Meine Damen und Herren, neben dem Handlungsansatz der Vernetzung auf kommunaler, Landes- und Bundesebene bildet Information den zweiten zentralen Handlungsansatz, der durch das Landesprogramm PARC umgesetzt wird. Er be
deutet: Prävention durch Aufklärung gegen Rechtsextremismus und für Courage. PARC wurde 2012 als Modellvorhaben initiiert und wird seit 2013 kontinuierlich fortgeführt und weiterentwickelt. PARC bietet ein Informations-, Aufklärungs- und Präventionsangebot für kommunale Akteure, um vor Ort über die Entwicklung, das Erkennen und das Einschätzen des modernen Rechtsextremismus zu berichten und gemeinsame Strategien zur Auseinandersetzung mit dem Phänomen zu entwickeln. Der LPR wird diese erfolgreiche Arbeit dank des zu verabschiedenden Haushalts mit Landesmitteln fortführen können.
Meine Damen und Herren, neben dem primärpräventiven Ansatz des Landesprogramms PARC steht das zielgruppenorientierte Beratungsangebot des Demokratiezentrums. Beratung wird im Rahmen des Bundesprogramms als sekundärpräventive Maßnahme verstanden. Es richtet sich also an alle, die mit rechtsextremen, antisemitischen und rassistischen Erscheinungsformen konfrontiert werden. Dazu zählen unter anderem Kommunen, zivilgesellschaftliche Initiativen, Eltern, Einzelpersonen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Schule, Jugendhilfe, Vereinen, Verbänden. Die Beratung erfolgt dabei fallbezogen durch qualifizierte Beraterinnen und Berater, die über entsprechende Kompetenzen verfügen, vor Ort und vertraulich, anlassorientiert, unmittelbar und aufsuchend aktiv. Die Beraterinnen und Berater rekrutieren sich aus dem Beratungsnetzwerk und damit aus zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren. Im Jahr 2014 lagen innerhalb dieser Beratung insgesamt 156 Fälle vor.
Neben dem Ansatz, die Entstehung demokratie- und menschenfeindlicher Einstellungen und Verhaltensweisen zu verhindern und bei rechtsextremen, antisemitischen und rassistischen Problemlagen zu beraten, geht es dann auch um die Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit. Hierfür gibt es bereits seit mehreren Jahren ein etabliertes und im gesamten Bundesgebiet anerkanntes Beratungsteam im LPR, die AussteigerhilfeRechts. Insgesamt ist die Ausstiegsarbeit ein wichtiges Instrument, um die Reintegration der Ausstiegswilligen in die Gesellschaft zu ermöglichen und demokratiefeindliche Strukturen nachhaltig aufzulösen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zur Beantwortung der dritten Frage einen Blick nach vorne werfen. Für das Jahr 2016 plant das Demokratiezentrum im Präventionsrat die Implementierung einer flächendeckenden Beratungsstruktur für Betroffene rechtsextremer Gewalt. Menschen, die Opfer rechtsextremer Übergriffe wurden, müssen im Umgang mit deren Folgen unterstützt werden. Das Beratungsangebot des Landesdemokratiezentrums wird um den Schwerpunkt der Opferberatung erweitert. Ziel ist es, bis zum Frühjahr 2016 einen erfahrenen und flächendeckend agierenden freien Träger damit zu beauftragen, der in enger Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten im Themenbereich Rechtsextremismus agiert.
Das Demokratiezentrum wird künftig zentraler Bestandteil des niedersächsischen Landesprogramms gegen Rechtsextremismus sein, das in den letzten zwei Jahren aktiv auf interministerieller Ebene vorbereitet wurde. Ich freue mich, dass wir mit dem Landesprogramm einen echten ressortübergreifenden Ansatz gefunden haben, um antidemokratischen und menschenfeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen in der Gesellschaft künftig noch wirksamer Einhalt zu gebieten.
Was für den Rechtsextremismus als bekanntes und gut erforschtes Phänomen gilt, muss in gleichem Maße für das Phänomen des religiös begründeten Radikalisierungsprozesses gelten, genauer gesagt, des radikalen und mitunter gewaltorientierten Salafismus. Auch dieser stellt eine Herausforderung und potenzielle Bedrohung für die Sicherheit dar.
Dass das Thema unsere niedersächsischen Kommunen längst erreicht hat, hat sich bei der Absage des Länderspiels hier in Hannover gezeigt. Aber auch abseits der großen medialen Aufmerksamkeit sehen sich niedersächsische Bürgerinnen und Bürger von der Problematik salafistischer Aktivitäten herausgefordert. Sie sind nicht selten verunsichert, besorgt und verängstigt, etwa wenn vor allen Dingen junge Menschen Sympathien für den sogenannten Islamischen Staat äußern, wenn sie sich aus vermeintlich religiösen Gründen aus ihrem Freundeskreis und der Familie lösen, Kontakte ganz abbrechen oder sich gar so weit radikalisieren, dass sie bereit sind, ihr Leben in Krisenregionen wie denen Syriens und des Irak preiszugeben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eines ganz deutlich sagen: Wir müssen alles tun, was notwendig und möglich ist, um Menschen vor dem Weg der Radikalisierung und des Kampfes für eine vermeintlich höhere Sache zu schützen und zu warnen.
