Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

Das hat der Minister also zugesagt und hat das, auch auf die Ringelschwanzprämie bezogen, mehrfach gesagt.

Gut wäre es, Herr Minister, wenn Sie zusätzlich klar bekennen würden: Sie haben mit der Ringelschwanzprämie eine Lösung für 0,5 % der Tiere. Darüber gibt es keinen Streit. Es ist ein Großflächenversuch. Sie haben die Wissenschaft einbezogen. Das ist in Ordnung. Das haben wir auch immer gefordert. Professor Blaha haben wir hier mehrfach als einen der Experten angesprochen.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege Grupe. - Ich weiß nicht, ob Sie das nicht hören. Das Präsidium hört das Murmeln deutlich. - Auch von Ihnen, Herr Dr. Hocker, auch von Ihnen! - Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Interessant wäre: Was ist mit den 99,5 %, die übrig bleiben? Man sollte, damit die Landwirte nicht im Regen stehen, klipp und klar sagen: Es gibt keine Lösung dafür. Wir arbeiten daran. Und: Da hilft alle graue Theorie nichts - bei dem, wo wir nicht zusammengekommen sind, an das Sie nicht heranwollten, geht es einfach um den Punkt, dass wir die Betriebe da abholen müssen, wo sie sind; reine Theorie nutzt gar nichts.

Wenn Sie einem Betrieb, der vor zehn Jahren einen Schweinestall gebaut hat, sagen, dieser müsse grundlegend anders sein, dann ist das dessen Todesurteil. Er kann nämlich ein solches Bauwerk nicht einfach verändern. Das muss er in 20 bis 25 Jahren abbezahlen.

Diesbezüglich müssten Sie sich auch noch ein Stück weiterbewegen, Herr Minister; dann können wir wirklich zu Gemeinsamkeiten kommen.

Das ist genau der Punkt. Sie wissen alle: Die Landwirtschaft befindet sich in einer schweren Krise. Wir reden vorrangig von der Milchwirtschaft, aber es ist im Schweinebereich mindestens genauso schlimm. Die Betriebe sind wirklich nicht in der Lage, auf neue politische Anforderungen, die viel Geld kosten, auch noch aus eigener Kraft zu reagieren.

Deswegen wäre es so wichtig, dass wir, wenn wir Investitionen einfordern - das wurde vorhin schon angesprochen - wenigstens entsprechende Hilfe geben. Wir müssen uns an den Realitäten orientieren und dürfen nicht reine Theorien in den Raum stellen. Sonst erreichen wir nur ein Höfesterben ungeahnten Ausmaßes. Viele Betriebe stehen am Rand ihrer Existenz. Sie brauchen dringend Hilfe und keine neuen Ideen, wie man ihnen das Leben zusätzlich schwermachen kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Dammann-Tamke das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein schöner Tag für einen Agrarpolitiker, der der Opposition im Niedersächsischen Landtag angehört. Wir kennen sehr wohl die parlamentarischen Gepflogenheiten und wissen daher, dass wir heute mit unseren Entschließungsanträgen keine Mehrheit finden und es eine Beschlussempfehlung gibt, der wir nicht zustimmen werden. Dennoch haben wir heute die Sicherheit, dass wir im Rahmen unserer eingeschränkten parlamentarischen Möglichkeiten als Oppositionsfraktion einen deutlichen Beitrag zu einer besseren Politik im Agrarbereich geleistet haben, und darauf sind wir nicht unerheblich stolz.

Meine Damen und Herren, ich musste ein wenig ausholen, weil diese Anträge zum Teil schon sehr alt sind. Sie gehen aus von einer Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums, die vom 10. April datiert. In dieser Pressemitteilung verkündete unser Landwirtschaftsminister vollmundig - weil er damals noch richtig engagiert bei der Sache war -, die Verstümmelung von Tieren müsse ein Ende haben, und er verkündete darüber hinaus, dass die Praxis des Kupierens der Schwänze bei Ferkeln

Ende 2016 in Niedersachsen beendet werde. - Punkt. Aus. Verkündet!

