Protokoll der Sitzung vom 30.05.2013

Ob die richtige Konsequenz aus den Lebensmittel- und Futtermittelskandalen die Ausweitung staatlicher Kontrolle im Sinne landesstaatlicher Kontrolle ist, bleibt fraglich.

Ich freue mich auf die Debatte.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Sehr gut! Hervorragend!)

Herr Kollege Calderone, das war Ihre erste Rede in diesem Haus. Auch Ihnen darf ich herzlich gratulieren.

(Beifall)

Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Kollege Grupe das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Zielsetzung, Futtermittel- oder Lebensmittelskandale zu vermeiden, gibt es in diesem Haus keine zwei Meinungen. Dass wir alles dafür tun müssen, Lebensmittel so sicher wie möglich zu machen, ist eine unserer herausragendsten Aufgaben.

Meine Damen und Herren, eindeutig klar ist aber auch - darauf wurde eben schon hingewiesen -, dass sowohl der Dioxin- als auch der AflatoxinSkandal - wenn man das denn so nennen will - durch Eigenkontrolle der Wirtschaft aufgedeckt wurden. Verbraucher waren zum Glück zu keiner Zeit gefährdet. Der eben schon zitierte Professor Hensel von dem Bundesinstitut für Risikobewertung hat bezüglich des Aflatoxin-Geschehens von reiner Routine gesprochen.

Meine Damen und Herren, als praktizierender Landwirt kennt man das: Schimmelpilze im Futter waren früher gang und gäbe. Erst heute durch die moderne Landwirtschaft und durch wesentlich bessere Technik ist es möglich geworden, dass wir viel bessere Futterqualitäten haben. Früher waren die Schimmelpilze an der Tagesordnung. Heute ist die Situation viel besser geworden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, insofern ist die Aussage - ich zitiere aus dem Antrag -, es sei dem zügigen Handeln der Landesregierung zu verdanken, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bestmöglich geschützt wurden, völlig unzutreffend und bestenfalls als Selbstbeweihräucherung des Ministeriums einzustufen.

(Wiard Siebels [SPD]: Höre ich da lei- se Kritik, oder was?)

Es gab glücklicherweise keine Gefährdung, vor der man hätte schützen können.

(Wiard Siebels [SPD]: Na ja!)

Statt sachlich auf die vorliegenden Kontrollergebnisse der Milchwirtschaft hinzuweisen, wurde erst durch die Pressekonferenz des Ministeriums für Landwirtschaft die reißerische Schlagzeile „Gift in der Milch“ ausgelöst.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns hier gemeinsam an einem Strang ziehen! Die Lebensmittelsicherheit ist heute so gut wie nie zuvor. Sie noch weiter zu verbessern, sollte wirklich unser gemeinsames Anliegen sein. Eine Skandalisierung und systematische Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher dient diesem Ziel nicht.

Gerechtfertigt werden soll damit offenbar die Absicht - ich zitiere -, „die staatlichen Kontrollen auf allen Ebenen der Lebensmittel- und der Futtermittelproduktion und -verarbeitung und -vermarktung deutlich auszuweiten“. Meine Damen und Herren, mit einem solchen Kontroll- und Bürokratiemonster ist niemandem genutzt. Augenmaß ist hier gefragt und nicht Aktionismus. Die überwältigende Mehrheit der niedersächsischen Landwirte durch solche Aussagen unter Generalverdacht zu stellen, meine Damen und Herren, dagegen wehren wir uns wirklich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von den GRÜNEN: Das macht doch keiner!)

Wir werden das nicht länger hinnehmen. Wenn ich „wir“ sage, dann meine ich: wir Landwirte. Die Schweinehalter haben jetzt damit begonnen, auf einer Internetplattform Informationen unter der Überschrift „Bauernhöfe statt Bauernopfer“ zusammenzustellen. Wir werden darstellen, wie es auf unseren Höfen wirklich aussieht, mit Transparenz und Übersichtlichkeit, und werden versuchen, Vertrauen zurückzugewinnen. Bitte hören Sie auf, diese Betriebe völlig unberechtigterweise immer wieder an den Pranger zu stellen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Vielen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Staudte das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen, die hier gerade angesprochen worden sind, z. B. von Ihnen, Herr Grupe.

Ich glaube, man kann das nicht so stehen lassen. Sie behaupten, wir bräuchten nur mehr Transparenz in den Bauernhöfen und müssten nur unsere Türen öffnen, dann können wir wieder Vertrauen zurückgewinnen. Ich glaube, das ist ein falscher Eindruck. Inzwischen müsste eigentlich jeder wissen, dass wir auch am System etwas ändern müssen.

