Protokoll der Sitzung vom 13.11.2015

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 80. Sitzung im 29. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtags der 17. Wahlperiode. Das Präsidium wünscht Ihnen einen guten Morgen.

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Das Plenum ist bereits hervorragend besetzt, sodass ich die Beschlussfähigkeit des Hauses schon jetzt feststellen darf.

Tagesordnungspunkt 33: Mitteilungen des Präsidenten

Meine Damen und Herren, vielleicht aus gegebenem Anlass noch ein Hinweis: Wir sind nicht zuletzt aufgrund der beengten Lage in diesem eigentlich wunderschönen Übergangsplenarsaal besonders sensibel, wenn es darum geht, ob vielleicht Einsicht in unsere Unterlagen, wie auch immer, genommen wird. Das bedarf einer gewissen Disziplin auf allen Seiten.

Ich hatte gestern einen Kameramann, bei dem ich den Eindruck hatte, dass er von hinten in das Plenum hinein gefilmt hat, entsprechend angesprochen. Wir konnten mittlerweile klären, dass dem nicht so gewesen ist, dass es wohl auch technisch gar nicht möglich war, dass aber für bestimmte Einstellungen manchmal bestimmte Positionen bezogen werden müssen.

Auf der einen Seite will ich das also als geklärt betrachten, aber auf der anderen Seite sozusagen als persönliche Geste den Fernsehjournalisten Folgendes anbieten: Wenn Sie dann und wann - wir haben natürlich spannende Debatten und sind daran interessiert, dass wunderschöne Bilder in den Medien von unserer wichtigen Tätigkeit verbreitet werden - für die eine oder andere Einstellung mal da oder dort Position beziehen wollen, wäre ich dankbar, dass über die bestehenden Vereinbarungen hinaus Kontakt zu den Mitarbeitern rechts hinter mir oder zu den Schriftführern aufgenommen wird, damit man - auch die Vizepräsidenten - entscheiden kann, was geht und was nicht geht.

Ich will in dem Zusammenhang gern festhalten, dass die Vereinbarungen, die wir hierzu insgesamt getroffen haben, von den Fernsehjournalisten bislang nicht gebrochen wurden. Dass es einen oder

zwei andere Fälle gegeben hat, haben wir vor einigen Monaten erleben müssen. Aber ich denke, gerade unter den beengten Verhältnissen des Plenarsaals, der zwar schön, aber eben beengt ist, sind gegenseitiges Aufeinanderachten oder Rücksichtnehmen durchaus angesagt.

Wir haben in diesem Plenarsaal jetzt fast Halbzeit, es liegt noch einmal die gleiche Zeitstrecke vor uns, dann geht es hinüber in den neuen Plenarsaal, wo - so denke ich jedenfalls - die Bedingungen für alle noch besser sein werden.

Das wollte ich heute Morgen noch gesagt haben.

Zwei Kolleginnen haben einen Verlust zu beklagen: Es werden dringend ein Handy und eine Brille gesucht.

(Heiterkeit - Thomas Schremmer [GRÜNE] zeigt auf seine Brille)

- Herr Schremmer, es ist nett, dass Sie aushelfen wollen. Aber ich glaube, es ist besser, wenn jeder noch einmal sorgsam guckt, ob sich diese Gegenstände wiederfinden lassen, und sie dann bitte notfalls bei den Pförtnern abzugeben.

Meine Damen und Herren, wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 34, Mündliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 15.45 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer, Herr Onay, mit.

Es haben sich entschuldigt von der CDU-Fraktion Frau Kollegin Mundlos bis 10.45 Uhr, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Scholing sowie von der FDP-Fraktion Herr Försterling ab 11.00 Uhr.

Vielen Dank, Herr Onay.

