Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

wie z. B. die bekanntermaßen sehr strengen amerikanischen Werte, Herr Limburg. Sie müssen wissen: Eine Verschärfung wäre es bereits, wenn man die amerikanischen Grenzwerte für die Binnenschiffe verankern würde. Aber so enthält der Entwurf - ich zitiere die Binnenschiffer - „Killerkriterien“, die als isoliertes und strenges Regelwerk nur für Europa gelten sollen.

Die Folge wären notwendige Investitionen, die oft von den kleinen Unternehmen, die manches Mal nur das eine Schiff besitzen, das deren einziges Kapital ist, selbst mit einer Förderung kaum zu leisten sind. Ob die Einbauten dann technisch zu machen wären, ist noch eine andere Frage und hängt vom Einzelfall ab. Diese Überforderung würde dazu führen, dass die Flotten lange nicht ersetzt und genau das Gegenteil dessen eintreten würde, was eigentlich unser Ziel ist.

Es wird Sie daher nicht verwundern, dass der Widerstand gegen die im Antrag bezeichnete Verordnung der EU ganz massiv ist. Es geht um die Einschränkung für den Verkehrsträger Binnenschiff, die die Branche nur schwerlich überstehen könnte.

Wenn wir unser Ziel weiterverfolgen wollen, mehr Güter auf das Wasser zu bringen, haben wir dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen weiterhin einen fairen Wettbewerb erlauben. Wir dürfen die Entwicklungsmöglichkeiten nicht weiter beschneiden;

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

denn gerade die Binnenschifffahrt, ohnehin schon ein umweltfreundlicher Verkehrsträger, arbeitet aktiv daran mit, Emissionen weiter zu verringern. Daher kann es nicht darum gehen, eine Branche zu zwingen, Grenzwerte einzuhalten.

Im sogenannten Greening sucht man nach neuen Technologien, um eine realistische Balance zwischen den Emissionsgrenzen und dem wirtschaftlichen sowie dem technischen Aufwand zu finden.

Aber nun bedarf es eines klaren Schulterschlusses mit der Politik; denn es droht immer noch die Gefahr, dass den mittelständischen Unternehmen in der deutschen Binnenschifffahrtsbranche ein gewaltiger Schuss vor den Bug gegeben werden könnte.

(Zustimmung bei der FDP und von Dirk Toepffer [CDU])

Niemand sollte glauben, das Thema sei schon ausreichend besprochen, und Europa werde es schon in unserem Sinne richten. Damit sollten wir es nicht bewenden lassen.

Je klarer wir uns hierzu äußern, desto mehr stärken wir die Position der Binnenschiffer. Die FDP tut das, weil sie der festen Überzeugung ist, dass dieser Beschluss ein Baustein wäre, die Verkehrswirtschaft zu stärken. Eine Ablehnung könnte ich also nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Eilers. - Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Susanne Menge das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag verfolgt im Grunde zwei Ziele. Erstens soll sich die Landesregierung im Bundesrat für weniger scharfe Schadstoffgrenzen einsetzen und damit den Verordnungsentwurf auf EU-Ebene entsprechend beeinflussen. Die deutsche Binnenschifffahrt spielt in diesem Antrag eigentlich nur die Rolle, Mittel zum Zweck zu sein. Denn zweitens soll mit weniger scharfen Schadstoffgrenzen der Absatzmarkt für Motorenhersteller in Deutschland gewährleistet werden.

Wir könnten die Debatte an dieser Stelle eigentlich beenden; denn die Weichen sind längst gestellt. Aufgrund von 290 Änderungsanträgen zum Verordnungsentwurf sind die EU-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier zu bedeutsamen Ergebnissen gelangt. In ihrer letzten Sitzung im Januar dieses Jahres besannen sie sich auf den G-7-Gipfel auf Schloss Elmau im vergangenen Jahr und auf die Ergebnisse des Klimagipfels in Paris. Ein umfang

reiches Maßnahmenpaket für die Binnen- und Seeschifffahrt soll auf den Weg gebracht werden: Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um bis zu 70 % im Vergleich zum Jahr 2010.

Das wiederum bedeutet die Umstellung der maritimen und allgemeinen Wirtschaftsweise, woraus folgt, dass alle Prozesse und Handlungen, bei denen Kohlenstoffdioxid, Stickoxide, Feinstaub und andere Schadstoffe freigesetzt werden, unterbleiben oder kompensiert werden müssen - mit dem Ziel der CO2-Neutralität der Wirtschaft.

