Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bley, es gehört wahrscheinlich zur Oppositionsrhetorik, eine Frage so zu beginnen, wie Sie es getan haben. Aber ich glaube, das entspricht nicht den Tatsachen in unserem Lande.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin mir angesichts der vielen und konstruktiven Gespräche sowie der gemeinsamen Zielsetzung, Integration in Arbeit zu ermöglichen, auch nicht sicher, welchen Wert eine negative Darstellung unseres Tuns haben sollte. Ich will das einmal ganz einfach beschreiben. Ich habe die Projekte gerade genannt:

Die Beratung in den Erstaufnahmeeinrichtungen muss noch besser werden und sich an die größere Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden anpassen. Hinzu kommen die Kompetenzfeststellung und die Integration gerade bei Handwerksbetrieben in eine duale Ausbildung. Die Kompetenzfeststellung und Beratung in den Berufsbildungseinrichtungen der Handwerkskammern werden mit ungefähr 1 Million Euro gefördert. Da sind wir Vorreiter in Deutschland.

Insofern ist es ein bisschen schwierig zu beantworten, wenn Sie fragen, was alles schlecht läuft. Bei der großen Herausforderung, der wir uns gerade stellen, sind wir in Niedersachsen zumindest auf dem richtigen Weg, um die Situation besser in den Griff zu bekommen. Viele unserer Modelle finden beim Bund Anklang. Unsere Hoffnung ist, dass damit auch die eine oder andere Förderung verbunden ist. Ich habe vorhin über die Ausstattung der Job-Center und der kommunalen Einrichtungen gesprochen. Wenn es die entsprechende Finanzausstattung gibt und es uns gelingt, unsere Projekte erfolgreich so auszubauen, dass sie dem heutigen Maß an Menschen entsprechen, die als Flüchtlinge und Asylsuchende zu uns kommen, und nicht mehr dem Planungsstand vor etwas mehr als einem halben Jahr, als wir ein Viertel davon hatten, dann sind wir gemeinsam mit Betrieben, Kammern und Verbänden auf einem guten Weg. Ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam so fortsetzen.

Wir geben damit auch ein gutes Bild für Niedersachsen ab. Wir begegnen nicht nur dem Thema Fachkräftemangel in Deutschland. Wir geben auch Menschen, die nach Deutschland und Niedersachsen kommen, eine echte Perspektive. Das ist etwas Positives, was Niedersachsen ausstrahlt. Das sollten wir nach außen auch so betonen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Fragen liegen nicht mehr vor.

Ich rufe jetzt auf

c) Atomkonzerne in Haftung nehmen - Hält der Gesetzentwurf der Bundesregierung, was er verspricht? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4238

Die Frage bringt Frau Staudte ein. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Unsere Dringliche Anfrage lautet: Atomkonzerne in Haftung nehmen - Hält der Gesetzentwurf der Bundesregierung, was er verspricht?

Der Niedersächsische Landtag hat mit Beschluss in der Drucksache 17/2528 die finanziellen Risiken thematisiert, die die Abwicklung der Atomkraft für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bedeutet. Der Landtag forderte mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds für die Rückstellungen der Energiekonzerne, eine Nachschusspflicht, um Kostensteigerungen abzudecken, die Verlängerung der Brennelementesteuer und eine Verbesserung der Haftungsregelungen. Der Bundesrat forderte mit Beschluss in der Drucksache 280/14 vom 10. Oktober 2014 die Bundesregierung auf, ein Konzept zur Minderung der finanziellen Risiken der Abwicklung der Atomkraft für die öffentliche Hand vorzulegen.

Aktuell befindet sich ein Gesetzentwurf zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich in der Beratung, den das Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt hat. Die Haftung der Mutterkonzerne für die AKW-Betriebsgesellschaften soll so auch nach einer Aufspaltung des Konzerns oder Insolvenz der Atomsparten erhalten bleiben.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Änderungen ergeben sich aus dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf im Vergleich zur jetzigen rechtlichen Lage?

2. Ist der vom BMWi vorgelegte Gesetzentwurf zur Nachhaftung geeignet, um die finanziellen Risiken der Atomkraft für die Steuerzahlerin oder den Steuerzahler abzuwenden?

