Protokoll der Sitzung vom 14.12.2015

(Uwe Schwarz [SPD]: Anscheinend nicht!)

- Aber selbstverständlich doch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei vielen Entweichungen und der damit im Zusammenhang stehenden Aufarbeitung dieser Vorfälle wurde deutlich, dass bei der polizeilichen Fahndung nach den Entwichenen oftmals keine aktuellen Fahndungsfotos vorliegen. Dies ist aus unserer Sicht unverantwortlich und muss dringend geändert werden.

Wie problematisch es mit dem Vorhandensein freiwilliger Fotos ist, wird auch an der Tatsache deutlich, dass unsere Frage im Rahmen der Unterrichtung zur letzten Flucht in Breul, ob bei der Polizei zur Fahndung aktuelle Fotos vorlagen, bis heute nicht beantwortet wurde. So bleibt auch hier der Verdacht, dass - wie der Polizeisprecher am Fluchttag mitteilte - keine aktuellen Fotos vorlagen.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei der Polizei für ihren Einsatz bedanken, dass es ihr dennoch gelungen ist, den Entwichenen kurzfristig wieder festnehmen zu können.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie dringend notwendig die von uns vorgeschlagene Gesetzesänderung ist, wird auch in den Worten des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Herrn Dietmar Schilff, deutlich, der bereits im Juni dieses Jahres die Landesregierung aufforderte, eine entsprechende Regelung zu schaffen. Selbst Frau Ministerin Rundt ließ über dpa im Juni 2015 und in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage verlautbaren, dass es hier eine Regelungslücke gibt und eine gesetzliche Regelung geschaffen werden muss.

Aber was ist hiervon geblieben? - Frau Sozialministerin Rundt und die Regierungsfraktionen lehnen unseren Gesetzentwurf ab und nehmen diese offensichtliche Regelungslücke billigend in Kauf. Das ist unverantwortlich!

(Beifall bei der CDU)

Zugunsten der untergebrachten Personen vernachlässigen Sie das Schutzbedürfnis der Bevölkerung und der Bediensteten im Maßregelvollzug. Dieses Werteverhältnis sollten Sie dringend überdenken.

Im letzten Gesetzgebungsverfahren zum Maßregelvollzugsgesetz ist deutlich geworden, dass wir es waren, die sich nicht nur ernsthaft im Interesse der untergebrachten Personen und der Bediensteten im Maßregelvollzug für ein modernes Maßregelvollzugsgesetz eingesetzt haben, sondern wir waren es auch, die sich darüber hinaus für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzten.

Sie sollten sich einmal fragen. Warum haben 11 von 16 Bundesländern eine solche Regelung in ihrem Maßregelvollzugsgesetz? - Ich kann Ihnen die Antwort geben: Sie erheben die Daten vorsorglich, um im Falle der Entweichung aktuelle Fotos für die Fahndung zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist auch in Niedersachsen aus unserer Sicht unbedingt erforderlich.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, ich habe Ihnen in meinen Ausführungen deutlich gemacht, warum diese Gesetzesänderung unbedingt erforderlich ist. Frau Ministerin, lassen Sie Ihren Worten endlich Taten folgen, und lassen Sie sie nicht zu leeren Worthülsen werden! Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu, schließen Sie damit eine offensichtliche Gesetzeslücke, und kommen dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung nach!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Meyer. - Es hat sich Dr. Christos Pantazis von der SPD-Fraktion gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Meyer, bei aller Liebe - wenn man sich den Verlauf der Debatte, die wir geführt haben, seitdem Sie den Gesetzentwurf eingebracht haben, vor Augen führt respektive

wenn man sich den Vorfall in Brauel genauer anschaut, kommt man zu dem Ergebnis: In der Regel haben wir in den Ausschussberatungen zugehört und Sie offensichtlich nicht.

Denn eines ist ganz klar - darauf möchte ich vorneweg eingehen -: Die Unterrichtung hat seinerzeit erbracht, dass kein Personalmangel vorlag, dass die Schichten regulär besetzt waren - es war sogar ein Kollege des Sicherheitsdienstes vor Ort -, dass definitiv keine Überbelegung vorlag, dass keine Sicherheitslücken vorlagen, dass aktuelle Fotos vorlagen und dass eine kontinuierliche Schulung und Fortbildung des Personals stattgefunden hat.

Und nicht nur das! Die Landesregierung hat schon im Verlauf dieses Jahres darauf reagiert, indem es in diesem Bereich zu einer Personalaufstockung um 54 Stellen gekommen ist. Außerdem sind bauliche Maßnahmen in erheblichem Ausmaß durchgeführt worden. Wenn ich ganz ehrlich bin: Reden Sie hier also nicht wider besseres Wissen!

