Protokoll der Sitzung vom 18.09.2015

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließen und zur Ausschussüberweisung kommen kann, und zwar an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Vielen Dank, dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Für eine klare wirklichkeitsnahe Ausrichtung der niedersächsischen Agrarpolitik - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/4181

Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Grupe für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Die Milchpreise sind im Keller, die Ferkelpreise weit unter der Gewinnschwelle. Die wirtschaftliche Situation auf vielen Höfen ist äußerst angespannt, meine Damen und Herren. Die Bauern gehen auf die Straße. Viele Bauernfamilien kämpfen um die nackte Existenz. Seit Jahrzehnten hat es eine solche Demonstration in diesem Ausmaße nicht mehr gegeben, wie wir sie heute in Hannover erleben.

Die Bauern wissen, dass die Politiker nicht die Preise machen können. Dafür demonstrieren sie auch nicht. Sie demonstrieren nicht dafür, dass ihnen die Politik die Preise garantiert. Sie demonstrieren auch nicht dafür, dass die Politik ihnen das unternehmerische Risiko abnimmt. Sie demonstrieren für faire und verlässliche Rahmenbedingungen. Sie demonstrieren dafür, dass langfristig abzuzahlende Investitionen nicht durch kurzfristige

politische Entscheidungen ad absurdum geführt werden.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Sie demonstrieren dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass den in Niedersachsen real existierenden Bauernhöfen nicht durch ideologischbornierte Politikwenden der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Deshalb demonstrieren heute Tausende von Bauern auf den Straßen Hannovers unter dem Motto „Perspektive statt Agrarwende“. Sie beschäftigen sich mit der Politik dieser Landesregierung. Meine Damen und Herren, dann frage ich Sie: Welche Perspektive bietet die Landesregierung für die Zukunft der jungen Menschen in unserer Agrarbranche,

(Beifall bei der FDP - Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Eine ganze Men- ge!)

eine Regierung, die in allen wesentlichen agrarpolitischen Fragen zerrissen und widersprüchlich agiert?

(Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Da haben wir den Ministerpräsidenten - er ist bei dieser Agrardebatte leider nicht anwesend, wie meistens -, der aber

(Zuruf von der CDU: He, he!)

- ich will ihn ja loben - völlig zu Recht darauf hinweist, dass zusätzlich zu der schwierigen Lage an den Weltmärkten mit der Nachfrageschwäche in China die Politik mit dem Russland-Embargo aber ganz massiv in die Märkte eingegriffen hat. Das wirkt sich, wie der Ministerpräsident sehr richtig herausgestellt hat, nach Expertenmeinung mit 3 bis 4 Cent z. B. am deutschen Milchmarkt aus. Das trifft natürlich die Schweinemäster und den gesamten Fleischsektor ganz genauso.

Wenn solche Eingriffe in Märkte stattfinden, meine Damen und Herren, ist es natürlich ein legitimes Anliegen, dass man die Leidtragen die Zeche nicht alleine bezahlen lässt, sondern alle Anstrengungen unternimmt, um die Auswirkungen zu mindern und den Absatz an den Märkten zu fördern.

Auf der anderen Seite kommt aber der Landwirtschaftsminister daher und geißelt diese berechtigten Forderungen als den „Irrweg zu einer billigen Massenproduktion“. Alle EU-Agrarminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben keine Ahnung, genau wie der Ministerpräsident, genau wie der Bauernverband. Da zerrt er als Lösung ausgerechnet die staatliche Mengenregulierung als Patentrezept aus der Mottenkiste. Die gute alte Milchquote in neuem Gewand. Die haben wir Bauern jahrzehntelang auskosten dürfen. Die Politik hat die Quoten im Wesentlichen so gesteuert, dass immer zu hohe Mengen an den Märkten waren. Über die Jahre hinweg können Sie sehen, dass der Milchpreis immer sehr unter Druck stand. Im Jahr 2009 hatten wir einen durchschnittlichen Milchpreis von 24 Cent. Wir haben jetzt 26 bis 27 Cent. Das ist schlimm und ruinös; da gibt es überhaupt keine zwei Meinungen. Aber die Milchquote und die Mengenregulierung haben uns keine besseren Preise gebracht, sondern sie haben im Gegenteil viele Kosten verursacht.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Sie müssen nämlich die Kosten der Milchquote, die Kaufpreise oder Pachtpreise, von den Erlösen abziehen, und dann landen Sie in manchen Jahren - je nach Struktur der Betriebe - unter 20 Cent. Das hat die Milchquote gebracht. Das sind die alten Hüte, die dieser Minister hier wieder „auftischt“. Damit will keiner etwas zu tun.

