Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU hat die Aktuelle Stunde des heutigen Tages mit der rhetorischen Frage überschrieben: Was muss denn noch passieren?
Wenn ich mir die Passivität des Umweltministeriums und des Umweltministers der vergangenen Wochen und Monate vergegenwärtige, dann sage ich Ihnen einen anderen Satz: Es musste offensichtlich so kommen, Herr Minister Wenzel. Das, was in Goldenstedt vor einigen Tagen und vor einigen Wochen passiert ist, ist auch das Ergebnis der zögerlichen Haltung des Umweltministeriums. - Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenken, wenn ich mich direkt an Sie wende.
Ihrer Passivität ist es geschuldet, Herr Minister, dass es in Goldenstedt zu weiteren Nutztierrissen gekommen ist. Ich sage Ihnen: Zieren Sie sich nicht mehr länger, ein verhaltensauffälliges Tier zu entnehmen, zu erschießen! Das ist Ihre verdammte Pflicht als Minister dieses Landes, Herr Minister Wenzel!
Sie loben in Sonntagsreden ja auch - wie viele Politiker das tun - das Ehrenamt. Deswegen sage ich Ihnen ausdrücklich: Das Wolfsmanagement ist in der Vergangenheit bei den Jägern in Niedersachsen in guten Händen gewesen. Da hatten Sie Tausende und Abertausende Männer und Frauen, die sich ehrenamtlich engagiert haben, die Ahnung von dem haben, was sie draußen tun, weil sie regelmäßig in Prüfungen Sachkenntnis und Fachkenntnis beweisen müssen und sich damit übrigens auch wohltuend von vielen selbst ernannten Umweltschützern abgrenzen, die einen Mitgliedsbeitrag in einem Umweltverband bezahlen und sich deswegen „Naturschützer“ nennen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrter Herr Minister, Sie haben dort draußen mit den Jägern viele ehrenamtliche Männer und Frauen, die wissen, wovon sie sprechen. Es ist völlig falsch gewesen, ihnen das Wolfsmanagement zu entziehen und ein behördliches Wolfsbüro einzurichten. Das ist ein sehr großer Fehler gewesen.
Denn man löst damit keine Probleme. Wie weit Sie sich mittlerweile von der Realität verabschiedet haben, zeigt eines: Dieses hauptberufliche, vermeintlich professionelle Wolfsbüro schlägt jährlich mit mehr als 1 Million Euro Steuermitteln zu Buche. Wie viel Gutes hätte man mit diesem Geld für Umwelt und Naturschutz, für Artenvielfalt in Niedersachsen tun können! Sie haben mit dieser Entscheidung demonstriert, wie sehr Sie Maß und Mitte beim Umwelt- und Naturschutz verloren haben, Herr Minister Wenzel.
Was wir zurzeit tatsächlich brauchen, ist zweierlei. Erstens. Wir müssen verhaltensauffällige Tiere entnehmen, schießen können, damit es nicht wieder zu solchen Vorfällen wie in den benannten Regionen kommt. Zweitens müssen jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass man perspektivisch und mittelfristig auch populationsregulierend eingreifen kann.
Wir haben als Landtagsfraktion bereits vor einigen Monaten einen Gesetzentwurf dazu eingebracht, damit auch der Wolf Teil des Jagdrechts wird. Er würde sich in guter Gesellschaft mit Fuchs, Marder, Wildkatze, Iltis, Rot- und Rehwild, Dachs und Elster befinden. Sie sind alle Teil des Jagdrechts. Es gibt überhaupt keine Begründung dafür, warum dieses Recht nicht auch für den Wolf gelten sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich die geschätzten Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dieser Haltung mittlerweile angeschlossen haben. Ich darf eine Pressemitteilung der Kollegen Dött und Schulze vom 4. November anführen, die - das ist ein Zitat - fordern, dass bereits heute die Weichen für eine Regulierung der Wolfspopulation gestellt werden, vor allem mit Blick auf unsere dicht besiedelte Kulturlandschaft.
Ich mache gerne das Angebot, dass wir die Debatte im Umweltausschuss noch einmal eröffnen, gerne auch sozusagen hinter den Kulissen, damit wir dieses offensichtlich doch gemeinsame Ansinnen auf den Weg bringen können. Ich würde mich freuen, wenn wir auch zu Gesprächen kommen könnten, um den Wolf ins Jagdrecht zu überführen, und wenn in diesem Hause endlich die Haltung des sich Zierens abgelegt werden würde.
