Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

- Ich beantworte Ihre Frage auch nicht, Herr Seefried.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich sehr gefreut, dass die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden nun zu einer gemeinsam getragenen Lösung geführt haben.

Frau Kollegin Hamburg, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seefried erlauben?

Nein, ich erlaube keine Zwischenfrage. Herr Seefried kann über eine Kurzintervention Stellung zu meinen Fragen nehmen und mir erst einmal diese beantworten.

(Ulf Thiele [CDU]: Doch! Das kann er!)

- Ja, genau! In einer Frage kann er mir aber nicht beantworten, was er zu meiner Frage sagt. Das ist das Problem.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

Es wird nun in diesem Gesetzentwurf erstmals anerkannt, dass die Einführung der inklusiven Schule finanzielle Folgen für die Kommunen hat. Und es werden Vereinbarungen getroffen, wie ein finanzieller Ausgleich erfolgen kann. Das war dringend notwendig. Damit wurde eine von der jetzigen Opposition liegen gelassene Hausaufgabe im Interesse aller bearbeitet.

Gegenstand des heute hier vorliegenden Gesetzentwurfes ist die Erfüllung des Konnexitätsprinzips gegenüber den Kommunen. Zu keinem Zeitpunkt ging es in diesem Gesetzentwurf - das war auch nie die Intention - um den Stellenwert oder den Umgang mit den Schulen in privater bzw. kirchlicher Trägerschaft.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Was wollen Sie denn mit denen machen? Wollen Sie die außen vor lassen?)

Die Aufgaben und auch die Verantwortung, die diese Schulen im Prozess der Weiterentwicklung der inklusiven Schule übernehmen, müssen natürlich deutlich betont werden. Es ist eindeutig so, dass in einigen Förderbereichen die Schülerinnen und Schüler vornehmlich an Privatschulen beschult werden. Es ist also tatsächlich so, dass viele Schulen einen besonderen Beitrag zur Inklusion leisten. Das stellt hier auch niemand infrage. Sie organisieren auch die Mobilen Dienste. Sie arbeiten präventiv und sorgen für einen guten Übergang.

Selbstverständlich gibt es im Rahmen der Weiterentwicklung der inklusiven Schule diesbezüglich zahlreiche Fragen zu klären. Ich sage Ihnen, Herr Seefried, ganz ehrlich: Die Schulen in privater Trägerschaft werden nicht finanziert wie staatlich getragene Schulen. Das wissen Sie ganz genau. Spätestens seit dem Schulgesetz wissen wir, dass das Kulturministerium angekündigt hat, über die gesamte Finanzhilfestruktur mit den Schulen in privater Trägerschaft zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass auch über die Kosten, die durch Inklusion entstehen, in diesem Zusammenhang verhandelt wird und dass sie nicht in einem Gesetzentwurf mit verhackstückt werden können, in dem wir über Konnexität reden. Das, was Sie hier fordern, ist doch gar nicht verfassungsgemäß. Deswegen werden wir Ihren Änderungsantrag ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Überschrift der Gespräche, die geführt worden sind, ist klar. Sie lautet: Klärung der Konnexität. - Hierauf möchte ich mich hier beziehen. Das ist nun wirklich eine originäre Aufgabe zwischen kommunalen Spitzenverbänden, den Kommunen und dem Kultusministerium. Diese wurde - ich habe es bereits gesagt - im Sinne aller Beteiligten beantwortet.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir alle wollen, dass die Inklusion in Niedersachsen gelingt, und wir alle wollen, dass das vorangeht, ohne dass man hier immer diese künstlichen, politisch aufgeladenen Streite hervorholt. Das ist für dieses Thema weder angebracht, noch hilft es bei der Bewältigung der Mammutaufgabe, wie Sie, Herr Försterling, selber gesagt haben.

Ich möchte an dieser Stelle der Landesregierung und auch den kommunalen Spitzenverbänden ganz herzlich dafür danken, dass sie nach einem Ringen in dieser so wichtigen Frage sehr gute Lösungen gefunden haben. Danke Frau Heiligenstadt und Ihrem Hause!

