Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dazu sieht das Konzept der Landesregierung bisher gar nichts vor. Sie hätten auch Ihre Kultusministerin fragen können, wie es um die Qualitätsverbesserung im Bereich der Kindertagesstätten bestellt ist. Im März 2014 hat die Kultusministerin zu einem Dialogforum zur Qualitätsverbesserung eingeladen. Und was ist seit März 2014 passiert?

(Reinhold Hilbers [CDU]: Nichts!)

Anderthalb Jahre lang ist nichts passiert. Stattdessen hat man festgestellt, dass man sich massiv verrechnet hat, dass man für Kindertagesstätten kein Geld mehr in der Kasse hat. Und genau da machen Sie jetzt den Punkt. Sie haben festgestellt: Es gibt für diese Koalition überhaupt kein Geld mehr für die Qualitätsverbesserung. Deswegen machen Sie das, was Sie immer machen, und zwar in jedem Politikfeld. Sie zeigen wieder mit dem Finger nach Berlin und schreien: Helft uns! Helft uns! Wir sind selbst überfordert. - Das ist der Antrag zur Aktuellen Stunde, den Sie eingereicht haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der CDU: Zugabe!)

Vielen Dank, Herr Försterling.

(Unruhe)

- Wenn wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, hat das Wort für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hilbers. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat das Betreuungsgeld nicht für verfassungswidrig erklärt, sondern es hat die Zuständigkeit bei den Ländern gesehen und nicht beim Bund. Wir haben uns nicht, wie es hier einige dargestellt haben, über dieses Ergebnis gefreut, sondern darüber muss man sich zunächst einmal ärgern, weil es in Niedersachsen ungefähr 45 000 Familien gibt, die davon betroffen sind, und 500 000 in der Bundesrepublik, denen dieses Geld fehlt und für die das ein Rückschlag ist.

(Beifall bei der CDU - Johanne Mod- der [SPD]: Das stimmt nicht! - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das ist falsch!)

Es ist ja wunderbar, dass Sie vor unseren Parteitagsbeschlüssen so viel Respekt haben und dass Sie diese hier zum Anlass nehmen, Aktuelle Stunden damit zu füllen. Das hat mich sehr gefreut, Frau Modder.

(Johanne Modder [SPD]: Weil Sie ein falsches Signal senden!)

Das ist ja eine typische Strategie: Da wird beim Bund irgendwo Geld frei, und jetzt benötigen Sie das Geld, um Ihre Errungenschaften hier finanzieren zu können.

Der Kollege Försterling hat vollständig recht: Die Spielräume zur Qualitätsverbesserung haben Sie dadurch verloren, dass sich Ihre Kultusministerin beim letzten Haushalt um 83 Millionen Euro verrechnet hat. Da mussten Sie nachbessern. Jetzt sind Ihre Spielräume weg, und jetzt brauchen Sie wieder Bundesgeld, um qualitative Verbesserungen auf den Weg zu bringen.

(Johanne Modder [SPD]: Das Geld haben die Kommunen bekommen!)

Nicht einmal die Dinge, für die Sie originär zuständig sind, kriegen Sie mit eigenem Geld geregelt. - Das ist eine schwache Leistung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Betreuungsgeld ist - deswegen haben wir auf dem Parteitag auch diesen Beschluss gefasst - ein Ausdruck der Wahlfreiheit, und wenn der Bund dieses Betreuungsgeld an die Länder gibt, dann sprechen wir uns in aller Deutlichkeit dafür aus, es auch den Familien zu gewähren, die die Kindererziehung selbst in die Hand nehmen und ein ande

res Modell wählen als das der Krippe, das Sie favorisieren.

In diesem Punkt unterscheiden wir uns: Wir schreiben den Familien nicht vor, in welcher Form sie sich organisieren. Beide Modelle sind gleichwertig: das Modell der Krippenbetreuung und das Modell, bei dem sich die Eltern dafür entscheiden, während dieser Zeit zu Hause zu bleiben. - Wenn Sie das ernst nehmen, ist das eine Anerkennung der familienpolitischen Leistung und der Betreuungsleistung in den Familien.

Wir wenden pro Monat ungefähr 1 000 Euro auf, um Krippenplätze zu organisieren. Da ist es ja wohl nicht zu viel verlangt, wenn die Menschen, die sich selbst um ihre Kinder kümmern und die das im Übrigen gut machen - Sie unterstellen ja immer, dass sie es schlecht machen, aber sie machen es in der Regel fantastisch, mit Liebe und mit sehr viel Effizienz -, dafür 150 Euro als Anerkennung erhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Das hat doch keiner unterstellt! Hören Sie auf, die Unwahrheit zu sagen!)

Sie haben das Betreuungsgeld von Anfang an diffamiert, und es ist völlig falsch, dass damit ein Familienmodell zementiert wird. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass sich jemand, der einem Beruf nachgeht, für 150 Euro Betreuungsgeld im Monat dazu entschließt, seinen Beruf aufzugeben oder in dieser Zeit nicht berufstätig zu sein. Das hat überhaupt keine Lenkungsfunktion, das hat eine Anerkennungsfunktion, weil uns beide Modelle gleich wichtig sind.

(Johanne Modder [SPD]: Sie blenden die Realität völlig aus!)

