Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Schröder-Ehlers von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass ich zunächst einmal Herrn Marks für 20 Jahre erfolgreiche Arbeit ganz herzlich gratulieren möchte,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

frage ich die Landesregierung: Wie ist die Schnittstelle zwischen politischer Bildung und Präventionsarbeit?

Vielen Dank. - Bitte, Frau Ministerin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Unter Prävention wird im Allgemeinen der systematische, d. h. der theoretische und empirisch begründete Versuch verstanden, mit verschiedenen Mitteln auf der einen Seite Kompetenzen zu stärken, aber auf der anderen Seite auch Risiken abzuschwächen oder sich bereits anbahnende negative Entwicklungen zu unterbrechen, um das Auftreten dauerhafter Probleme zu verhindern. In Bezug auf rechtsextremistische Gewalt setzt Prävention bei der Einstellungsebene, d. h. bei der Abwertung bzw. bei der negativen Bewertung vermeintlich sozialer Fremdgruppen, und bei der Verhaltensebene, z. B. bei den Formabweichungen, der Verhaltensentwicklung, der Gewaltaffinität und Ähnlichem an.

Um auf Einstellung und Verhalten positiv einwirken zu können, gibt es verschiedene Ansatzpunkte, die traditionell in die von mir schon genannten primären, sekundären und tertiären Präventionsmaßnahmen unterteilt werden. Universelle Maßnahmen hingegen setzen auf die generelle Stärkung des Bewusstseins für grundlegende Regeln des demokratischen Verfassungsstaates.

Diese Maßnahmen richten sich an alle Personen, nicht nur an eine besondere oder besonders gefährdete Zielgruppe. Die generelle Annahme hinter diesen Maßnahmen ist, dass demokratische Orientierungen gelernt werden müssen wie alles andere auch. An dieser Stelle setzt auch politische Bildung an. Politische Bildung versucht, die Interessen und Fähigkeiten der Bürgerinnen und Bürger auf politische Zusammenhänge zu lenken,

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

ihre politischen Erkenntnisse und Einsichten zu erweitern, ihre Urteilskraft zu stärken und gegebe

nenfalls ihr politisches Engagement zu fördern. Damit setzt die Prävention immer an einer konkreten Problemstruktur an und versucht, eine konkrete Handlungsänderung herbeizuführen, während die Ebene der politischen Bildung auf eine generelle Wertevermittlung an eine unspezifische Zielgruppe orientiert ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Die zweite Zusatzfrage stellt Herr Kollege Onay, Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau Ministerin, vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen kam in mir die Frage auf, ob die Handlungsfreiheit der kommunalen Ebene nicht eventuell eingeschränkt wird, wenn jetzt mit einer Liste von Programmen vorgegeben wird, wie Prävention vor Ort zu geschehen hat oder ausgestaltet werden soll. Wäre es nicht zielführender, der kommunalen Ebene das zu überlassen? Weiß die nicht am besten, was vor Ort an Prävention geleistet werden muss?

Vielen Dank. - Bitte, Frau Ministerin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für diese Frage. - Beim Landespräventionsrat geht es gerade nicht um eine Bevormundung der kommunalen Institutionen, sondern es geht darum, die Handlungskraft der kommunalen Akteure zu stärken.

Nur dann, wenn man Hilfestellung dabei bekommt, welche Probleme sich in der eigenen Kommune stellen, wenn man sie analysieren kann und weiß, auf welches konkrete Problem man reagieren muss, dann ist man auch in der Lage, die gering vorhandenen Ressourcen zielgenau einzusetzen. Dabei unterstützt der Landespräventionsrat sowohl mit der Methode „Communities That Care“, aber genauso mit der Grünen Liste Prävention.

Was eine Kommune dann tatsächlich macht, ob sie meint, sie müsse darauf zugreifen, oder ob sie andere Informationsquellen hat, ist ihr natürlich frei überlassen. Es gibt keinerlei Bevormundung. Dies

ist allein ihre Entscheidung. Der Landespräventionsrat ist nur dabei, diese Entscheidung durch seine Kenntnisse zu unterstützen und zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Wahlmann, SPD-Fraktion. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass ein Strafverfahren die Opfer oft zum zweiten Mal ganz besonders belasten kann, weil man nicht nur mit der besonderen Situation vor Gericht konfrontiert wird, sondern auch mit dem Täter noch einmal in Kontakt kommt, frage ich die Landesregierung: Wie stärkt die Landesregierung die Opfer im Rahmen eines Strafverfahrens?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Bitte, Frau Ministerin!

Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Wahlmann, tatsächlich ist die Begleitung und Betreuung von Opferzeuginnen und -zeugen im Strafverfahren eine ganz besonders wichtige Aufgabe. Diese Aufgabe ist dabei nicht nur auf die Unterstützung der Opferzeuginnen und -zeugen gerichtet, sondern sie ist auch Grundlage für die Durchführung eines effektiven und wirksamen Strafverfahrens insgesamt; denn nur wenn Opferzeuginnen und -zeugen tatsächlich aussagebereit sind, kann ein Strafverfahren Erfolg haben.

Deswegen gibt es in Niedersachsen seit 2013 Frauen und Männer - wenige Männer, meistens Frauen -, die sich im Bereich der psychosozialen Prozessbegleitung haben ausbilden lassen. Niedersachsen hat dabei besondere Standards entwickelt, im Übrigen noch in der Zeit der Vorgängerregierung. Das Gesetz, das ich schon angesprochen habe, das morgen durch den Bundesrat verabschiedet wird, wird das als Pflichtaufgabe vorsehen. Das ist eine Aufgabe, die wir hier in Niedersachsen bereits seit 2013 auf dem Niveau, das gesetzlich festgeschrieben ist, wahrnehmen, und zwar mit großem Erfolg und, wie gesagt, mit dualem Nutzen: auf der einen Seite für die Opferzeu

ginnen und -zeugen, die ein solches Verfahren ohne eine Retraumatisierung durchlaufen können, und auf der anderen Seite auch zum Nutzen der Durchführung der Hauptverhandlung, weil die Zeuginnen und Zeugen besser in der Lage sind, ihrer Aussagepflicht nachzukommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Hamburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass Sie etwas zu Aussteigerprogrammen ausgeführt haben: Wie viele Menschen steigen eigentlich jährlich aus der rechten Szene aus, und warum benötigt Niedersachsen hierbei so viele Akteure?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Hamburg.

(Björn Thümler [CDU]: Frage Nr. 5!)

Bitte, Frau Ministerin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Beginn der AussteigerhilfeRechts im Jahr 2001 gab es insgesamt 190 Betreuungsanfragen und insgesamt 122 Betreuungsaufnahmen. Die primäre Zielgruppe bilden dabei im Landespräventionsrat Personen, die bereits Straftaten begangen haben, in der Regel politisch motivierte Delikte, zum Teil aber auch andere Straftaten. Damit ist der Zugang zu dieser Personengruppe sehr gut über den Strafvollzug möglich.

Die Aktion Neustart beim niedersächsischen Verfassungsschutz geht im Vergleich zur AussteigerhilfeRechts beim MJ auch proaktiv auf Personen der rechten Szene zu.

Neben den staatlichen Aussteigerprogrammen als zentrale Unterstützungsmaßnahme für die Reintegration sind zivilgesellschaftliche Träger für die Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit bedeutsam. Es geht vor allen Dingen um solche Personen, die ein erhöhtes Misstrauen gegenüber staatlicher

Organisation besitzen und nicht von staatlichen Aussteigerprogrammen übernommen werden können.

Gerade die Zusammenarbeit und die Engmaschigkeit der Aussteigerprogramme im staatlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich ergeben eine effektive und funktionsfähige Struktur. Alle wissen voneinander. Alle wissen, welche Ansprechpartner für sie die richtigen sind. Deswegen ist die Struktur, die wir in Niedersachsen haben, einzigartig im Vergleich zu anderen Bundesländern. Man blickt mit Neid auf uns.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Höntsch, SPD-Fraktion. Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: Welche regelmäßigen Fortbildungen gibt es in Niedersachsen zum Thema Opferschutz?

(Jens Nacke [CDU]: Das wollte ich auch schon immer mal wissen! - Björn Thümler [CDU]: Das war Nr. 9!)

Vielen Dank, Herr Kollege Höntsch.

(Zuruf von Björn Försterling [FDP])

- Herr Kollege Försterling, Sie haben die Möglichkeit, noch zwei Zusatzfragen zu stellen, wenn es Ihnen ein Anliegen ist. Das sollten Sie ernsthaft überlegen.

Bitte, Frau Ministerin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Neben den bereits benannten einmal jährlich möglichst dezentral stattfindenden eintägigen Fortbildungen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie für Richterinnen und Richter, die themen- und bedarfsbezogen auf die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger erweitert werden, bietet Niedersachsen seit 2012 jedes Jahr einmal auch bundesweit in der Richterakademie in Wustrau eine einwöchige Fortbildung an, und zwar insbesondere und ausschließlich zum Thema Opferschutz.

Gegenstand der Fortbildung im Jahr 2016 werden insbesondere die durch das 3. Opferschutzreformgesetz in Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie neu geschaffenen opferschützenden und opferunterstützenden Maßnahmen sein, darunter insbesondere die psychosoziale Prozessbegleitung.