Wir alle schreiben uns die Notwendigkeit dieses Themas auf die Fahnen. Es eignet sich nicht für diesen polarisierenden, parteitaktischen Streit. Hören Sie also auf damit, und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Auf Ihre Rede gibt es die Wortmeldung für eine Kurzintervention. Sie hat der Abgeordnete Seefried, CDUFraktion, angemeldet, dem ich das Wort erteile. 90 Sekunden!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Frau Kollegin Hamburg, gerne hätte ich auf Ihre Frage entsprechend geantwortet, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, Ihnen eine Frage zu stellen. Dann hätten wir das wunderbar aufarbeiten können. Aber dann machen wir das eben wieder über diesen Weg. Das zeigt ein weiteres Mal, dass Fragen bei SPD und Grünen nicht besonders angesagt sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Hamburg, ich hätte gerne von Ihnen gewusst, ob Sie, wenn Sie damals bei der Beratung des Gesetzentwurfes zur Einführung der inklusiven Schule dabei gewesen wären, hätten ausrechnen können, was es an finanziellen Auswirkungen für die Kommunen bedeutet hätte. Die Einführung der inklusiven Schule war damals ein kompletter Neubeginn in Niedersachsen. Sie haben selber beschrieben, dass das ein weitreichender Schritt gewesen ist. Das ist in der Gesamtsumme gar nicht absehbar gewesen. Wir haben viel über bauliche Dinge gesprochen. Heute wissen wir, dass die Jugendhilfe viel, viel mehr kostet als das, was die baulichen Investitionen in den Schulen ausmachen. Das alles erleben wir jetzt in der Praxis.

Weil wir das nicht wussten, haben wir damals den Evaluationszeitraum bis 2017 festgelegt, weil bis dahin fünf Jahrgänge beschult sein würden, um dann über diesen Punkt sprechen zu können. Heute wissen wir, dass an dieser Stelle mehr Geld notwendig ist. Deswegen ist es richtig, dass die Finanzierung auf den Weg gebracht wird, was ich eingangs gesagt habe. Das als Antwort auf Ihre Frage.

Mich interessiert aber Folgendes: Die SPD hat damals diesem Gesetzentwurf zugestimmt. Die Grünen haben sich damals enthalten. Sie haben sich nicht wegen der Konnexität enthalten, sondern Sie haben sich enthalten, weil Sie eigentlich alle Förderschulen abschaffen wollten. Das war die Debatte, die Sie damals geführt haben. Deswegen: Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, stellen Sie alle Schulformen gleich, und folgen Sie unserem Antrag! - Das ist dann vor allem politisch verantwortlich und gerecht.

Das war es, Herr Kollege. Auch hier waren es 90 Sekunden - schon ein paar Sekunden drüber. - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte erwidern. Frau Hamburg, Sie haben für 90 Sekunden die Gelegenheit dazu.

Herr Seefried, natürlich haben wir nicht wegen der Frage der Konnexität gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Es ging um den Prozess, der vorangebracht werden musste. Nichtsdestotrotz haben Ihnen SPD und Grüne vorgerechnet, dass wir davon ausgehen, dass die Konnexität berührt sein würde. Selbst wenn ich es Ihnen nicht genau hätte beziffern können, so hätte ich mit Ihnen doch sehr sicher darum gewettet, dass die Konnexität eindeutig berührt wäre.

Ich glaube, hier besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass es, wenn man so viele Schulen auf die Herausforderungen einer inklusiven Schule vorbereiten muss, so teuer wird, dass Kommunen diese Last allein nicht stemmen können und man das von ihnen auch nicht erwarten kann.

(Unruhe bei der CDU)

- Ich muss nicht reden, wenn Sie mir nicht zuhören wollen!

(Zurufe von der FDP)

- Bitte, Herr Birkner!

Jetzt aber noch einmal zu der anderen Frage. Wir haben uns damals deshalb enthalten, weil wir deutlich mehr Rahmenbedingungen für erforderlich gehalten haben und weil wir der Ansicht waren, dass Sie damals mit Ihrem Antrag auf Inklusion nicht weit genug gegangen sind. Daraus haben wir kein Hehl gemacht. Das ist noch immer unsere Überzeugung. Man kann und konnte den Schulen dabei sehr viel mehr zutrauen. Sehr viele Schulen, die inklusiv arbeiten, sind echte Erfolgsmodelle und rechtfertigen unsere Überzeugung. Ich fühle mich in dieser Ansicht bei meiner Fraktion sehr gut aufgehoben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Mir liegt jetzt noch die Wortmeldung für die Landesregierung vor. Das Wort hat Frau Kultusministerin Heiligenstadt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute die Freude, Ihnen den Entwurf des Gesetzes über finanzielle Leistungen des Landes wegen der Einführung der inklusiven Schule vorzustellen und um Ihre Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzesvorhaben zu werben.

