Protokoll der Sitzung vom 14.12.2015

(Christian Grascha [FDP]: Ja, zum jetzigen Zeitpunkt!)

Denn die Begründung, die Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, macht deutlich, dass Sie es eigentlich nicht wollen. Sie sprechen dort von - warten Sie, ich muss kurz nachlesen; Sie haben es ja erst zugeschickt - Symbolpolitik und davon, dass dieses Gesetzgebungsvorhaben wenig praktikabel sei.

(Christian Grascha [FDP]: Das sagen die Kommunen!)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie so etwas schreiben, dann wollen Sie es einfach nicht. Aber wir wollen diesen Gesetzentwurf, und wir müssen ihn heute auch beschließen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein Antrag ist nicht ausreichend, um dem Problem Herr zu werden. Wir haben es vor wenigen Wochen erlebt. Da gab es in Hannover ein Verfahren, in dem ein Betreiber im Rahmen eines AGGVerfahrens zu einem Bußgeld verurteilt wurde, obwohl das Siegel, das Sie hier präferieren, schon seit anderthalb Jahren im Umlauf war. Da muss man sich schon fragen, ob es etwas bewirkt hat. Dann brauchen wir keine Evaluation zu machen. Wir wollen heute mit diesem Gesetzentwurf ein klares Signal setzen.

(Christian Grascha [FDP]: Ihnen geht es nur um Signale!)

Wir wollen den Kommunen die Sanktionsmöglichkeiten eröffnen, und wir wollen auch den Betreibern klar sagen: So geht es nicht weiter. Wir setzen hier ein klares Signal. - Das wollen wir mit dem heutigen Beschluss tun.

Zu dem Punkt, den Sie bezüglich der Stellungnahme der Schura angesprochen haben, sage ich Ihnen ganz deutlich, dass dieser Gesetzentwurf umso wichtiger ist. Wir wollen nämlich, dass junge Muslime Diskotheken besuchen und Einlass bekommen - das sage ich hier ganz ausdrücklich -, und zwar alle, die hineinwollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn unser Ziel ist es, dass Muslime und Nichtmuslime gemeinsam feiern. Das ist gelebte Integration. Daran muss uns allen hier gelegen sein.

Herzlichen Dank für das Zuhören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Klein. - Frau König, FDPFraktion, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das vorliegende Gesetz war ein Wunsch der Regierungsfraktionen, einfach etwas auf den Weg zu bringen, um zu zeigen, dass wir gegen Diskriminierung sind. Gerade im Bereich der Diskotheken hat es das eine oder andere Mal wirklich schwarze Schafe gegeben. Dabei ging es um Abweisung. Allerdings muss man das nicht unbedingt in einem Gesetz umsetzen, sondern man kann das viel einfacher machen.

Zumindest wir alle, die hier sitzen, und auch die meisten draußen wissen, dass wir gegen Diskriminierung sind. Natürlich dürfen Menschen nicht wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts ausgegrenzt werden. Auch Behinderte dürfen nicht ausgegrenzt werden. Es darf keine Einschränkungen wie Altersdiskriminierung oder Sonstiges geben. Hier geht es einzig und allein darum, dass die Menschen einer gleichen Behandlung unterworfen werden. Das finde ich richtig, und das ist auch in Ordnung so. Aber ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das einzig und allein dazu dient, den Rechtsanwälten weiterhin Arbeit zu beschaffen

(Christian Dürr [FDP]: Das ist Show!)

und die Gerichte weiterhin zu überlasten, brauchen wir in diesem Land absolut nicht.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Das ist Show!)

Es geht um eine Branche, die 0,75 % der Betriebe ausmacht. Wir sind durchaus in der Lage, die anders zur Ordnung zu rufen.

Ich möchte ein Beispiel aus meiner Stadt nennen, das sich gerade in den letzten Wochen ereignet hat: Da ist ein junger Inder, ein hoch qualifizierter Fachmann eines Dreisternelokals, einer Diskothek verwiesen worden.

Das hat einen sehr großen Rundumschlag, einen großen Aufstand in der Presse verursacht. Wenn wir die Öffentlichkeit wesentlich stärker darüber informieren, bringt das diesen Menschen viel mehr - es wird sensibler aufgenommen, und es wird auch zu einem Umdenkprozess führen -, als wenn wir immer wieder einen Indizientatbestand hervorbringen müssen, der letztendlich scheitern wird.

Denn es gibt immer auch noch andere Gründe, die zu einem Verweis führen können, beispielsweise eine Kleiderordnung oder ein Verhaltungskodex. Wie soll man das denn vor Gericht darstellen, wenn jemand mit Migrationshintergrund den Ansprüchen in diesen beiden Fällen nicht genügt? Wie soll denn jemand beweisen, dass er aufgrund seines Migrationshintergrundes abgewiesen worden ist, wenn der Hintergrund möglicherweise ein völlig anderer war? - Einen solchen Beweis kann man vor Gericht in der Regel nicht unbedingt erbringen. Das ist einfach zu schwierig.

Deswegen bin ich der Meinung, dass das Siegel „Pro AGG! Diese Diskothek unterstützt und respektiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“, das der DEHOGA entwickelt hat, viel mehr bringt, als ein Gesetz in die Welt zu setzen, das aber bei Bußgeldverfahren und mit Blick auf mögliche Verurteilungen nicht erfolgreich ist. Das wird die Ausnahme sein. Es wird ein großer bürokratischer Aufwand erzeugt, der der Sache nicht gerecht wird.