Ihnen ist dieses Modell nicht wichtig, und für Sie ist dieses Modell nicht wertvoll. Das bettet sich nämlich in eine Gesamtdiskussion ein. Am liebsten würden Sie das Ehegattensplitting abschaffen, von dem zu 80 % Familien mit Kindern profitieren - nicht weil die Partner unterschiedlich gute Berufe mit unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten haben, sondern weil sie die Arbeitszeit in der Familie aufteilen.

Wenn man das alles zusammennimmt, wollen Sie gerade diese Familienmodelle nicht. Sie wollen ein Modell, bei dem einzig darauf abgezielt wird, dass die Kinder so früh wie möglich in die Krippe kommen, und mit dem die Wahlfreiheit ausgesetzt wird.

(Johanne Modder [SPD]: Ja! Aus gu- tem Grund!)

Wir stehen für die Wahlfreiheit in diesem Land - das unterscheidet uns -, das stärkt die Familie, und deswegen haben wir die bessere Kompetenz in der Familienpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist auch kein Krippenvermeidungsprogramm. Im Übrigen sind zu unserer Regierungszeit viel mehr Krippenplätze geschaffen worden, als Sie mittlerweile geplant haben.

(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das ist ja wohl nicht wahr!)

- Natürlich! Schauen Sie sich die Zahlen doch an! Das steht sogar in der mittelfristigen Finanzplanung. Dazu müssen wir nur Herrn Schneider, der heute Geburtstag hat, zitieren. Lesen Sie das einmal nach! Sie sollten die Mipla nicht nur benutzen, um sie unters Tischbein zu legen, wenn der Tisch wackelt, sondern Sie sollten gelegentlich auch einmal lesen, was der Minister Ihnen schreibt! Dann werden Sie feststellen, dass das stimmt.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir brauchen uns da wahrlich nicht zu verstecken. Wir haben die Leistungen für die Kommunen für die Krippen auf 52 % der Kosten angehoben, auch um Elternbeiträge zu senken. Wir haben die Beitragsfreiheit für das dritte Kindergartenjahr eingeführt. - Sie reden darüber, wir machen es. Wir haben Sie so lange unter Druck gesetzt, bis Sie die Drittkräfte finanzieren. Das sind unsere familienpolitischen Leistungen. Wir haben uns da überhaupt nicht zu verstecken.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei den GRÜNEN)

Aber ich sage Ihnen auch in aller Deutlichkeit: Die Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern werden wir verteidigen und respektieren, und da werden wir auch keine Kompromisse machen. Wenn Sie glauben - so stellen Sie es ja hin -, dass es ein bildungspolitischer Erfolg ist, wenn die Kinder in der Krippe betreut werden, und dass das Bildungsniveau sinkt, wenn die Eltern die Betreuung übernehmen, dann diffamieren Sie die vielen Eltern in diesem Land, die 45 000 Familien, die das selbst machen und die das ordentlich machen. Das lassen wir uns nicht gefallen, und das lassen die sich im Übrigen auch nicht gefallen!

(Beifall bei der CDU)

Hören Sie damit auf! Werten Sie die Modelle gleich! Zahlen Sie das Betreuungsgeld, wenn Sie es vom Bund erhalten, an die Bürgerinnen und Bürger aus, an die Familien, und halten Sie es nicht mit Ihren klebrigen Fingern für die Dinge fest, für die Sie eigentlich Landesgeld einsetzen müssten!

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat nun Frau Kollegin Julia Willie Hamburg das Wort. Bitte!

(Unruhe)

- Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere auf der rechten Seite dieses Hauses, um ihre ungeteilte Aufmerksamkeit für Frau Kollegin Hamburg bitten.

(Anja Piel [GRÜNE] spricht mit Minis- ter Olaf Lies)

- Auch die Beratungen an der Regierungsbank können vielleicht außerhalb des Plenarsaales fortgesetzt werden. - Vielen Dank.

Bitte, Frau Hamburg!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Hilbers, vielleicht wäre es gut gewesen, wenn Sie Ihre Versprechungen im Zusammenhang mit den Finanzhilfeleistungen und den Erhöhungen in der mittelfristigen Finanzplanung fortgeschrieben hätten. Dann wären bestimmte Defizite gar nicht erst entstanden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wochenlang streiken Erzieherinnen und Erzieher für bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Betreuungsschlüssel. In den Zeitungen werden weitere Streiks angekündigt, und Sie, Herr Försterling und Herr Hilbers, tun so, als sei das gerade in Niedersachsen keine relevante Debatte. Wo waren Sie denn in den letzten Wochen und Monaten?

(Zuruf von Björn Försterling [FDP])

Diverse Studien beschäftigen sich mit der Notwendigkeit einer besseren Betreuungssituation in Deutschlands Kindertagesstätten. Der Betreuungsschlüssel müsse verbessert werden, um eine gute und verlässliche Kinderbetreuung im Sinne des Kindeswohls zu gewährleisten. Landauf, landab diskutieren Medien über die Notwendigkeit von

verbesserten Standards in der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Ob Bund, Land, Kommunen, Eltern, Erzieher und Erzieherinnen, Parteien oder Medien, alle sind sich einig: Es muss sich etwas tun. Nur Herr Försterling und Herr Hilbers sagen, das sei gerade kein relevantes Thema.