Meine Damen und Herren, es liegt mir jetzt eine Wortmeldung von Herrn Nacke zur Geschäftsordnung vor. Bitte sehr, fünf Minuten!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern Vormittag, um 9.10 Uhr, sind in diesem Landtag die Dringlichen Anfragen aufgerufen worden. Dazu gehörte als Tagesordnungspunkt 20 a die Anfrage „Illegaler Grenzübertritt von Flüchtlin

gen - Verbesserung der Registrierung - Rechtsstaat wiederherstellen“ von der FDP-Fraktion.

Der Innenminister des Landes Niedersachsen hat dazu diesem Parlament Rede und Antwort gestanden und hat dargestellt, wie aus seiner Sicht die Registrierung verläuft.

Zeitgleich, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat das Innenministerium - um 9.39 Uhr - die Polizeibehörden im Land Niedersachsen angeschrieben und angeordnet, dass 100 Mitarbeiter, 100 Polizeibeamte, am selben Tag bis 16.00 Uhr zu benennen sind, die vom 16. November 2015 bis zum 29. Februar 2016, also nahezu drei Monate, eingesetzt werden sollen, um Flüchtlinge in den Landesaufnahmeeinrichtungen zu erfassen.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist wirklich unglaublich!)

Der Innenminister, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich entschieden, diese Information hier im Parlament nicht mitzuteilen.

(Björn Thümler [CDU]: Unerhört!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass diese Regierung nicht nur darauf achten muss, Unwahrheiten zu vermeiden, sondern auch darauf achten muss, Wahrheiten mitzuteilen. Darauf hat dieses Haus einen Anspruch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir erwarten daher eine Unterrichtung des Innenministers oder auch des Ministerpräsidenten über den Umstand, warum hier der Eindruck erweckt worden ist, dass in den Landesaufnahmeeinrichtungen ganz selbstverständlich alles in Ordnung sei und man nun auf bestem Wege sei, den Kurs zu erreichen, während gleichzeitig entschieden wird, ausgerechnet der Polizei - also ausgerechnet wieder dem Geschäftsbereich des Innenministeriums - Kräfte zu entziehen und damit zulasten der Sicherheit und Ordnung im Land die Erfassung von Flüchtlingen vorzunehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie passt das zusammen mit den Debatten, die wir am 17. September 2015 genau an dieser Stelle geführt haben? Dort hat es ja seitens des Innenministers noch geheißen: Wir als Landesregierung haben allerhöchsten Respekt vor der Arbeit der Polizei in Niedersachsen, und wir als Landesregierung lassen die Polizistinnen und Polizisten sowie

die Beschäftigten bei der Polizei mit ihren Belastungen nicht allein. Und dann entscheiden Sie wenige Monate später, genau diese Kräfte abzuziehen, um Ihre Aufgaben zu erfüllen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen zweiten Punkt, zu dem wir Aufklärung wollen - neben der Frage, warum denn nicht auch einmal andere Fachbereiche, andere Bereiche herangezogen werden, um diese Gesamtaufgabe wahrzunehmen.

(Renate Geuter [SPD]: Das sind sie doch schon lange!)

Ausweislich dieses Schreibens bekommen die Polizeibeamten, die dort eingesetzt werden sollen, eine dreitägige Schulung. Da fragen wir uns zweitens schon, meine sehr verehrten Damen und Herren: Warum schaut dieser Innenminister seit nunmehr nahezu einem Jahr dem Treiben in der Landesaufnahmebehörde zu, wenn es nur drei Tagen bedarf, um Verwaltungskräfte dahin gehend zu schulen, dass sie ordnungsgemäß Flüchtlinge erfassen können? Das ist eine Frage, die an diesem Rednerpult beantwortet werden muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Kommt noch ein Geschäftsordnungsantrag, Herr Kollege? - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Wir wünschen natürlich auch Aufklärung über Folgendes - die GdP hat das gestern schon gesagt; das ist völlig verständlich -; ich zitiere: Für die GdP ist völlig unverständlich, warum eine so weit reichende Maßnahme so überstürzt veranlasst wird. Offen ist bislang auch, wie die Polizei diese Lücken bei der eigenen Aufgabenwahrnehmung stopfen soll und wie die Maßnahme durch andere Verwaltungsbereiche flankiert wird.