Deswegen bin ich dagegen. Wir lehnen dieses Gesetz ab. Wir wollen den Schutz der Menschen, aber dem können wir nicht in der Form eines Gesetzes Genüge tun.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Onay das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie erlauben, möchte ich mit einem Zitat aus der Goslarschen Zeitung vom 7. März 2003 beginnen. Da heißt es: Den 21. Dezember des vorigen Jahres, also 2002, wird Belit Onay nach seinem Bekunden so schnell nicht vergessen. An diesem Tag will der damals 22-Jährige, gebürtiger Türke und seit 1988 deut

scher Staatsbürger, mit Freunden in das Lokal „Alte Feuerwache“ am Brauhof, doch er wird von einem Türsteher nicht hineingelassen. - Die Begründung, die einem Freund und mir damals entgegengebracht wurde, war, es seien schon zu viele Ausländer im Lokal.

Schon 2003 war dieses Problem nicht neu. Seitdem hat sich leider nicht viel verändert. Sie werden dieses Problem überall in der Republik finden können: in Hamburg, Frankfurt, Berlin,

(Filiz Polat [GRÜNE]: Hannover!)

aber eben auch in Hannover, Göttingen, Braunschweig und anderen Ecken Niedersachsens. Da werden Sie an den Wochenenden immer wieder miterleben können, wie junge Menschen entsprechend angesprochen werden. Meistens heißt es - etwas schleierhaft - immer: „Leider sind wir schon überfüllt“, obwohl daneben immer noch Leute reingehen. Dann heißt es mal wieder: „Nein, heute nur mit Clubkarte“, obwohl sonst niemand eine solche besitzt. Oder es wird ganz offen, wie in meinem Fall, gesagt, es seien schon genug Ausländer drin. Manche Diskobetreiber haben jegliche Scham abgelegt und machen Aushänge, auf denen steht, dass Ausländer nicht willkommen seien.

Junge Migranten, ausländische Geschäftsleute, ausländische Studierende werden immer wieder mit dieser Diskriminierung konfrontiert - jedes Wochenende aufs Neue. Ich als Niedersachse muss sagen: Ich finde diesen Zustand sehr beschämend.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben Spielregeln in unserem Land und in unserer Gesellschaft. Rassismus und Diskriminierung gehören ausdrücklich nicht dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU)

Unsere Werte werden auch im Alltag verteidigt. Alltagsrassismus ist ein Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch an der Diskotür. Wenn eine Gruppe von jungen Leuten am Wochenende zusammen feiern gehen will und einer herausgepickt wird und es heißt: „Nein, du kommst hier nicht rein“: Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, wie es sich für einen 18-, 19- oder 20Jährigen anfühlt, so herausgepickt und stigmati

siert zu werden. Da stürzt für viele eine Welt zusammen.

Herr Schünemann, Sie haben an einer Stelle recht: Auch ich fand die Stellungnahme der Schura - ich will sie nicht weiter bewerten - etwas seltsam. Aber stellen wir uns einmal vor, die Schura hätte genau das Gegenteil geschrieben und alle aufgefordert: „Liebe junge Muslime, geht in die Diskotheken!“ Dann wäre es, befürchte ich, noch schlimmer gekommen; denn sie kommen ja nicht rein! Genau das ist das Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Aber es ist doch keine Alternative, zu sagen, dass sie zu Hause bleiben sollen!)

- Wir wollen ja gerade nicht, dass sie zu Hause bleiben, Herr Dürr. Sie sollen ja reinkommen. Das ist der Fakt.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, eben!)

Herr Schünemann, Sie haben das Siegel angesprochen. Das Siegel in allen Ehren, und auch den DEHOGA habe ich in dieser Phase immer als sehr kooperativ kennengelernt - ich habe ja schon damals als Ratsherr zusammen mit dem heutigen Ministerpräsidenten und damaligen Oberbürgermeister in Hannover, Herrn Stephan Weil, sehr gegen diese Art der Diskriminierung gekämpft -, aber die Freiwilligkeit hat nicht viel gebracht. Das sehen wir heute. Vor einigen Tagen stand ja wieder ein Fall in der HAZ.

(Christian Dürr [FDP]: Aber daran än- dert der Gesetzentwurf nichts!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Evaluation können Sie jedes Wochenende hier in Hannover, in Braunschweig und in anderen Städten erleben,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

wenn Sie Gruppen junger Leute fragen: In welche Diskotheken kommen denn Leute mit schwarzen Haaren oder sogenannte Schwarzköpfe rein? - Super peinlich!

Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat leider in den letzten neun Jahren nicht allzu viel bewirken können. Schauen Sie sich doch an, wie viele Fälle erfolgreich aufgeklärt werden konnten! Zuletzt hat ein Anwalt in eigener Sache sein Recht gesucht und es glücklicherweise auch gefunden.

Aber mit dieser neuen Regelung haben auch die Ordnungsämter - das ist der entscheidende Unterschied - eine Möglichkeit, zu handeln. Bei den Testings bestand nämlich bisher immer das Problem, dass die Gerichte zwar anerkannt haben, dass es eine Diskriminierung gibt, aber sie haben keinen Schaden anerkannt. Der ist ja nicht entstanden, weil Ziel des Testings ja war, nicht hineinzukommen, damit bewiesen wird, dass Rassismus geschieht. Insofern war immer die Schwierigkeit, dass daraus nichts erwachsen konnte.

Aber jetzt, wenn wir dies als Ordnungswidrigkeit in das Gaststättengesetz aufnehmen, gibt es die Möglichkeit, damit umzugehen. Insofern bedanke ich mich ganz herzlich namentlich - stellvertretend für die Landesregierung - bei Herrn Wirtschaftsminister Olaf Lies für diese Gesetzesinitiative. Lieber Olaf Lies, wenn wir das nächste Mal zusammen feiern, gehen die Getränke auf mich.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)