Um dieses Gesetz zu erläutern, lassen Sie mich einen ganz kurzen Blick zurück in die Vergangenheit werfen. Wie Sie wissen, haben wir das Niedersächsische Schulgesetz im März 2012 mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP in Richtung Inklusion geändert. Seinerzeit hatte meine Fraktion diesem Gesetzentwurf zugestimmt, weil wir der Meinung waren, dass man nicht auf dem Rücken von Kindern mit Behinderungen parteipolitische Scharmützel spielen darf, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Viele Verbände haben sich an uns gewandt und gesagt: Das Thema Inklusion eignet sich nicht für diese Auseinandersetzungen. Bitte macht es gemeinsam! - Ich werbe dafür, dass wir das gemeinsam machen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bin noch immer der Meinung, dass es richtig war, es gemeinsam auf den Weg zu bringen.

Heute, meine Damen und Herren, in der Gegenwart, haben wir zwei weitere Erkenntnisse.

Erstens. Heute löst die rot-grüne Landesregierung die damalige, sich aus dem Gesetz ergebende Verpflichtung ein. Mit dem Gesetz folgt das Land nämlich dem Konnexitätsprinzip und kommt seinem Verfassungsauftrag gegenüber den Kommunen nach. Der Entwurf sieht einen finanziellen Ausgleich in einer Größenordnung von zukünftig jährlich insgesamt 30 Millionen Euro vor. Damit lösen wir ein Versprechen ein, das die damalige Landesregierung gegeben, aber leider nicht umgesetzt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Mechthild Ross- Luttmann [CDU]: Der Landtag hat das Gesetz beschlossen, mit Ihren Stim- men!)

Damit lassen wir nicht wie die Vorgängerregierung die Kommunen mit leeren Händen stehen, sondern wir tragen dem Umstand Rechnung, dass die stark belasteten Kommunen in der Tat auch den finanziellen Ausgleich bekommen. Denn es sind doch die

Kommunen, die u. a. diese Lasten zu tragen haben. Über die baulichen Maßnahmen muss ich gar nicht im Detail ausführen. Ich stelle fest: Diese Landesregierung hat im Gegensatz zu der Vorgängerregierung gehandelt und bringt den Kommunen damit Rechtssicherheit, meine Damen und Herren.

Zweiter Punkt. Heute geht die Landesregierung sogar noch darüber hinaus und zahlt den örtlichen Trägern der Sozialhilfe und den örtlichen Trägern der Jugendhilfe zur Förderung des Einsatzes ihres Personals im Zusammenhang mit der inklusiven Schule ebenfalls noch eine jährliche Inklusionspauschale.

Frau Ministerin, ich darf Sie kurz unterbrechen! Sie können gleich fortsetzen. Herr Hillmer möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?

Ich möchte gern bis zum Ende ausführen, Herr Präsident.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Ich habe Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, deutlich gemacht, was wir mit diesem Gesetz regeln. Ich denke, es ist wichtig, dass wir über diesen Tagesordnungspunkt sachlich diskutieren.

Selbstverständlich hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Landesregierung auch die Schulen in freier Trägerschaft im Blick. Selbstverständlich unterstützt diese Landesregierung auch die Schulen in freier Trägerschaft auf dem wichtigen Weg zur inklusiven Schule. Aber - das wissen auch Sie - diese Schulen, oftmals auch in kirchlicher Trägerschaft, unterliegen eben bekanntermaßen ausdrücklich nicht dem Verfassungsgrundsatz der Konnexität. Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland beruht eben auf dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der strikten rechtlichen und organisatorischen Trennung. Dieses einzigartige Prinzip halten im Übrigen auch die Kirchen aufrecht und haben es zu Recht wieder herausgestellt.

So ist es auch folgerichtig, dass wir erst nach Abschluss dieses Gesetzesvorhabens hier im Landtag in die weiteren Verhandlungen sowohl mit den Kirchen wie auch mit den Schulen in freier Trägerschaft bzw. mit den Vertreterinnen und Vertretern

der Schulen in freier Trägerschaft eintreten. Das machen wir genauso, wie es auch in dem Gesetz in Nordrhein-Westfalen geregelt ist. Dort ist auch erst das Gesetz verabschiedet worden und dann hat man entsprechende Gespräche mit den Schulen in freier Trägerschaft geführt. Ich denke, das ist der richtige Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.