Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

nicht unerheblich steigen werden. Gleichzeitig wird Personal an die Aufnahmezentralen des Landes abgeordnet, das dann wiederum in den Vollzugsanstalten fehlt. Hinzu kommen die vermehrten Krankenhausüberwachungen, die vermehrten Ausführungen zu aufwendigen Gerichtsverfahren, das neue Jugendarrestvollzugsgesetz und die Mehrarbeit in den erweiterten psychiatrischen Abteilungen. Für die psychiatrische Unterstützung werden landesweit 43 weitere Stellen benötigt. Diese sollen jetzt einfach mal so aus dem System kommen. Gleichzeitig hat Rot-Grün einen schönen Entschließungsantrag vorgelegt und möchte die Betreuung von Inhaftierten weiter ausbauen. Das, meine Damen und Herren, ist mal wieder ein gutes Beispiel für rot-grüne Wohlfühlpolitik ohne Realbezug.

(Beifall bei der FDP)

Gleiches gilt für die von Rot-Grün in das Schaufenster gestellte Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Das hört sich ja alles gut an, jedoch wird für die Einstellung der dafür benötigten Handwerksmeister nicht das Geringste getan.

(Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Ähnliches gilt für die dringend benötigten Psychologen und Psychiater. Es wird nichts dafür getan, den Justizvollzug für diese Berufsgruppe auch tatsächlich interessanter zu machen. Insgesamt fehlen landesweit zehn Ärzte. Anstatt deren Besoldung interessanter zu machen oder es über Stipendiaten zu versuchen, wird der Mangel verwaltet und im Zweifel der teure Notarzt gerufen. Nicht einmal für eine Anpassung der Vollzugszulage an die Polizeizulage, so wie es die FDP schon seit zwei Jahren diskutiert, hat es gereicht. Die FDPFraktion hat daher in ihrem Haushaltsentwurf die dafür notwendigen 1,2 Millionen Euro eingestellt.

(Beifall bei der FDP)

Aber das Problem gibt es nicht nur in den JVAs. Seit Jahren diskutieren wir die Sicherheitssituation in den Gerichten. Es fehlt u. a. an baulichen Maßnahmen, die den öffentlichen Zugang zu bestimmten Gebäudeteilen verhindern. Auch an dieser Stelle haben wir als Freie Demokraten zunächst eine halbe Million Euro eingestellt, um zumindest den Einstieg in die notwendigen Maßnahmen finanzieren zu können.

Es fehlt an Wachtmeistern in den Gerichten. Das Ministerium versprach den Richtern einmal 30 Neueinstellungen pro Jahr. In diesem Jahr sind gerade 20 einmal neue Wachtmeister eingestellt

worden. Und jetzt wird das Problem wieder ignoriert. Das ist ein gefährliches Spiel mit der Sicherheit.

Meine Damen und Herren, ich gebe zu, dass die Justizministerin in diesem Jahr weniger im Rampenlicht der Skandale und Fehlentscheidungen stand als im letzten Jahr, aber die teilweise auch politischen motivierten Besetzungsverfahren haben das Vertrauen in die Justiz nicht gerade gestärkt.

(Beifall bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE] lacht)

- Ich weiß ja nicht, Herr Kollege Limburg, ob Sie das lustig finden. Ich finde es nicht; denn es ist bisher noch nie der Fall gewesen, dass mit dem OLG-Präsidenten in Braunschweig und Oldenburg und dem Generalstaatsanwalt gleich drei juristische Spitzenämter Gegenstand der politischen Debatte waren, meine Damen und Herren.

Kein Ruhmesblatt waren und sind übrigens auch die Ermittlungen im VW-Abgasskandal. Es besteht immer noch der Verdacht, dass der Ministerpräsident oder die Justizministerin bei den Ermittlungen gegen Herrn Winterkorn interveniert haben. Zum wiederholten Male wird das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz beschädigt.

(Beifall bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Er besteht, weil Sie ihn er- heben! - Gegenruf von Jörg Bode [FDP]: Er hat ihn noch nie erhoben!)

Herr Ministerpräsident, Sie sitzen im VW-Aufsichtsrat. Gleichzeitig können Sie Ihrer Justizministerin Weisungen erteilen. Die wiederum kann den Staatsanwaltschaften Weisungen erteilen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Sie sind ein kleiner Verschwörungstheoretiker!)

Es ist also Ihre Aufgabe, selbst den Anschein einer Einflussnahme in diesem Punkt wirklich auszuschließen. Und das ist im Übrigen auch vor dem Hintergrund der Diskussion über das VW-Gesetz eine sehr wichtige Aufgabe.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist schon bitter anzusehen, dass es immer gerade die niedersächsische Justiz ist, die bundesweit in die Schlagzeilen gerät. Dabei fällt die Ministerin jedenfalls nicht mit innovativen Ideen, die die Justiz modernisieren oder reformieren können, auf. Am Beispiel des Informationsfreiheitsgesetzes wird das ganz deut

lich: Der Gesetzentwurf der FDP liegt seit Juni 2013 vor. Zwei Jahre später legt die Ministerin einen eigenen Entwurf vor. Ohne vorherige Anhörung der kommunalen Spitzenverbände gibt sie diesen Entwurf in die Verbandsanhörung, ohne den Verbänden eine echte Mitwirkungsmöglichkeit einzuräumen. So sieht die Zusammenarbeit tatsächlich aus.

