren den gesetzlichen Handlungs

rahmen. Ich meine, dass dieser Gesetzentwurf hierzu in vielerlei Weise beiträgt.

Hochschulen müssen von interessengesteuerter Einflussnahme frei sein. Nur so kann Wissenschaft auch kritisch sein. Aber der Staat steht auch in der Verantwortung für die Hochschulen. Autonomie und gesellschaftliche Verantwortung gehören untrennbar zusammen. Und autonome Hochschulen sind nicht ohne innere Demokratisierung möglich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unsere Hochschulen sind aber vor allem auch Lernorte und Arbeitsplätze für sehr viele Menschen. Als Mitglieder der Hochschulen haben sie im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung auch die Aufgabe und Pflicht zur Mitgestaltung an der Hochschule. Wir wollen, dass Demokratie in der Selbstverwaltung stärker als bisher gelebt werden kann.

Ziel dieses Gesetzentwurfes ist demnach die Weiterentwicklung der Hochschulautonomie durch die Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der Hochschulen. Dieses eindeutige Bekenntnis zu Autonomie und Demokratie unterstützt auch die SPD-Fraktion.