Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Trotzdem müssen wir feststellen, dass diese Form des Radikalismus eine ganz andere Dimension erreicht hat als alles, was wir vorher an Radikalismus von anderer Seite kannten. Da sind Leute am Werk, für die das Leben nichts zählt, weder das eigene Leben noch das Leben anderer Personen, und das macht sie so gefährlich.

Dieser Gefährlichkeit wollen wir mit den Mitteln des Justizvollzuges zumindest bei denjenigen begegnen, die in Haft sind. Zumindest die sollen wieder in die Mitte unseres Wertesystems zurückgeholt werden oder auch möglicherweise erstmals überhaupt dort ankommen. Mit unserem Aussteigerprogramm wollen wir damit ein Stück Sicherheit in Niedersachsen wiederherstellen. Damit ist RotGrün auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann den Justizhaushalt 2016 nicht diskutieren, ohne zumindest ein paar Worte zur Küche in der JVA Vechta und damit auch zum Justizzentrum Osnabrück zu verlieren.

(Burkhard Jasper [CDU]: Gutes Pro- jekt!)

Das Land Niedersachsen baut in Vechta eine neue Küche für die Gefangenenversorgung, die insgesamt über 17 Millionen Euro kosten wird. Diese Küche, die im Übrigen mehrere JVAs versorgen wird, muss deshalb jetzt gebaut werden, weil das zuständige Veterinäramt mit der Schließung der alten Küche droht. Der Neubau drängt also akut. Diese Dringlichkeit hat zur Folge, dass der zweite, also der große Bauabschnitt des Justizzentrums Osnabrück im kommenden Haushalt nicht realisiert werden kann. Ich will nicht verhehlen - da geht es mir ähnlich wie Ihnen, Herr Jasper -, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn der zweite Bauabschnitt des Justizzentrums Osnabrück im Haushalt 2016 gestanden hätte.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn man sich die Untersuchungshaftanstalt in Osnabrück einmal genauer angesehen hat - wir waren ja letzte Woche da -, dann wundert man sich - das drücke jetzt einmal eher vorsichtig aus -, dass eine JVA unter solchen Bedingungen über

haupt betrieben werden darf. Herr Deppmeyer hat eben schon den Brandschutz angesprochen. Man könnte auch über das durchhängende Dach sprechen. Über den Riss in der Außenmauer will ich gar nicht erst reden. Im Übrigen ist auch eine Beschäftigung der Inhaftierten dort nur rudimentär möglich. All das hat mit einem modernen Vollzug, wie wir ihn wollen, wenig zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der zweite Bauabschnitt ist daher dringend nötig, und wir werden uns auch in Zukunft stark dafür einsetzen, dass er endlich realisiert werden kann. Aber wer sich das Gebäude in Osnabrück ansieht, der weiß auch, dass dieser Zustand nicht erst in den letzten zwei Jahren entstanden ist. Das ist ein Zustand, den Sie sich in ähnlicher Form auch schon in der Zeit von 2003 bis 2013 angucken konnten, und auch da ist an der Situation nichts verbessert worden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Gleiche gilt auch für die Küche in der JVA Vechta. Auch sie ist nicht über Nacht in den Zustand geraten, in dem sie jetzt ist.

(Zuruf von der CDU: Richtig, auch tagsüber!)

Es ist daher ein Verdienst dieser rot-grünen Landesregierung, dass der über Jahre dort aufgelaufene Sanierungsstau jetzt endlich beseitigt wird.

In Bezug auf das Justizzentrum Osnabrück konnten Sie sowohl im Rechtsausschuss als auch im Haushaltsausschuss von unserer Justizministerin vernehmen, dass der zweite Bauabschnitt im Aufstellungsverfahren für den kommenden Haushaltsplan vorangetrieben werden wird.

Sie sehen also, Niedersachsen ist auch im Justizvollzug auf einem guten Wege. Wir setzen die richtigen Impulse. Wir bringen das Land voran.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wahlmann. Damit Sie merken, dass auch der Sitzungsvorstand immer genau zuhört: Bei Ihrem Hinweis auf den Riss in der Außenmauer der JVA zuckten wir ein wenig. Ich hoffe, der Riss ist nicht zu breit.

(Gabriela König [FDP]: Doch, der ist ganz schön breit!)

Es gibt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention. Frau Kollegin Ross-Luttmann für 90 Sekunden, bitte!

Danke schön, Herr Präsident. - Da ich mich mit Frau Schröder-Ehlers darauf verständigt hatte, dass wir nacheinander sprechen, habe ich gewartet, bis dies absprachegemäß erfolgt ist.

Ich habe mich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet, weil hier gesagt worden ist, wir hätten einen zweistelligen Millionenbetrag aus dem Justizhaushalt entnommen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Völliger Un- sinn!)

Was wir gemacht haben, ist, einzelne Ansätze an das zu erwartende Ist 2015 anzupassen, und zwar sowohl in der Einnahme als auch in der Ausgabe.

(Lutz Winkelmann [CDU]: Genau so!)

Wir haben die Einnahmen z. B. aus Gerichtskosten, Geldstrafen und Geldbußen um rund 8,7 Millionen Euro erhöht und die Ausgaben um rund 9,7 Millionen Euro verringert. Dass wir einen zweistelligen Millionenbetrag entnommen hätten, entbehrt jeder sachlichen Grundlage.

Vielen Dank, Frau Kollegin Ross-Luttmann. - Frau Schröder-Ehlers möchte von der Möglichkeit der Erwiderung Gebrauch machen. Bitte, für 90 Sekunden!

(Reinhold Hilbers [CDU: Ich bin ge- spannt, ob Sie zugeben, dass das, was Sie gesagt haben, falsch war!)