Wir müssen Alternativangebote unterbreiten und den Weg der Rückkehr in das gesellschaftliche Miteinander auch jenen eröffnen, die sich bereits in die Radikalisierung begeben haben. Der radikale Salafismus ist nicht das Problem einer einzelnen gesellschaftlichen Gruppe. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung - nicht nur für Muslime, sondern auch für Nichtmuslime, für Familie, Freunde, Mitschülerinnen und Mitschüler.
Meine Damen und Herren, ich bin froh darüber, dass wir als Landesregierung bereits zahlreiche Maßnahmen initiiert und unterstützt haben, die einen wesentlichen Beitrag zum Schutz vor radikalem Salafismus darstellen. So leisten Verfassungsschutz und Polizei im Rahmen ihres Auftrags bereits seit Langem hervorragende Arbeit zur Beobachtung, Verhinderung, aber auch zur Prävention salafistischer Radikalisierung.
Der vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung 2014 ins Leben gerufene Träger beRATen e. V. bietet Angehörigen im sozialen Umfeld, aber auch Betroffenen selbst Unterstützung und Hilfe an. Eine interministerielle Abstimmung findet auch unter Beteiligung meines Hauses statt.
Auch das Justizministerium selbst ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und hat Strukturen entwickelt, die der Verhinderung von Radikalisierungsverläufen und der Schaffung von Angeboten zur Deradikalisierung dienen. So habe ich unter dem Eindruck der furchtbaren Anschläge auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und auf einen jüdischen Supermarkt Anfang 2015 in Paris die Schaffung einer interministeriellen Arbeitsgruppe „Islamistische Radikalisierung“, kurz AGIR, angeregt. Diese Arbeitsgruppe trägt seither Sorge für noch besseren Austausch und noch bessere Kooperation. Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bereichen Strafverfolgung, Justizvollzug und Prävention kommen seither regelmäßig zusammen
Um für die erforderliche Expertise zu sorgen, hat der LPR im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ einen Islamwissenschaftler eingestellt, der mit seinem Wissen künftig dazu beitragen soll, die Präventionsarbeit im Land mitzugestalten und voranzutreiben. Im Sinne des bereits skizzierten Zusammendenkens verschiedener extremistischer Phänomene hält das Demokratiezentrum des Landespräventionsrats damit fundiertes Wissen über das Phänomen des gewaltorientierten Salafismus ebenso wie über seine Wechselwirkungen mit dem Rechtsextremismus parat.
Ich freue mich ebenso darüber, dass aus dem Zusammenwirken innerhalb meines Ministeriums eine konkrete Maßnahme zur Deradikalisierung von Straftätern mit islamistischem Hintergrund im Justizvollzug auf den Weg gebracht werden konnte.
Ab dem Jahr 2016 wird ein in diesem Bereich höchst erfahrener Träger speziell geschultes Personal zur Durchführung entsprechender Maßnahmen im niedersächsischen Justizvollzug bereitstellen. Ich möchte mich in diesem Haus bei Ihnen allen dafür bedanken, dass Sie die finanzielle Absicherung dieses unabdingbaren Vorhabens mit dem heute zu verabschiedenden Haushalt auf den Weg bringen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf zwei zentrale Themen eingehen, die der Landespräventionsrat Niedersachsen voranbringen möchte und die inhaltlich eng miteinander verzahnt sind.
Das sind zum einen der Opferschutz und zum anderen die Prävention gegen häusliche Gewalt. Die Prävention ist traditionell täterorientiert ausgerichtet. Das heißt, es ging zumeist um die Frage, wie Menschen davon abgehalten werden können, Straftaten zu begehen.
Aber diese Perspektive ist einseitig und längst nicht mehr zeitgemäß. Insbesondere das Gewaltschutzgesetz hat seit 2001 den Fokus deutlich auf die Betroffenen häuslicher Gewalt gelenkt. Seither sind Opferschutz und häusliche Gewalt als Schwerpunktthemen im Landespräventionsrat nicht mehr wegzudenken. Das wird als Querschnittsthema durch die sogenannte Fachstelle
Opferschutz seit dem 1. Januar 2013 umgesetzt und fußt auf der Opferschutzkonzeption der Niedersächsischen Landesregierung. Grundlage dafür ist die EU-Opferschutzrichtlinie, die die Mindeststandards für Opfer von Straftaten festlegt. Morgen wird der Bundesrat über eine weitere Umsetzung dieser Richtlinie entscheiden.
Meine Damen und Herren, die Information der Opfer von Straftaten genauso wie der Personen aus dem sozialen Umfeld wie Familie, Nachbarschaft, Arbeitskolleginnen und -kollegen oder Freundinnen und Freunde ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Opfer ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können. Wenn sie von ihren Rechten nichts wissen - weit verbreitet ist ja die Auffassung: Für Opfer gibt es eigentlich nichts! -, dann können sie ihre Rechte auch nicht wahrnehmen. Deswegen freue ich mich, auf die Seite www.opferschutz-niedersachsen.de hinweisen zu können, wo der Personenkreis um ein Opfer herum Informationen finden kann, wie ein Opfer unterstützt werden kann.
