Protokoll der Sitzung vom 18.09.2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich auf den gestern am Abend beratenen Tagesordnungspunkt 21, Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2013, zurückkommen. Herr Dürr hat sich bereits für seine Bemerkungen entschuldigt. - Herr Dürr, das ist ehrenwert. Nichtsdestotrotz werden wir Ihnen für Ihre mehrfach geäußerten Zwischenrufe gestern während der Debatte, dass die Ministerin die Hand aufgehalten habe, nachträglich einen Ordnungsruf erteilen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir fahren fort. Ich darf Ihnen mitteilen, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführer darauf verständigt haben, den Tagesordnungspunkt 30 direkt dem Tagesordnungspunkt 27 anzuschließen.

Jetzt rufe ich auf den

Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: 25 Jahre Vollendung der Deutschen Einheit - die Opfer der DDR-Diktatur würdigen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/4178

Zur Einbringung erteile ich das Wort? - Herr Kollege Thümler, das war eine Frage, die ich formulierte. Wir fahnden nach der Wortmeldung.

(Volker Meyer [CDU]: Ich bringe den Antrag ein!)

Bitte, Herr Kollege! Sie haben das Wort zur Einbringung.

Vielen Dank. - Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag „25 Jahre Vollendung der Deutschen Einheit - die Opfer der DDR-Diktatur würdigen“ schließen wir an einen gemeinsam von CDU und FDP gestellten Entschließungsantrag in der Drucksache 16/1853 mit dem Titel „20 Jahre Mauerfall“ aus dem Jahre 2010 an. Jedoch stellt der heute hier vorliegende Entschließungsantrag die Würdigung der Opfer des SED-Unrechtsregimes in den Mittelpunkt seiner Betrachtung.

(Zustimmung bei der CDU)

Zum 25. Mal jährt sich am 3. Oktober 2015 die Wiedervereinigung Deutschlands. Die Vollendung der Einheit unseres Landes war nur möglich, weil mutige Männer und Frauen in der ehemaligen DDR mit ihren Protesten die Voraussetzungen dafür schufen, dass die Berliner Mauer einstürzen konnte.

(Zustimmung bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Für diesen Mut, für die Besonnenheit und für den Willen zur Freiheit sind wir all den Menschen in der ehemaligen DDR zu großem Dank und Respekt verpflichtet.

(Beifall)

Ihr persönlicher Einsatz war es, der der Freiheit zum Durchbruch verhalf und damit zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands für eine friedliche und demokratische Revolution sorgte. Die Spaltung Berlins und die Spaltung Deutschlands war

auch gleichzeitig die Spaltung Europas. Die Mauer trennte mit Beton, Stacheldraht und Selbstschussanlagen einen ganzen Kontinent, aber vor allem trennte sie Familien und Freunde.

Niedersachsen besaß den längsten Teilabschnitt der innerdeutschen Grenze und war daher neben Berlin im besonderen Maße von der Teilung betroffen.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege Meyer! - Ich finde, Sie haben alle Aufmerksamkeit des Plenums verdient, und bitte daher die Kollegen und Kolleginnen, die sich unterhalten möchten, dies außerhalb des Plenarsaals zu tun. - Auch die Beratungen an der Regierungsbank können eingestellt werden. - Vielen Dank. - Bitte!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung ist auch Anlass zum Gedenken an die Opfer und Folgen der deutschen Teilung. Nach bisherigen Erkenntnissen sind bei Fluchtversuchen über 1 000 Menschen zu Tode gekommen. Diese Personen wollten sich ein besseres Leben jenseits der kommunistischen Willkürherrschaft aufbauen und bezahlten diesen Wunsch nach Freiheit mit ihrem Leben.

Dabei sorgte das Ministerium für Staatssicherheit als „Schwert und Schild der Partei“ für den Fortbestand des sozialistischen Unrechtsregimes der DDR. Mit zuletzt mehr als 90 000 hauptamtlichen Mitarbeitern wurden die Menschen im östlichen Deutschland unterdrückt. Das Ministerium für Staatssicherheit war jedoch nicht nur ein Instrument der Unterdrückung demokratischer Bewegungen in der DDR, sondern hatte auch den Kampfauftrag gegen den „Klassenfeind“ in der damaligen Bundesrepublik.

Mit dem Antrag der CDU-Landtagsfraktion in der Drucksache 17/2172 „Einsetzung einer Enquetekommission ‚Verrat an der Freiheit - Machenschaften der Stasi in Niedersachsen aufarbeiten‘“, der dann in der Drucksache 17/2921 zu einem gemeinsamen Antrag weiterentwickelt wurde, haben wir alle uns in diesem Hause uns gemeinsam dazu entschlossen, die Machenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in Niedersachsen aufzuarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Arbeit haben wir gemeinsam begonnen, und sie findet eine große Anerkennung in der gesamten Bundesrepublik Deutschland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesbeauftragte der Stasiunterlagenbehörde, Roland Jahn, würdigt die Einsetzung dieser Enquetekommission als etwas Besonderes, da die Aufarbeitung der Stasivergangenheit damit als gesamtdeutsche Aufgabe anerkannt wird und hierdurch weitere Aktivitäten zur Aufarbeitung der Stasivergangenheit nicht nur in Niedersachsen, sondern in der gesamten Bundesrepublik Deutschland angestoßen werden.