Die Bundesregierung hat auf ihrer kleinen Klausurtagung in Düsseldorf während einer Fahrradtour am Rhein festgestellt, dass viele Binnenschiffe noch mit teilweise recht alten Schiffsmotoren ausgestattet sind, die Ruß und Stickoxide völlig ungefiltert in die Luft blasen - pro Rheinkilometer etwa genauso viel wie auf 1 km der A 44 und der A 52. Die Belastungen führten zu starkem Hustenreiz und Brennen in den Augen. Also lobte das Kabinett das umfangreiche Maßnahmenpaket der EU, und die Kanzlerin versprach dieses Mal, die EU-Schadstoffverordnung nicht zu torpedieren. Zitat: Das hat mit der Energiewende auch geklappt. Kein Mensch bezweifelt heute, dass Energieeinsparungen, Förderungen der regenerativen Energie und energetische Sanierung die richtigen Schritte sind.

(Jörg Bode [FDP]: Doch!)

So die Bundeskanzlerin. Leider, bevor Sie sich zu Wort melden, Herr Bode, war das gerade reine Fiktion. Tatsächlich sollen nämlich die um 10 % schwächeren US-Grenzwerte erreicht werden, was ca. 2 t pro Schiff pro Jahr mehr Emissionen entspräche. So fordern es die Schifffahrtsverbände. Damit werden wieder einmal innovative Kräfte dieses Landes gebremst und kleine Schritte in Richtung Klimaschutz durch starke Lobbyarbeit behindert.

Im niederländischen Binnenschifffahrtsverkehr z. B. funktioniert Konversion, womit der Feststellung im FDP-Antrag, dass der europäische Markt für Binnenschiffsmotoren ein Nischenmarkt und deshalb aufgrund der kleinen Stückzahl unattraktiv sei, widersprochen werden muss.

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Auch die sogenannte Flex-Regelung gestattet es Motorenherstellern, sowohl in den USA als auch in der EU unter bestimmten Voraussetzungen Schiffsmotoren zu verkaufen. Entsprechende Aus

nahmeregelungen werden von den Behörden ausgestellt.

Die FDP stellt richtig fest, dass Partikelfilter oder andere Techniken nicht so gebaut werden können, dass sie in jedes Schiff passen. Diese müssten einzeln angepasst werden, was sehr teuer ist.

Daraus schlussfolgern wir, dass die Schadstoffgrenzen nicht aufgeweicht werden müssen. Stattdessen müssen wir über Fördertöpfe nachdenken, damit es sich lohnt, Partikelfilter und passende Kleinstmotoren zu bauen - im Interesse einer frühzeitigen Innovation und im Interesse einer Investition in klimaverträgliche Antriebe. Dazu sind klare politische Zielvorgaben notwendig als da wäre der Einbau eines neu entwickelten zweistufigen Abgasreinigungssystems, einer Anlage, die nahezu 100 % Partikel aus dem Abgas herausfiltert. Stickoxide können um etwa 70 % reduziert werden, Kohlenwasserstoffe werden nahezu vollständig abgebaut, Feinstaub vermindert sich um 94 %, während der kohlenstoffhaltige Ruß um 99 % abgebaut wird, so das Ergebnis einer Testphase auf dem Rhein.

Die Binnenschifffahrt ist für Transporte ein unverzichtbares Transportmittel zur Bewältigung der wachsenden Verkehrsströme in Deutschland. Wir benötigen die Wasserverkehrswege, um den Gütertransport zu verlagern. Ein 105 m langes Schiff ist beispielsweise im Stande, fast 2 000 t Ladung an Bord zu nehmen. Das entspricht in etwa 100 bis 120 Lkw-Ladungen.

Aber was nützt der beste schadstoffarme Motor, wenn niedrige Wasserstände die Binnenschifffahrt gefährden, wenn die Schiffe nur noch die Hälfte oder nur noch ein Drittel ihrer Kapazität laden können oder wenn deshalb mehr Schiffe mit mehr Besatzung fahren müssen, damit die Fracht komplett am Zielort ankommt? Wer sollte das dann bezahlen? - Wenn wir denn ernsthaft die globale Erwärmung auf weniger als 2° C gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung - laut Paris - begrenzen wollen, kann es gar keine überzogenen Abgasnormen geben.

Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Kollegin Menge. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Bernd-Carsten Hiebing das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Binnenschifffahrt in Deutschland und in Europa ist für unsere Zukunft wichtig. Ich finde, sie hat auch Zukunft, wenn wir sie ihr denn nicht nehmen.