Gestatten Sie mir einen letzten Gedanken. Herr Minister, das, was Ihre Haltung zum Wolf tatsächlich noch mit Natur- und Tierschutz zu tun hat, müssen Sie mir tatsächlich einmal erklären. In jedem Plenum diskutieren wir, wie breit die Spalten in einem Schweinestall sein müssen, wie viel Milch man von einer Kuh erwarten darf und wie viel Raum ein Huhn braucht, damit das Tierwohl gewährleistet ist. Aber, Herr Minister, wenn Sie es zulassen, dass da draußen ein Schafsbock mit gebrochenen Beinen, mit gebrochenem Genick, mit durchgebissener Kehle manchmal sieben, manchmal acht, manchmal zehn Tage im Graben liegt, ehe man ihn entdeckt, um ihm endlich den Gnadenschuss versetzen zu können, dann scheint das Tierwohl für Sie ganz offensichtlich keine Bedeutung mehr zu haben.
Das ist eine grüne Haltung, die nicht hinnehmbar ist. Ich finde es beschämend, dass Sie es so auslegen, wie Sie es gerade brauchen.
Vielen Dank, Herr Kollege, Dr. Hocker. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Janßen das Wort. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schön, Herr Angermann, dass Sie bereits alles wissen
und insbesondere auch so sicher sind, dass tatsächlich effiziente Wolfsabwehrmaßnahmen durchgeführt wurden. Das vereinfacht die Sache ungemein, auch dass Sie sich augenscheinlich nicht die Mühe machen, die Voraussetzungen für die Entnahme oder Tötung eines Wolfes, die vorliegen müssen, noch einmal nachzulesen. Darum hole ich das jetzt nach.
Die Tötung des Wolfes als streng geschützte Tierart ist bekanntlich nur dann möglich, wenn eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz erteilt wird. Nach Nr. 1 dieses Paragrafen ist das u. a. möglich zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden. Das ist wohl der Passus, der hier am ehesten zutrifft. Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend zu machen, dürfte eher schwierig werden. Dass die Schäden erheblich sind, kann man insgesamt unterstellen. Allerdings ist die tatsächlich nachgewiesene Zahl der betroffenen Schafsrisse deutlich geringer, als von Ihnen genannt und immer wieder kolportiert wird. Sie dürfte unter 50 liegen.
Eine Ausnahme darf aber auch nur dann zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Da stellt sich die Frage, was denn zumutbar ist. Zumutbar ist in der Regel die Errichtung eines wolfsabweisenden Zaunes. Ich denke, da sind wir uns einig.
Da stellt sich die Frage, wie hoch er denn sein darf, um noch zumutbar zu sein. Das muss im Einzelfall betrachtet werden. Es ist zum Beispiel die Frage, ob es ein stationärer oder ein mobiler Zaun ist. Ein stationärer Zaun kann höher sein, ein mobiler kann nicht allzu hoch sein; denn irgendwann wird es schwierig, ihn überhaupt zu händeln.
Letztendlich stellt sich die Frage nach Herdenschutzhunden: Ist das als Auflage zumutbar? - Auch das ist wieder eine Frage des Einzelfalls. Es hängt zum Beispiel davon ab, ob es sich um einen Berufsschäfer mit 500 oder 1 000 Schafen oder um einen Nebenerwerbsschäfer mit vielleicht 50 Schafen handelt.
Wegen des völlig unverhältnismäßigen Aufwands wird der Einsatz von Herdenschutzhunden hier eher nicht zum Tragen kommen. Oder juristisch ausgedrückt: Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts darf eine Alternativlösung zum Abschuss des Wolfes auch dann als unzumutbar verworfen werden, wenn sie sich aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist.
Wie Sie sehen, eröffnet sich hier ein weites Feld unterschiedlicher Einschätzungen in Abhängigkeit von der individuellen Situation vor Ort. Was den wirtschaftlichen Schaden betrifft, so wird er durch Zahlungen des Umweltministeriums für die Betroffenen begrenzt, weil die Mehrheit der Gesellschaft den Schutz und die Rückkehr des Wolfes im Wert höher ansiedelt.
Kommen wir zum Wolf vor Ort. Fakt ist: Mindestens einmal hat die Wölfin in Goldenstedt einen Zaun von 1,05 m Höhe übersprungen, über den eine Litze in 1,40 m Höhe gespannt worden war.
Die übrigen Fälle betrafen nicht oder nicht ausreichend geschützte Schafbestände. Hier kann bislang von regelmäßiger Überwindung ausreichend herdenschützender Maßnahmen nicht die Rede sein.
Aber wir kommen auch an eine Grenze des Zumutbaren. Möglicherweise kann noch nachgerüstet werden, z. B. bei der Höhe der Zäune, beim Einsatz von Herdenschutzhunden dort, wo es zumutbar ist, und bei der Frage der Haltungsart.