Mit dem uns heute hier zur Beratung vorliegenden Beschlussentwurf wollen wir erstens anlässlich des 25. Jahrestages der Wiedervereinigung die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR würdigen, die sich entschlossen für ihre Bürger- und Menschenrechte eingesetzt haben und sich gegen staatliche Willkürherrschaft gewehrt haben.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Zweitens. Wir wollen feststellen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, in dem es keine freie Wahlen, keine freie Justiz, kein Recht auf freie Meinungsäußerung und es Hunderttausende Opfer durch diese Willkürherrschaft gab.

Drittens. Wir wollen allen Versuchen entschieden entgegentreten, der DDR eine demokratische Legitimation beizumessen, und über den diktatorischen Charakter des DDR-Macht- und Herrschaftsapparats umfassend informieren.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Viertens. Wir fordern, dass besonders die junge Generation verstärkt über die historischen Zusammenhänge und ihre Fortwirkungen aufgeklärt und damit eine glaubhafte Extremismusprävention aufgebaut wird.

Fünftens. Wir wollen auch 25 Jahre nach dem Ende der DDR anerkennen, dass es noch viele SED- und Stasiopfer gibt, die durch unmenschliche Haftumstände und Zersetzungsmaßnahmen traumatisiert sind und unsere Hilfe und Unterstützung benötigen.

Sechstens. Wir wollen die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die medizinische Begutachtung für SED-Opfer verbes

sert, die haftbedingte Gesundheitsschäden erlitten haben.

Siebtens. Wir wollen die Landesregierung auffordern, die Arbeit der Beratungs- und Koordinierungsstelle der SED- und Stasiopfer beim Innenministerium weiter zu fördern und ihre Arbeit zu dokumentieren. Weiter wollen wir die Landesregierung auffordern, eine Initiative zu starten, die es ermöglicht, die Opferrente unabhängig von der sozialen Bedürftigkeit zu zahlen.

Da sich der Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober zum 25. Mal jährt, hatten wir den Wunsch, einen von allen Fraktionen getragenen Antrag hier und heute abschließend beraten zu können. Da uns aber von einigen Fraktionen noch Änderungs - - -

(Renate Geuter [SPD]: Was sagen Sie dazu, dass Ihre Kollegen gar nicht da sind?)

Herr Meyer, bitte fahren Sie fort!

Da uns aber von einigen Fraktionen noch Änderungs- und Beratungsbedarf signalisiert wurde, stimmen wir einer Ausschussüberweisung zu. Wir sollten aber gemeinsam das Ziel haben - so haben wir es auch besprochen -, dass dieser Antrag zügig beraten wird und nach Möglichkeit im OktoberPlenum mit einem gemeinsamen Votum abschließend beraten werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aufarbeitung der Geschichte der DDR bleibt eine elementare Aufgabe. Vor dem Hintergrund des diktatorischen Regimes ist es unsere Aufgabe, die Lebensleistung der Menschen in der DDR zu würdigen. Vor allem müssen wir unserer Jugend ein Bildungsfundament der Geschichte geben, das es stark macht gegen Extremismus und die Gefahren der Zukunft.

Aus dem Mauerfall ist das Vermächtnis erwachsen, dass die Vollendung der Einheit keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir hieran weiter arbeiten müssen und dass er ein Sieg der Sehnsucht nach Freiheit war.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Für die SPDFraktion hat nun Frau Kollegin Schröder-Ehlers das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 25 Jahre deutsche Einheit - das ist wirklich ein Grund zum Feiern. Die friedliche Revolution 1989 war eine Sternstunde der deutschen und auch der europäischen Freiheits- und Demokratiegeschichte. Hunderttausende standen auf, widersetzten sich, begehrten auf gegen staatliche Bevormundung und forderten Freiheit. Sie überwanden eine Diktatur, brachten eine Mauer zu Fall. Eine Mauer, die 28 Jahre gestanden hatte, wurde überwunden und in ihre Einzelteile zerlegt. Ein kleines Stück dieser Mauer habe ich mitgebracht. Es steht sonst immer auf meinem Schreibtisch.

Ich persönlich kann mich noch gut an die Tage im November 1989 erinnern, und es gibt Momente, da läuft mir auch heute noch ein Schauer über den Rücken. Ich kann mich auch noch gut an die Weihnachtstage erinnern. Ich war in Berlin, um eine Verwandte im Krankenhaus zu besuchen, und mir wurden die kleinen Mauerstücke, die ich mitgebracht hatte, förmlich aus der Hand gerissen. Alle, auch die das Bett hüten mussten, wollten so ein kleines Stück von dieser Mauer in Auflösung haben.

Meine Damen und Herren, das waren sehr bewegende Zeiten. Mir haben sie sich ganz, ganz fest ins Gedächtnis eingegraben.

Die Einheit Deutschlands wäre aber nicht möglich gewesen - das will ich in Ergänzung zu dem vorliegenden Antrag sagen - ohne die Entwicklung der Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr;

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)