Protokoll der Sitzung vom 18.09.2015

Vielleicht sind einige von diesen Kindern da, die unter diesem Klima zu leiden haben, das auch und gerade Sie, Herr Minister, durch Ihre ständige und unerträgliche Agitation zu verantworten haben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und es sind mit Sicherheit auch und gerade Betriebsnachfolger da, die so gut ausgebildet sind, wie nie zuvor, die eine wirkliche Junglandwirte-Förderung verdient haben, damit sie nämlich die Betriebe weiterführen können, die Sie ja angeblich - aber eben nur angeblich - erhalten wollten, die beispielsweise auch - da denke ich an unsere Haushaltsberatungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und an Ihren Haushaltsentwurf - vernünftig und gut und aktiv beraten werden müssen, wenn sie diese Agrarwende, die Sie ja propagieren, umsetzen sollen.

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Das geht aber nicht, wenn man der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen das Wasser abgräbt, was irgendwann dazu führen wird, dass Außenstellen geschlossen und Mitarbeiter entlassen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind junge Leute, die inzwischen das Vertrauen in das Land - oder konkreter: in die Landesregierung - verloren haben. Aber gerade sie brauchen, wenn sie ihre berufliche und familiäre Existenz aufbauen wollen, Verlässlichkeit, Planungssicherheit und Perspektiven.

Herr Minister, die heutige Demonstration und die Kritik, die dort geäußert wird, werden Sie sicherlich, wie so oft, aussitzen. Aber verlassen Sie sich darauf: Die Bäuerinnen und Bauern kommen wieder - und zwar gemeinsam mit den Handwerkern, mit den Bäckern und Fleischern, mit den Beschäftigten aus der Lebensmittelwirtschaft, mit Gewerkschaftsvertretern und mit den Menschen aus den Dörfern, die Sie in Ihren Planungen zum LandesRaumordnungsprogramm - da bin ich sowieso gespannt, was da jetzt passiert -

(Johanne Modder [SPD]: Warten Sie ab!)

mit lebensfremden Regelungen überziehen werden. Sie alle, Herr Minister, werden wiederkommen!

Aber beim nächsten Mal, Herr Ministerpräsident - der Herr Ministerpräsident ist heute nicht da, aber er wird sicherlich das Protokoll lesen -, nehmen sie eine andere Route. Dann geht es auch an der Staatskanzlei vorbei. Denn der Ministerpräsident trägt die Verantwortung für die Regierungspolitik in diesem Lande, meine Damen und Herren, und wohlfeile Worte nützen da nichts.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Ministerpräsident, Ihr Landwirtschaftsminister Meyer hat weder die fachliche noch die moralische Kompetenz, dieses Amt auszuführen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Beides hat er!)

Halten Sie ihn unter Kontrolle - oder entlassen Sie ihn!

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Herr Kollege HansJoachim Janßen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Grupe, Ihre agrarpolitische Sicht der Dinge hat mit der Wirklichkeit nun absolut nichts mehr zu tun. Das zeigt dieser Antrag in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hermann Grupe [FDP]: Sie ha- ben doch keine Ahnung!)

Ihre These, der Weltmarkt werde es schon richten, ist von der aktuellen Entwicklung bei den Milchpreisen definitiv widerlegt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Ansatz ist einfach blanker Unsinn. Sehen Sie das endlich mal ein!

Sie fabulieren hier von der aktuellen Nachfrageschwäche im Handel mit China. Das ist aber keine aktuelle Nachfrageschwäche, sondern eine Normalisierung der Situation. China hatte einen Milchpulverskandal und hat daraufhin verstärkt Milchpulver in Europa eingekauft. Jetzt sind die Lager voll.

Wenn Sie den Bauern weismachen wollen, das sei nur eine augenblickliche Schwäche, das werde sich alles schon wieder beruhigen, dann streuen Sie ihnen bewusst Sand in die Augen. Glauben Sie ernsthaft, wir können in Deutschland zu einem Preis Milch produzieren, der mit China dauerhaft konkurrieren kann? - Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das glauben.

Meine Damen und Herren, Sie und auch Teile des Landvolks wollen mit den Hinweisen auf China und Russland nur von einer völlig falschen Politik gegenüber Bäuerinnen und Bauern ablenken. Der Preisverfall ist überwiegend eine unmittelbare Folge des Wegfalls der Milchquote. Auch bei Ihrer Rechnung fehlen immer noch über 10 Cent. Sie haben von 4 Cent geredet. Das gestehe ich Ihnen gerne zu. Aber zu 40 Cent besteht ein deutlich größerer Unterschied als 4 Cent!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Hermann Grupe [FDP])

In den letzten vier Jahren hat die Milchmenge in Niedersachsen um 14 % zugenommen. Nur leider trinkt keiner mehr Milch - das ist das Problem -, und das ändert sich noch nicht einmal dadurch, dass die Milch jetzt 5 Cent billiger ist.