3. Welche weiteren Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung notwendig, um die Risiken für die öffentliche Hand so weit wie möglich zu reduzieren?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet der Umweltminister. Bitte schön, Herr Wenzel!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Nach dem Atomgesetz sind die Atomkraftwerke betreibenden Unternehmen sowohl für die Stilllegung und den Rückbau der Kraftwerke als auch für die Entsorgung der Abfälle verantwort

lich. Soweit das Vermögen der Betriebsgesellschaften zur Erfüllung der Pflichten nicht ausreicht, kommen für die Verpflichtungen die jeweiligen Muttergesellschaften auf, wenn sie mit den Betriebsgesellschaften durch einen Gewinn- und Verlustabführungsvertrag verbunden sind oder sie für die Betriebsgesellschaft eine Patronatserklärung abgegeben haben. Dies ist in der Regel der Fall.

Die derzeitige Rechtslage bietet aber nur begrenzten Schutz für den Fall der Verkleinerung des Haftungsvermögens. So ist gemäß § 303 Aktiengesetz eine konzernrechtliche Nachhaftung der Muttergesellschaften im Fall der Beendigung der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge auf fünf Jahre begrenzt. Das Gleiche gilt im Fall von konzernrechtlichen Umwandlungen wie z. B. der jetzt geplanten Abspaltung von Uniper vom E.ON-Konzern.

Der Zeitraum von fünf Jahren ist für die nach dem Atomrecht in Rede stehenden Verpflichtungen unangemessen kurz. In dem Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums ist daher vorgesehen, eine Nachhaftung der Muttergesellschaften für atomrechtliche Verbindlichkeiten ihrer Töchter auf Dauer festzulegen. Die Haftung soll auch unabhängig davon bestehen, ob zwischen Mutter und Tochter ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag besteht oder bestanden hat oder eine Patronatserklärung der Mutter abgegeben worden ist.

Entscheidend sind allein die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. Die Nachhaftung soll schließlich alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der öffentlichen Hand umfassen.

Noch unklar sind die Festlegungen in § 4. Sie hängen vom Ergebnis der Arbeit der Atommüllkommission ab. Insofern muss dieser Punkt ergebnisoffen formuliert werden.

Zu Frage 2: Der Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums stellt einen wichtigen Beitrag zur Begrenzung der finanziellen Risiken der Atomkraft für die Steuerzahler dar, soweit die Energieversorger versuchen, sich ihrer Haftung durch ihre Atomkraftwerke betreibenden Unternehmen durch konzernrechtliche Umstrukturierungen zu entziehen, wie das bei Vattenfall schon der Fall war und jetzt akut bei E.ON. Er bietet keinen Schutz für den Fall, dass die Mutterkonzerne selbst vermögenslos werden.

Zu Frage 3: Notwendig ist daher der unverzügliche Abschluss des vom Bundeswirtschaftsministeriums in Auftrag gegebenen Stresstests in Bezug auf die Bilanzen der Energieversorger. Dieser wird uns hoffentlich Aufschluss darüber geben, ob und inwieweit die Unternehmen auch längerfristig in der Lage sind, ihren Verpflichtungen zur Stilllegung und zum Rückbau der Atomkraftwerke sowie zur Entsorgung des radioaktiven Abfalls nachzukommen.

Aus dem Ergebnis des Stresstests werden dann umgehend Schlussfolgerungen zu ziehen sein, wie die zur Erfüllung der atomrechtlichen Verpflichtungen erforderlichen Finanzmittel dauerhaft gesichert werden können.

Die die Bundesregierung tragenden Koalitionspartner haben am 1. Juli beschlossen, unmittelbar nach Vorlage des Stresstests eine Kommission einzusetzen, die bis November Vorschläge für die weitere Gesetzgebung vorlegen soll. In der Diskussion sind hier verschiedene externe und interne Fondslösungen. Größte Sicherheit würde die Überführung der Rückstellungen in einen öffentlichrechtlichen Fonds mit Nachschusspflicht bieten.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Frage stellt der Kollege Marcus Bosse. Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Minister Wenzel, wir wissen ja nun, dass Rückstellungen der Energieunternehmen gebildet worden sind. Wie können diese Rückstellungen vor Schwankungen am Finanzmarkt und möglichen Insolvenzen der Energieunternehmen geschützt werden?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die entscheidende Frage ist immer, wie die Vermögenswerte gesichert sind. Sind sie beispielsweise in Form von Unternehmensanleihen gesichert, oder sind sie beispielsweise in Form von Wertpapieren gesichert? Hier wären Anleihen,

beispielsweise Bundesanleihen, wahrscheinlich die sichersten Anlagemöglichkeiten.