(Minister Boris Pistorius betritt den Plenarsaal)

Ja, die Antworten auf diese Fragen der GdP möchten wir auch haben. Sie hätten gestern schon gebracht werden müssen; wir erwarten, dass sie heute hier vorgetragen werden - zumal das Chaos mit der Berichterstattung in der Neuen Presse heute Morgen perfekt wird. Denn dort heißt es, dass es dem Widerstand der Arbeitnehmervertretung zu verdanken ist, dass am Ende nur 50 Polizeibeamte eingesetzt werden. - Auch die Zahlen sind also bislang unklar.

Ich freue mich, Herr Minister, dass Sie inzwischen in den Plenarsaal gekommen sind. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie Klarheit schaffen würden. Es reicht nicht - das will ich gerne wiederholen; damit Sie es auch gehört haben -, an diesem Rednerpult Unwahrheiten zu vermeiden; Sie müssen auch Wahrheiten offen darlegen. Nur so kann Parlamentarismus in einem Land funktionieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Das sind Be- hauptungen! Das ist eine Frechheit! - Weitere Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Herr Nacke. - Ebenfalls zur Geschäftsordnung haben sich Herr Dürr und Herr Tonne gemeldet. Die Reihenfolge können Sie gerne noch untereinander abwandeln. - Herr Dürr, Sie sind dran. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, seit Beginn der Herausforderungen, vor denen das Land Niedersachsen angesichts der Flüchtlingssituation steht, werden wir nicht müde, zu betonen, wie groß die Herausforderungen sind. Einige sagen, es sei die größte Aufgabe seit der Wiedervereinigung, andere nennen weitere Superlative. Herr Ministerpräsident, ich will mich auch an Sie ganz persönlich richten: Wir reden auch ein Stück weit von Vertrauen; es geht darum, wie wir in dieser Frage miteinander umgehen.

Und wissen Sie, worüber ich richtig sauer bin? - Meine Fraktion hat am gestrigen Tage zu genau diesem Thema - nämlich zu der Frage, wie die Registrierung in Niedersachsen läuft, zu der Frage, welche Landesbeamten aus welchen Ressorts abgeordnet werden, damit die Registrierung in den Landesaufnahmebehörden funktioniert - eine Anfrage eingereicht und wollte genau dieses Thema hier debattieren. Wenn dann die Landesregierung schlicht und einfach die Unwahrheit sagt, ist das unerträglich auch mit Blick darauf, dass wir hier von Vertrauen reden, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Und Sie stehen an der Spitze der Bewegung, um das ganz klar zu sagen! Es ist nicht allein der Innenminister verantwortlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herr Innenminister, ich will mich auch an Sie richten: Natürlich waren Sie persönlich am gestrigen Tage in der Auskunftspflicht. Gerade hat Herr Kollege Nacke vorgetragen, dass während der Behandlung unserer Dringlichen Anfrage hier im Plenum, Herr Innenminister, Ihr Haus an die Landespolizei die Order herausgegeben hat, bis zu 100 Polizisten an die Landesaufnahmebehörde zu überstellen. Das ist unerträglich, das will ich deutlich sagen. Sie hätten die Pflicht gehabt, hier die Wahrheit zu sagen. Sie sind nach Artikel 24 der Landesverfassung dazu verpflichtet. Das war ein erneuter Verfassungsverstoß durch diese Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Noch etwas Weiteres wird deutlich. Es wird deutlich, dass sich in Niedersachsen ein einziges Ressort um das Thema Flüchtlingskrise kümmert, nämlich das Innenministerium.

(Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Herr Dürr!)

Es gibt ansonsten null Unterstützung. Sie müssen einmal die Aussagen des Sprechers des Finanzministeriums in der Neuen Presse nachlesen. Er wurde gefragt, ob auch andere Ressorts Unterstützung leisten. Er hat gesagt: Ja, einige. Wie viele könne man zurzeit noch nicht sagen.