Zweites Beispiel, die Videoaufzeichnungen in den Hafträumen der Gerichte. Erst aufgrund einer Anfrage der FDP vom August 2015 - Sie finden sie in der Drucksache 17/4152 - kam das Ministerium auf die Idee, die Gerichte darauf hinzuweisen, dass wegen der Änderung des Niedersächsischen Justizgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2015 nur noch die Beobachtung von Hafträumen durch Bildübertragung zulässig ist, aber keine Aufzeichnung mehr. Das Justizministerium hat zwar das Gesetz geändert, es aber versäumt, die Gerichte auf die geänderte Rechtslage hinzuweisen. Das ist nicht nur unprofessionell, Frau Ministerin, das ist auch peinlich.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Justiz in Niedersachsen wird nicht weiterentwickelt, sondern nur verwaltet. Alle Ankündigungen aus den Sonntagsreden der Ministerin bleiben Luftnummern. Wo ist die Reform des Niedersächsischen Richtergesetzes mit den Richterwahlausschüssen? Wo ist die Reform der Juristenausbildung? Wo ist die Reform des Widerspruchsverfahrens? Wo ist das angekündigte Resozialisierungsgesetz für den Justizvollzug? Wo ist das angekündigte Untersuchungshaftvollzugsgesetz? Wo ist die angekündigte Verstärkung im Kampf gegen die Steuer- und Wirtschaftskriminalität oder überhaupt gegen die organisierte Kriminalität in Niedersachsen?

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Gibt es nicht!)

Nichts! Gar nichts! - Stattdessen erleben wir Vorschläge, die der Bevölkerung zu Recht die Zornesröte ins Gesicht treiben. So sollen z. B. Ladendiebstähle und andere kleinere Delikte entkriminalisiert werden, um Justiz und Polizei zu entlasten.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Gute Idee! - Jörg Bode [FDP]: Ladendiebstähle werden legalisiert!)

Meine Damen und Herren, Ladendiebe hinterlassen in jedem Jahr einen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden in Höhe von 5 Milliarden Euro. Das entspricht 60 Euro pro Bundesbürger, die der Handel selbstverständlich an seine Kunden wei

tergibt. Das Geld wird also jedem Bürger von den Dieben mittelbar aus der Tasche gezogen. Es ist nur noch zynisch von manchen rot-grünen Rechtspolitikern, den Rechtsstaat an dieser Stelle aufzugeben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die niedersächsische Justiz ist in den letzten drei Jahren weder weitergekommen noch konnte sie ihr bundesweites Ansehen aufpolieren. Und für 2016 sieht es nicht besser aus. Das ist angesichts der bevorstehenden gesellschaftlichen Debatten ein Desaster, welches sich demokratische Parteien eigentlich nicht leisten können. Die Gefahr besteht, dass extremistische Bewegungen, egal aus welcher Ecke, das am Ende strategisch nutzen. Steuern Sie endlich gegen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Herr Ministerpräsident Weil hat um das Wort gebeten, das ich ihm hiermit erteile. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Genthe hat soeben behauptet, es bestehe der Verdacht, ich hätte in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig interveniert. Herr Kollege, ich habe mehrfach, auch hier im Hause, ausdrücklich erklärt, dass das nicht so ist. Es gibt auch nicht den Hauch eines Beweises, den Sie für einen so öffentlich geäußerten Verdacht anführen könnten. Ich frage Sie, ob Sie Manns genug sind, das hier zu korrigieren und sich zu entschuldigen.

(Starker Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Herr Dr. Genthe hat noch einmal ums Wort gebeten, der noch eine Restredezeit von 42 Sekunden hat. Es ist richtig, dass es sich hierbei nicht um eine Wortmeldung im Rahmen einer persönlichen Erklärung handelt? Richtig? - Okay.

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich habe von dem Verdacht gesprochen. Und die

ser Verdacht kursiert tatsächlich in der Presse und in der Bevölkerung. Sie sind an dieser Stelle in einer schwierigen Situation, das gebe ich zu.

(Petra Tiemann [SPD]: Das wird im- mer unglaublicher!)

Einerseits sitzen Sie im Aufsichtsrat, und andererseits sitzen Sie aber auch der Justiz vor, die gegen den Aufsichtsrat möglicherweise ermitteln muss; möglicherweise.

(Zurufe von der SPD: Unglaublich!)

Es ist Ihre Aufgabe, den Verdacht oder nur den Anschein - ich spreche gar nicht von Verdacht - auszuräumen, dass es hier eine Verquickung geben könnte. Das ist ganz interessant.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das darf doch nicht wahr sein! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussionen, die uns auf EU-Ebene bezüglich des VWGesetzes möglicherweise noch bevorstehen, ist von entscheidender Bedeutung, dass ein solcher Anschein nirgends entsteht. Ich würde mir wünschen, dass er ganz klar ausgeräumt wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Vielen Dank. - Der Herr Ministerpräsident möchte noch einmal das Wort ergreifen. Bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Genthe, negativum non est probandum, wie die alten Römer gesagt haben. Etwas, was nicht ist, kann auch nicht widerlegt werden. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Versuchen Sie hier nicht, Grundsätze des Rechtsstaats umzukehren!

(Jens Nacke [CDU]: Wer hat denn gestern „Schweigen ist Zustimmung“ gesagt?)

Ich lege noch einmal Wert darauf, dass weder ich noch andere Mitglieder der Landesregierung hier auch nur mit dem Verdacht von Straftaten belegt werden, ohne dass Sie den Hauch eines Hinweises hätten, wie Sie das begründen wollen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Herr Weil, Sie könnten mal unsere Fragen beantworten! Das wäre ein erster Schritt! - Christian Dürr [FDP] meldet sich zu Wort)

Herr Dürr, ich kann Ihnen jetzt nicht das Wort erteilen; denn wir sind mitten in der Debatte.

(Jens Nacke [CDU]: Natürlich! Nach der Landesregierung kann immer das Wort ergriffen werden!)