(Zustimmung bei der SPD)

Fangen wir hinsichtlich der Historie an! Wenn Sie sagen, Sie kümmern sich sowohl um die Bevölkerung als auch um die Beschäftigten als auch um die sich im Maßregelvollzug befindenden Patienten oder Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen - genau das ist die Äußerung, die seinerzeit bei der Unterrichtung durch den Landesausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung vonseiten Herrn Dr. MayerAmberg gefallen ist -, dann wissen Sie ja: Entsprechend der Koalitionsvereinbarung haben wir nach zweieinhalb Jahren des Stillstandes das Maßregelvollzugsgesetz angepasst und Rechtssicherheit hergestellt, indem wir die Novellierung in der Hinsicht beraten haben und im Mai durch einen einstimmigen Beschluss herbeigeführt haben.

Im Rahmen dieser Beratungen haben Sie selbstverständlich auch einen Änderungsvorschlag eingebracht. Keine Frage! Das war die Vorlage 16 zur Drucksache 17/1277.

In einigen Punkten, die Sie eingebracht haben, sind wird Ihnen gefolgt, beispielsweise bei der Kameraüberwachung, bei der Wiederaufnahme von entlassenen Patienten und bei der Nutzung von Datenträgern und des Internets. Aber Sie haben schon damals gleichzeitig Ermächtigungsgrundlagen gefordert, beispielweise eine Erweiterung hinsichtlich der Fußfesseln, die zwangsweise Untersuchung im Sinne der Gefahrenabwehr und

verschiedene andere Punkte. Seinerzeit hat der GBD verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet.

Aber nicht nur das, sondern es gab auch fachliche Bedenken, die diesbezüglich geäußert worden sind; denn die Novelle - das muss man in diesem Zusammenhang noch einmal eindeutig sagen - betrifft den Bereich des Maßregelvollzugs respektive §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches und nicht den der Sicherungsverwahrung im Sinne des § 66 des Strafgesetzbuches. Es handelt sich in diesem Fall, auch nach Rücksprache, Ausschussberatung und Unterrichtung durch den Vorsitzenden des Landesausschusses für Angelegenheit der psychiatrischen Krankenversorgung, um schwerstgestörte Menschen, also um Menschen mit einer schweren Persönlichkeitsstörung, die straffällig geworden sind. Bei ihnen handelt es sich selbstverständlich in erster Linie um Patienten und nicht um Straftäter oder Häftlinge, wie Sie das in der Hinsicht immer darstellen. Wir bewegen uns hier im Bereich des Maßregelvollzugs. Das ist der Bereich der forensischen Psychiatrie. Es handelt sich um ein Teilgebiet der Medizin. Das muss man auch mal zur Kenntnis nehmen!

Ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen und fachlichen Bedenken beharren Sie weiterhin auf Ihrem Standpunkt und bringen den vorliegenden Gesetzentwurf ein. Sie halten daran fest. Sie fordern analog zu den Regelungen des § 78 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes eine Rechtsgrundlage. Es geht ja nicht nur um Lichtbilder. Sie fordern gleichzeitig die Erfassung biometrischer Merkmale - Finger, Hände und Gesicht -, aber auch Stimmaufzeichnungen, Messungen des Körpers und die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale. Sie verweisen in Ihrer Begründung auf einen Vorfall aus dem Jahre 2014. Da frage ich mich, warum Sie das nicht schon seinerzeit im Rahmen der Ausschussberatung angesprochen haben, sondern erst jetzt, nachdem wir das Gesetz in der Hinsicht einstimmig verabschiedet haben.

Was ich gesagt habe: Sie brechen weiterhin mit der Unterteilung zwischen Sicherungsverwahrung und Maßregelvollzug, also zwischen Straftätern - Häftlingen - und Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen, und das, obwohl sich die Personen, die sich jetzt in den Maßregelvollzugseinrichtungen aufhalten, freiwillig erkennungsdienstlich behandeln lassen.

Das tun Sie noch immer! Seit der ersten Beratung im Plenum, auch in den Ausschussberatungen, auch in der Aussprache zum Bericht des Landes

ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung nutzen Sie aktive Entweichungen, um Pressemitteilungen zu schreiben, die den Sachverhalt skandalisieren. Sie sprechen dort von „Schwerstkriminellen“ und werfen RotGrün vor, diese aus ideologischen Gründen fälschlicherweise „Patienten“ zu nennen. Auch machen Sie die Ministerin persönlich für jede einzelne Entweichung verantwortlich.