Die Bundesrepublik verfügt über ein über 7 000 km langes Netz an Binnenwasserstraßen, und gut 80 % der deutschen Großstadtregionen haben einen Wasserstraßenanschluss. Ich denke, es ist wichtig, das hier festzuhalten. Etwa 900 Unternehmen in der gewerblichen Binnenschifffahrt mit fast 8 000 Beschäftigten sorgen allein in der Bundesrepublik dafür, dass jährlich 230 Millionen Güterverkehrstonnen auf unseren Wasserwegen bewegt werden. Das ist, glaube ich, schon eine beeindruckende Zahl. Dies sind gute Voraussetzungen und beeindruckende Werte, die den Stellenwert dieser Branche nachhaltig unterstreichen.

Einige weitere Aspekte sind vielleicht noch aussagekräftiger und für die Bedeutung des Binnenschiffs hier einmal zu nennen. Schauen Sie sich einmal die kritischen Aspekte, die Belastungen an, die jedem Verkehrsträger unterstellt werden dürfen! Dann liegt die Zukunft des Güterverkehrs, wie ich finde, zu einem wesentlichen Teil auf den Wasserwegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn ich mir etwa die Kosten für Lärmschutz, die Unfallkosten, aber auch den Primärenergieverbrauch anschaue, meine ich, dass das Binnenschiff in vielen Teilen ein unschlagbarer Verkehrsträger ist und auch gegenüber Bahn und Lkw durchaus unterstützenswert ist, meine Damen und Herren.

Im Gegensatz zum Straßen- und Schienenverkehr verfügt der Wasserweg zudem über deutliche Kapazitätsreserven. Das darf man an der Stelle auch einmal sagen. Unbestritten ist sicherlich das Potenzial der Binnenschifffahrtswege, die einen wesentlich größeren Anteil an Transportmengen aufnehmen könnten, wenn wir denn die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Ich glaube schon, dass wir sie schaffen müssen.

Wenn wir CO2-Einsparungen im Verkehrssektor anstreben, führt angesichts wachsender Transportmengen kein Weg an der Wasserstraße vorbei. Vielleicht sind wir uns darin sogar einig.

Nichtsdestotrotz steht die deutsche Binnenschifffahrt unter erheblichem Kostendruck, und zwar

einerseits durch ausländische Binnenschifffahrtsgesellschaften und andererseits natürlich durch das Transportmittel Lkw. Viele Schifffahrtsfamilien befürchten das endgültige K. o., wenn diese EU-Verordnung, gegen die sich der FDP-Antrag richtet, in Kraft treten wird. Das wird möglicherweise das endgültige Aus vieler kleiner Schiffspartikulierer sein. Das wollen wir auf jeden Fall nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, grundsätzlich müssen wir dem Binnenschiff als effizientem Transportmittel eine faire Existenzmöglichkeit geben. Diese ist jedoch nicht gegeben, wenn diese Euro-6-Norm verpflichtend so umgesetzt wird. Ich denke, das geht so nicht. Die Anforderungen sind einfach zu hoch. Mit Blick auf einen globalen Markt würden vorherrschende Standards sogar deutlich übertroffen. Dies widerspricht völlig den Zyklen einer Flottenerneuerung und wird eine ganze Branche überfordern; dessen bin ich mir sicher.

Meine Damen und Herren, mein Aspekt ist ganz pragmatisch: Die Motoren, die zukünftig notwendig würden, stehen schlichtweg so gar nicht zur Verfügung.

(Jörg Bode [FDP]: Eben!)

Es handelt sich um einen Nischenmarkt.

(Susanne Menge [GRÜNE]: Nein!)

Ein kurzfristiges, vor allem auch wirtschaftliches Angebot von Motoren mit Euro-6-Standard ist bei einer vergleichsweise kleinen Stückzahl realistisch gar nicht umzusetzen.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Im Übrigen ist es ja nicht der Fall, dass die Binnenschifffahrt in ihrer Entwicklung stagniert. Aspekte wie Klimaschutz und Energieeffizienz werden von der Branche nicht ignoriert. Sie werden als wichtig angesehen. Man muss es aber auch wirtschaftlich darstellen können.

Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes hat bei Stickoxiden und Partikelemissionen deutliche Rückgänge ermittelt. Die Binnenschifffahrt ist auch umweltpolitisch durchaus auf einem richtigen Weg. Man kann zwar noch vieles verbessern. Aber es ist nicht so schlecht, wie manche es reden wollen.

(Zustimmung bei der CDU)