(Beifall bei der FDP - Gerd Ludwig Will [SPD]: Was wollen Sie denn?)

Dann redet dieser Landwirtschaftsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, von „mehr Qualität statt Massenproduktion“. Meine Damen und Herren, das ist ein bodenloser Skandal.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Nie zuvor hat es auf dieser Welt Lebensmittel von höherer Qualität gegeben, und nirgendwo anders auf der Welt gibt es so hohe Qualitäten wie hier bei uns. Das ist die Beleidigung eines ganzes Berufsstandes, einer ganzen Branche von der Regierungsbank aus.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von der CDU - Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

„Moderne Landwirtschaft“ heißt bei diesem Minister „Agrarindustrie“. „Wirtschaftlich sinnvolle Tierhaltungsgrößen“ - auch im Biobereich, sage ich dazu - heißen bei diesem Minister „Massentierhal

tung“. So wird eine ganze Branche an den Pranger gestellt.

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

Ein Mensch, der Lebensmittel erzeugt, stellt in den Augen dieses Ministers eine Gefahr dar, meine Damen und Herren,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ach, Sie kann man doch nicht mehr ernst nehmen? - Zuruf von Hans-Joachim Janßen [GRÜNE])

und muss deswegen anlasslos kontrolliert werden.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege! - Herr Kollege Grupe, Sie sind wunderbar zu verstehen, aber für uns ist es wirklich schwierig, der Debatte zu folgen. - Herr Kollege Janßen, Sie haben alle Möglichkeiten, sich nachher zu entfalten - hier am Rednerpult, nicht?

(Jörg Bode [FDP]: Bitte nicht!)

Hat der was gesagt? - Das habe ich gar nicht gehört.

Ich darf Sie um Aufmerksamkeit bitten. - Wenn jetzt Ruhe eingekehrt ist, können wir auch fortfahren. - Bitte, Herr Grupe!

Also, wenn du etwas sagen willst, immer gern.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Mensch, der Lebensmittel erzeugt, stellt eine Gefahr dar und muss anlasslos kontrolliert werden. Und wenn er sich gemeinerweise keinen einzigen Fehler nachweisen lässt, dann muss er aber wenigstens die Kontrolle zu drastisch überhöhten Preisen bezahlen. Diese Gebührenordnung, Herr Minister, ist Ihnen ja gerade gestern um die Ohren geflogen.

(Hans-Joachim Janßen [GRÜNE] lacht)

Das Gericht hat festgestellt, dass diese Gebührenordnung rechtswidrig ist.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Was? Können Sie nicht lesen?)

Natürlich darf man Gebühren erheben - darin ist er großer Meister -, aber die Höhe - und das haben

wir Ihnen schon vor Jahren dargelegt -, die teilweise das Zehnfache der am Markte üblichen Preise ausmacht, hat das Gericht gerade gestern für rechtswidrig erklärt. Sie können also die Brocken einsammeln und können es noch einmal versuchen.

(Unruhe)

Der Verband der Tiernahrungshersteller fühlt sich voll und ganz, zu hundert Prozent, in seiner Rechtsauffassung bestätigt, und der Minister hat eine schwere Niederlage erlitten.

(Lachen bei den GRÜNEN - Gerd Ludwig Will [SPD]: In welcher Welt le- ben Sie?)

Insofern können wir darauf hoffen, dass wir vielleicht auf diesem Weg die Interessen durchgesetzt bekommen.

(Beifall bei der FDP und von Björn Thümler [CDU])

Diese Liste ließe sich jetzt, Herr Kollege, unendlich fortsetzen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.