In dem Antrag, den wir heute hier vorgelegt haben, geht es darum, dass wir nicht punktuell agieren wollen, sondern eine Menge von Punkten erarbeitet haben, die aufeinander abgestimmt sind und systematisch strukturell etwas verändern, sodass diejenigen, die sich an Recht und Gesetz halten, auch wirklich etwas davon haben.

Hier wurde schon an verschiedener Stelle gesagt: Nein, wir dürfen keine Gebühren erheben; denn das wird dann sofort umgelegt. - In der jetzigen Situation haben wir doch so wenige Kontrollen, dass derjenige, der betrügt, derjenige, der wissentlich verunreinigtes Futtermittel in Umlauf bringt, eine ziemlich hohe Chance hat, damit durchzukommen. Diesen Zustand wollen wir dadurch verändern, dass wir mehr Kontrollen gegenfinanzieren, damit der Ehrliche genauso die Möglichkeit hat, so zu wirtschaften, dass er davon leben kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Kollegin Staudte, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dammann-Tamke zu?

Ja, meinetwegen.

Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Kollegin Staudte, Sie haben eben ausgeführt, dass wir Systemveränderungen in Bezug auf die Kontrollen brauchen. Können Sie mir die Frage beantworten, wie vieler zusätzlicher Kontrolleure es bedurft hätte, um wirklich eminente Verbraucherkrisen wie beispielswei

se die BSE-Krise oder die EHEC-Krise zu verhindern? Wie viele zusätzliche Kontrollen hätten das verhindern können?

(Wiard Siebels [SPD]: Komische Frage!)

Es ist absurd, hier nach einer konkreten Anzahl zu fragen. Natürlich gilt: Je mehr Kontrolleure da sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit,

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

dass diejenigen, die produzieren, sich auch an die Gesetze halten. Insofern verstehe ich den genauen Hintergrund Ihrer Frage nicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Clemens Große Macke [CDU]: Also je mehr, desto besser! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sogar die Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die wirklich sehr gut arbeiten, sagen selbst, dass sie noch viel mehr Kapazitäten bräuchten, um den Verdachtsfällen überhaupt in dem eigentlich notwendigen Maße nachzugehen. Deswegen ist es richtig, dass wir auch die Stärkung der Strafverfolgungsbehörden in unseren Antrag aufgenommen haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich glaube auch nicht, dass der Verbraucher und die Verbraucherin sich beschweren würden, wenn tatsächlich solche Kosten umgelegt werden würden. Zumindest in den ersten Tagen unserer Koalition habe ich eher vernommen, dass wir angesprochen worden sind: Da muss sich etwas am System ändern. Wann macht ihr endlich etwas?

Insofern sehe ich den Veränderungen, die mit einer sanften Agrarwende und einer Stärkung des Verbraucherschutzes geplant sind, völlig ohne Bedenken entgegen. Ganz im Gegenteil: Es wird von uns erwartet, dass wir hier etwas ändern.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch einen Satz zu Herrn Calderone. Nach Ihrem Redebeitrag dachte ich gerade schon, Sie seien in der FDP. Sie haben immer wieder wiederholt, viel Staat helfe auch nicht viel. Ich finde, das ist ein sehr seltsames Politikverständnis, das Sie als Politiker hier an den Tag legen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Schönecke gemeldet. 90 Minuten! Bitte schön!

(Heiterkeit und Beifall)

Herr Schönecke, das ist jetzt eine Herausforderung für Sie. - 90 Sekunden!

Frau Präsidentin, ich mache das aus dem Stand.

Liebe Kollegin Staudte, Sie fordern hier als Grüne die totale Kontrolle - für jeden Landwirt einen Kontrolleur. Wie stellen Sie sich das denn eigentlich vor?

(Ronald Schminke [SPD]: Das hat sie doch gar nicht gesagt!)

Wie stellen Sie sich diesen Systemwechsel eigentlich vor? An welcher Stelle wollen Sie denn hier im Land Niedersachsen ansetzen?

Ihnen ist die Zwischenfrage gestellt worden: Hätten wir das denn damit überhaupt verhindern können? - Auch wenn Sie noch mehr Kontrolleure einstellen - auf Landesebene, auf kommunaler Ebene, auf Kreisebene -, werden wir erleben, dass es immer wieder zu Situationen kommen wird, auf die wir neu reagieren müssen.