Herr Hilbers, Sie sind ja wieder da! Ich habe Sie vorhin schon vermisst.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen das gerne noch einmal vorrechnen. Sie haben es in den letzten Jahren ja auch schon so gemacht, dass Sie Wohltaten versprochen und gleichzeitig Millionen aus dem Justizhaushalt herausgenommen haben. In diesem Jahr haben Sie 8,695 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen generiert - woher auch immer sie die haben - und gleichzeitig die Ausgaben um 9,761 Millionen Euro gekürzt. Wenn man das zusammenzählt, sind das

17 Millionen Euro, die Sie dem Justizhaushalt entziehen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Nein, Sie können nicht rechnen!)

Dem haben Sie 577 000 Euro entgegengesetzt, die Sie an einzelne Verbände geben wollen.

Dann haben Sie hier die Gerichtsvollzieher genannt und gesagt, man müsse sich mit deren Forderungen intensiver auseinandersetzen. Das tun wir. Aber das, was die Gerichtsvollzieher aufgeschrieben haben, ist für uns nicht nachvollziehbar. Sie kürzen jedoch auch bei denen die Gelder, und damit könnten Sie den Gerichtsvollziehern gar nicht das geben, was sie jetzt bekommen. Mit Ihrem Antrag würden die Gerichtsvollzieher noch viel schlechter gestellt. Das müssen Sie mir auch erst einmal erklären, Frau Ross-Luttmann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Unruhe)

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Bevor ich jetzt Herrn Dr. Marco Genthe für die FDP das Wort gebe, bitte ich, die Geräuschkulisse im Plenarsaal etwas zu dämpfen. Auch Herr Dr. Genthe hat die Aufmerksamkeit aller Kolleginnen und Kollegen verdient. - Sie dürfen schon nach vorne kommen. Aber beginnen Sie erst, wenn ich Ihnen das Signal gebe! Im Moment ist es noch ein bisschen zu unruhig. - So, jetzt geht es einigermaßen. Bitte, Herr Dr. Genthe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist offenbar schon eine Tradition, am Anfang einer Rede zum Justizhaushalt darauf hinzuweisen, dass es sich nur um einen sehr kleinen Teilhaushalt handelt. Tatsächlich hat er lediglich einen Anteil von 4 % am Gesamthaushalt. Doch das spiegelt nicht seine Bedeutung wider. Ohne eine funktionierende Justiz funktioniert auch der Rechtsstaat nicht,

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

und der Rechtsstaat wird gerade in der aktuellen Flüchtlingssituation und der daraus folgenden gesellschaftlichen Debatte in Zukunft immens an Bedeutung gewinnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Der Rechtsstaat sowie unsere verfassungsrechtlichen Werte sind die Klammer unserer Gesellschaft. Die Menschen, die hier bereits leben, haben sich ihre Rechte und Werte über die Jahrhunderte in teilweise ähnlich blutigen Konflikten, wie wir sie jetzt im Nahen Osten erleben, erkämpft. Jeder Mensch, der zu uns kommt, muss wissen, dass niemand hier dieses Rad zurückdrehen möchte.

Man kann viel diskutieren. Aber über Menschenwürde, Unverletzlichkeit der Person, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit kann man nur auf dem Boden unserer Verfassung sprechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und wie ernst es unserer Gesellschaft damit ist, spiegelt insbesondere auch die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates wider.

Wir mussten erleben, dass unsere staatlichen Strukturen und auch der Rechtsstaat angesichts der Menge der Flüchtlinge überfordert waren und teilweise auch noch sind. Teilweise erlebten wir ein Staatsversagen, insbesondere an den bundesdeutschen Landesgrenzen. Ich halte es für eine sehr wichtige Aufgabe, das aufzufangen. Insoweit begrüße ich ausdrücklich, dass die Justizministerin über die technische Liste das in der Flüchtlingssituation eingesetzte Personal deutlich aufgestockt hat.

Meine Damen und Herren, auch wenn der Fokus in vielen Haushaltsbereichen auf der Flüchtlingssituation liegt, darf nicht vergessen werden, dass auch alle anderen Aufgaben nach wie vor bestehen. Und genau da liegt das Problem des Justizhaushaltes 2016. Der Rechtsstaat kann nur funktionieren, wenn die dort beschäftigten Menschen vernünftige Arbeitsbedingungen vorfinden. Doch an dieser Stelle ist der Haushalt sehr dünn.

Sprechen wir z. B. über die Strafvollzugsbeamten. Die ohnehin schon angespannte Personallage wird durch zusätzliche Forderungen aus dem Justizministerium und vermutlich auch durch die Flüchtlingssituation zunehmend schwieriger. In vielen U-Haftabteilungen ist die Belegung bereits über 100 % ausgeschöpft. Es ist daher zu vermuten, dass die Gefangenenzahlen in Niedersachsen

nicht unerheblich steigen werden. Gleichzeitig wird Personal an die Aufnahmezentralen des Landes abgeordnet, das dann wiederum in den Vollzugsanstalten fehlt. Hinzu kommen die vermehrten Krankenhausüberwachungen, die vermehrten Ausführungen zu aufwendigen Gerichtsverfahren, das neue Jugendarrestvollzugsgesetz und die Mehrarbeit in den erweiterten psychiatrischen Abteilungen. Für die psychiatrische Unterstützung werden landesweit 43 weitere Stellen benötigt. Diese sollen jetzt einfach mal so aus dem System kommen. Gleichzeitig hat Rot-Grün einen schönen Entschließungsantrag vorgelegt und möchte die Betreuung von Inhaftierten weiter ausbauen. Das, meine Damen und Herren, ist mal wieder ein gutes Beispiel für rot-grüne Wohlfühlpolitik ohne Realbezug.