Hierbei ist vor allem aber die Frage zu beachten, ob diese Rückstellungen tatsächlich schon zum jetzigen Zeitpunkt vorhanden sind oder, was wahrscheinlich der Fall sein wird, ob diese Rückstellungen sozusagen abgezinst und dann auf einen zukünftigen Wert hin berechnet wurden.

Ein entscheidender Faktor bei dieser Rechnung ist, mit welchem Zinssatz die Rechnung durchgeführt wird. In der Vergangenheit hatten wir ja deutlich höhere Zinsen. In den Bilanzen sind 4, 4,5 bzw. 4,6 % angesetzt worden. Auch bei den Pensionsrückstellungen spielt dies eine entscheidende Rolle. Möglicherweise stellt sich jetzt bei der Prüfung heraus, dass dieser Zinssatz in den Bilanzen viel zu hoch angesetzt wurde. Dann wäre davon auszugehen, dass die Rückstellungen so, wie sie bislang vorbereitet sind, deutlich zu niedrig angesetzt sind. Das wird ein wesentlicher Punkt sein, der meines Erachtens durch das Gutachten von Herrn Bundeswirtschaftsminister Gabriel geklärt werden könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke. - Die nächste Frage stellt Miriam Staudte. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Umweltminister, Sie haben gerade schon selbst den Punkt angesprochen, was ist, wenn die Muttergesellschaften vermögenslos werden. Daher meine Frage: Wer zahlt denn dann, wenn auch der Mutterkonzern insolvent wird?

Herr Minister!

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staudte, zu diesem einen Satz, den ich einführend ausgeführt habe: Wenn der Mutterkonzern selbst vermögenslos wird, also beispielsweise in Konkurs oder in die Insolvenz geht, dann ist am Ende der Steuerzahler der Einzige, der noch die Kosten übernehmen könnte, die für die sichere Lagerung über einen langen Zeitraum hinweg unweigerlich anfallen.

Der eine Punkt, der aus meiner Sicht der Klärung bedarf, ist die Frage, ob z. B. willentlich eine Verkleinerung des Haftungsvermögens dadurch hergestellt werden könnte, dass das haftende Vermögen eines Unternehmens beispielsweise in Form eines Aktiensplittings verringert wird. In diesem Fall bin ich nicht sicher, ob dieser Gesetzentwurf das tatsächlich erfassen würde. Es bleibt aus meiner Sicht ein wichtiger Prüfpunkt, dass eine solche Verringerung des Vermögens ausgeschlossen wird. Man könnte sich sonst nämlich vorstellen, dass gezielt Unternehmensteile gebildet werden, die dann möglicherweise infolge einer Insolvenz die Restkosten auf den Staat und den Steuerzahler übertragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Karsten Becker stellt die nächste Frage. Bitte schön, Herr Becker!

Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie die Atomkraftwerksgesellschaften bei E.ON zukünftig in die Strukturen des Konzerns eingebunden sein werden.

Danke schön. - Herr Minister!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Becker! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Unternehmen E.ON hat vor einigen Tagen mitgeteilt, dass man von den ursprünglichen Plänen Abstand nimmt. Man will die Kernkraftwerke nunmehr in der Muttergesellschaft behalten und hier einen Unternehmensteil unter dem Namen PreussenElektra - diesen Namen kennen wir ja aus der Vergangenheit - gründen, der praktisch unmittelbar Teil der Muttergesellschaft bleibt. Die Ursprungspläne wurden also nach Vorlage des Gesetzentwurfs von Herrn Bundesminister Gabriel geändert. Wie das im Detail am Ende aussehen und zu bewerten sein wird, können wir erst sagen, wenn uns das Unternehmen detaillierte Pläne dazu vorgelegt hat.