Ihnen als angeblicher Marktwirtschaftspartei sollte doch klar sein: Steigende Menge bei stagnierender Nachfrage heißt sinkende Preise. - So einfach ist das, und so einfach ist dann auch die Lösung: Die Menge muss runter. Sie muss der Nachfrage - und zwar im europäischen Binnenmarkt - wieder angepasst werden. Dann steigen auch die Preise wieder.

Wenn wir keine geordnete Mengenreduzierung vornehmen, meine Damen und Herren, sinkt die Nachfrage bei Milch langfristig auch. Die großen Betriebe schlucken die kleinen, bäuerliche Betriebe bleiben auf der Strecke, die kapitalkräftigsten Betriebe überleben. Da von China, vom Russlandembargo und von internationalen Absatzmärkten zu fabulieren, ist nur noch zynisch gegenüber den bäuerlichen Familienbetrieben, die sich Sorgen um ihre Existenz machen. Erklären Sie den Menschen

endlich Ihre wahren agrarpolitischen Absichten, Herr Grupe!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der FDP, aber auch von der CDU: Ihr grundlegender agrarpolitischer Ansatz ist meines Erachtens falsch. Landwirtschaft ist kein marktwirtschaftliches System, wie Sie meinen. Landwirtschaft hängt zu über 50 % am staatlichen Tropf. Flächenprämien und Ausgleichszahlungen sind kein Naturereignis, sondern Ergebnis politischer Entscheidungen - und diejenigen, die das bezahlen, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, fragen nach, wofür die Steuern denn ausgegeben werden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist auch gut so!)

Diese Frage wird von der Gesellschaft gestellt - von einer Gesellschaft, die mehr Tierschutz fordert, die nicht mehr bereit ist, die Umweltauswirkungen der Intensivtierhaltung hinzunehmen und die nicht mehr bereit ist, die Landschaft in ihrer Umgebung als pure Maiswüsten zu erleben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der FDP, wenn wir dann Ihre Antwort geben - mehr Weltmarkt, bloß nicht reinreden in eine angebliche Marktwirtschaft, die keine ist, bloß keine Kritik an den agrarindustriellen Auswüchsen -, dann ist ziemlich schnell die gesellschaftliche Akzeptanz weg und ziemlich schnell auch das Geld. Agrarsubventionen sind Ausdruck eines gesellschaftlichen, eines politischen Willens, Leistungen der Landwirtschaft zu fördern, die über die bloße Produktion von Nahrungsmitteln hinausgeht.

Mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz der Agrarwirtschaft liegt übrigens weder an Minister Meyer noch an uns Grünen insgesamt. Wir haben Landwirte zu keiner Zeit pauschal diffamiert, wie Sie hier immer behaupten.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Das ist Ihre üble Nachrede. Beweisen Sie das einmal!

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Gero Hocker [FDP]: Das ist bei denen an- ders angekommen!)

Was wir allerdings sehr wohl tun, Herr Dr. Hocker: Wir nehmen gesellschaftliche Trends wahr, und wir nehmen sie auf, und wir versuchen im Übrigen auf eine Landwirtschaft hinzuwirken, die eine gesell

schaftliche Akzeptanz erfährt und damit auch noch in 20 Jahren in Niedersachsen Tierhaltung möglich ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn Sie Ihre Politik umsetzen, kann ich Ihnen garantieren, werden wir in 20 Jahren hier keine mehr haben; denn, meine Damen und Herren, es ist eben nicht alles gut in der Landwirtschaft. Wir haben örtlich zu hohe Düngermengen auf den Feldern, Antibiotikaresistenzen sind eine Gefahr, und die Nutztierhaltung ist eben nicht immer artgerecht. Die Menschen in unserem Land wollen Tierschutz, sie wollen Kühe auf der Weide grasen sehen und keine Riesenställe mit 1 000 oder mehr Kühen, wo Weidegang schlicht nicht mehr möglich ist.

Wir setzen die öffentlichen Mittel gezielt dafür ein, die öffentlichen Leistungen der Bäuerinnen und Bauern zu honorieren. Das machen wir mit Tierprämien im ELER und mit dem deutlichen Ausbau der Agrarumweltprogramme statt undifferenziert Stallbaumaßnahmen oder Flurbereinigungen alten Stils zu fördern.

Deswegen treten wir für eine stärkere Umschichtung der Gelder der ersten Säule ein - die ja auch eher eine Landbesitzerprämie geworden ist.

(Glocke des Präsidenten)

Letzter Satz: Ihre Politik, meine Damen und Herren von der FDP, führt große Teile der Landwirtschaft in Niedersachsen in den Ruin.

(Christian Dürr [FDP]: Was?)

Das wollen wir, und das werden wir verhindern!