Ich gebe nur ein Beispiel: Zu Brauel habe ich eben eindeutig erläutert, wie die Sachlage gewesen ist. Trotz alledem werden Sie in der Hinsicht unsachlich, und Sie verfolgen eine Form der Skandalisierung, die untragbar ist. Es ist schlichtweg unverantwortlich, was Sie da machen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese Politik, die Sie dort verfolgen, ist eine Politik der inszenierten Empörung, die von Ihnen, seit Sie diesen Gesetzentwurf erstmals hier eingebracht haben, im Bereich des Maßregelvollzugs verfolgt wird. Dieser Gesetzentwurf, der, wie gesagt, auch dieser Politik folgt - das habe ich Ihnen schon bei der ersten Beratung im Parlament gesagt -, will eigentlich nur Schlagzeilen generieren; und das trotz der Tatsache - ich wiederhole gern, was ich seinerzeit gesagt habe -, dass das Grundrecht auf Selbstbestimmung sehr enge Grenzen setzt und demnach juristische Risiken bestehen, trotz der Tatsache, dass die Übernahme von gesetzlichen Regelungen des Justizvollzugs im Maßregelvollzug fachliche Bedenken aufwirft - Herr Mayer-Amberg hat das in der Ausschussberatung deutlich gemacht -, trotz der Tatsache, dass es sich um straffällig gewordene Menschen handelt, die bereits erkennungsdienstlich erfasst sind - in Brauel war das so - und im Maßregelvollzug bisher stets freiwillig haben Fotos von sich machen lassen, und - zu guter Letzt - trotz der Tatsache, dass es sich bei den straffällig gewordenen Menschen im Maßregelvollzug, wie gesagt, nicht um Häftlinge, sondern in erster Linie um Patienten, um Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen, handelt.

Herr Meyer, es ist schlichtweg unanständig, auf dem Rücken von Patienten Schlagzeilen generieren zu wollen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Daher werden wir dem heute hier vorliegenden Gesetzentwurf selbstverständlich nicht zustimmen, weil wir Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse

zur Kenntnis nehmen und dementsprechend keiner Politik der inszenierten Empörung folgen wollen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Pantazis. - Jetzt hat sich Thomas Schremmer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte kurz skizzieren, was der Kollege Pantazis schon vorweggeschickt hat.

Erstens möchte ich noch einmal daran erinnern, dass wir in diesem Jahr das Maßregelvollzugsgesetz bereits einmal einvernehmlich geändert haben. Dem ging eine umfassende Anhörung und Erörterung mit allen Experten voraus.

Ich sehe für meine Fraktion derzeit keinen weiteren Änderungsbedarf. Im Übrigen liest sich der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion eher wie eine Novellierung des StGB. Insofern, glaube ich, ist auch schon klar, warum wir diese Haltung verfolgen.

Zweitens erinnere ich daran, dass wir in der Frage der Verhältnismäßigkeit zwischen Strafvollzug und Therapie vor Ort mit den behandelnden Ärzten umfassend diskutiert haben. Dabei war auch immer klar, dass das erste Ziel der Unterbringung die psychische Stabilisierung und Rehabilitation ist.

Auch in diesem Punkt sehe ich das Gesetz als vollständig an; denn wir haben es in erster Linie mit psychisch Kranken zu tun. Das wird auch, glaube ich, von der CDU nicht bestritten, würde ich meinen. In den §§ 20 und 21 des Strafgesetzbuches wird genau beschrieben, wann das festzustellen ist. Auch da ist klar: Es gibt keinen gerichtlichen Spielraum, und es gibt auch kein Ermessen, wo diese Menschen unterzubringen sind. Sie werden in Krankenhäusern untergebracht und sind deswegen eindeutig Patientinnen und Patienten.

Man kann sich natürlich die Frage stellen, Herr Kollege Meyer, warum wir zunehmend Suchtkranke im Maßregelvollzug haben. Dafür müsste man, glaube ich, eine erweiterte gesamtgesellschaftliche Debatte über die Ursachen und die Folgen von Suchtmittelkonsum führen. Aber auch das findet sich nicht in Ihrem Antrag. Ich habe es auch nicht

in den mündlichen Erläuterungen gehört. Also auch hier keine Veranlassung, dem zuzustimmen!

Drittens - der Kollege Pantazis hat es vorausgeschickt - liefert die Entweichung aus Brauel überhaupt keinen Beleg dafür, dass wir Polizeiarbeit im Maßregelvollzug brauchen, z. B. die erkennungsdienstlichen Maßnahmen, die Sie wollen.