Meine Damen und Herren, um Opfer von Straftaten umfassend zu unterstützen, bieten die Landesregierung und das Justizministerium fortlaufend Fortbildungen zum Thema Opferschutz für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie für Richterinnen und Richter auf lokaler Ebene an, richten aber auch entsprechende Fortbildungen auf Bundesebene aus.
Für diejenigen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind - das ist ein Thema, das immer noch tabuisiert wird - hält der Landespräventionsrat mit der Koordinierungsstelle für häusliche Gewalt ein besonderes Angebot bereit, das federführend durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung gemeinsam mit dem Innen- und dem Justizministerium und seit 2006 auch mit dem Kultusministerium durch den verabschiedeten Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich und die nachfolgenden Aktionspläne umgesetzt wird.
Die Ansiedlung der Koordinierungsstelle erfolgt beim LPR, weil dieser mit seinen Arbeitsschwerpunkten und seiner ressortübergreifenden Ausrichtung für diesen Bereich besonders qualifiziert ist.
Der Landesaktionsplan aus dem Jahre 2001 wurde mehrfach fortgeschrieben bis hin zum aktuell gültigen Landesaktionsplan III gegen Gewalt in Paar
beziehungen. Schwerpunkt der Arbeit der Koordinierungsstelle „Häusliche Gewalt“ ist die Funktion als Informationsdrehscheibe zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern wie Polizei, Justiz, Frauenunterstützungseinrichtungen, Jugendhilfe und Gesundheitswesen sowie zwischen Landesebene und kommunaler Ebene.
Für diesen Bereich ist besonders wichtig, dass es zunehmend gelingt, das Dunkelfeld wahrzunehmen und den Blick damit auf zusätzliche Hilfebedarfe und Zielgruppen zu richten. Dazu gehören insbesondere auch Frauen mit Migrationshintergrund. Männer als Opfer gibt es ebenfalls, was häufig aus dem Blick gerät. Darüber hinaus gibt es noch insbesondere das Phänomen des Stalkings.
Die im Jahre 2012 durchgeführte wissenschaftliche Evaluation des Landesaktionsplans hat gezeigt, dass die in den Kommunen des Landes gegründeten Runden Tische gegen häusliche Gewalt inzwischen 60 Netzwerke aufgebaut haben, die ein wichtiges und wesentliches Steuerungsinstrument sowie eine kontinuierliche Basis für die Bekämpfung der häuslichen Gewalt geworden sind.
Als Justizministerin spreche ich nicht nur für den LPR, weil die Geschäftsstelle Teil meines Hauses ist. Das Thema ist von größter gesellschaftlicher Aktualität und liegt mir persönlich auch sehr am Herzen. Ich werde diese wertvolle Arbeit daher weiter intensiv unterstützen und freue mich über die Unterstützung, die diese Arbeit durch das gesamte Haus erfährt.
Letztlich ist die Präventionsarbeit aber unsere gemeinsame Aufgabe, und der Landespräventionsrat ist als Organ der Landesregierung auch ganz formal unser Landespräventionsrat. Wir alle sind dafür verantwortlich, dass die Fäden der Präventionsarbeit aufeinander abgestimmt sind. Ressortegoismen sind fehl am Platze, wenn Prävention gelingen soll. Der Landespräventionsrat hat die Kompetenz, Präventionslagebilder zu erstellen, Themen zu identifizieren, Modellprojekte umzusetzen und Kommunen und die Landesregierung zusammen mit anderen Sach- und Fachkundigen zu beraten.
Ich bitte Sie daher allesamt, die Präventionsarbeit in Niedersachsen auf allen Ebenen aktiv zu unterstützen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Belit Onay, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte, Herr Kollege!
Ich habe eine Frage zu der Gesamtübersicht der kommunalen Ebene. Wie viele kommunale Präventionsräte gibt es in Niedersachsen, und wie verteilen sich diese auf die Städte und Gemeinden?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Insgesamt 198 kommunale Präventionsgremien sind Mitgliedsorganisationen im Landespräventionsrat. Sie sind auf unterschiedlicher kommunaler Ebene tätig, von der Landkreisebene bis zum Stadtteilgremium. Die Verteilung stellt sich wie folgt dar: 11 Gremien auf Landkreisebene, 7 Gremien in allen großen Städten, 50 Gremien in selbstständigen Gemeinden. Das sind insgesamt 68, sodass man sagen kann, dass hier ein hohes Niveau bereits erreicht ist. 10 Gremien gibt es in den kreisfreien Städten, sodass alle kreisfreien Städte über einen Präventionsrat verfügen. Des Weiteren gibt es 120 Gremien in sonstigen Kommunen, in Orts- und Stadtteilen sowie in den Fördervereinen für Prävention.