Heute wissen wir, dass diese Praxis 2016 nicht beendet sein wird. Sie wird nicht beendet sein, weil es viele und sehr verantwortungsvolle Gründe gibt, dies nicht in diesem zeitlichen Zusammenhang zu tun.

Wir haben das in unserem Entschließungsantrag „Nicht mit Vollgas durch die Wand - echter Tierschutz statt Populismus“, der vom 6. Mai 2014 datiert, aufgegriffen. Im Wesentlichen haben wir darin die Forderung formuliert, praxistaugliche, umsetzbare, wirksame Leitlinien zu erarbeiten. Genau das war es, was definitiv für 2016 im Tierschutzplan vereinbart war: die Erarbeitung von praxistauglichen Leitlinien zur Verhinderung von Schwanzbeißen und Kannibalismus beim Schwein bis zum Jahr 2016.

Die weitere Debatte hat aber gezeigt, dass der Minister von seinen Äußerungen nicht ablassen wollte. Insofern haben wir im September des gleichen Jahres einen weiteren Antrag formuliert: „Tierschutzplan wissenschaftlich fundiert, praxisorientiert und vom Tierhalter leistbar umsetzen“. Die Kernforderungen waren: „ergebnisoffen“, „wissenschaftlich begründet“ und „ökonomisch vertretbar“.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben!)

Im Dezember 2014 hat sich Professor Blaha - ein maßgebliches Mitglied der Arbeitsgruppe im Tierschutzplan zum Bereich Schwein - an die Öffentlichkeit gewandt. Er hat verkündet, dass ein schneller Stopp der Amputationen den Tieren - beim Schwein - mehr schadet, als dass er nutzt, und er rät von einem übereilten Verbot der Ringelschwanzprämie deutlich ab.

Im Laufe des Jahres 2015 hatten wir dann eine bemerkenswerte Anhörung, in der uns die Vertreter der verschiedenen Organisationen in eindringlicher Weise davor gewarnt haben, einen überstürzten Ausstieg aus der Praxis des Schwänzekupierens herbeizuführen. Unsere Position wurde in dieser Anhörung ausdrücklich gestützt.

Dann kam die Norwegenreise des Ministers mit seiner Entourage. Auch da gab es wieder Jubelmeldungen, die ausgeblendet haben, dass es sich bei Norwegen um ein Nicht-EU-Mitglied handelt, folglich um einen abgeschotteten Markt und ein nicht unerheblich staatlich gestütztes System.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Aber die Schweine sind auch da Schweine!)

Am 8. Juni 2015 kam für den Minister die Erlösung: die gemeinsame Erklärung zur Tierwohlförderung zwischen dem Ministerium, dem ISN und dem Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Es ist kein abgeschotteter Markt, Herr Kollege! Das ist der Europäische Wirtschafts- raum. Dazu gehören Lichtenstein, Is- land und Norwegen! Was reden Sie denn da?)

Für alle, die der Meinung waren, dass der Minister damit aus allen Problemen raus war, insbesondere hinsichtlich seiner Verkündung, was die Ringelschwanzprämie angeht, möchte ich ein Zitat des ehemaligen Ministers Bartels im Zusammenhang mit dieser gemeinsamen Erklärung anführen. Dieses Zitat habe ich der Pressemitteilung des ML entnommen. Dort steht: „weil bisher trotz aller Bemühungen noch keine für die breite Nutztierhaltung in Deutschland umsetzbare Lösung verfügbar ist“. Herr Bartels weiß sehr wohl, worüber wir dabei reden.

Die Ringelschwanzprämie, die der Minister so gern in den Vordergrund stellt, ist wahrlich nur ein klitzekleiner Beitrag zu mehr Tierschutz in Niedersachsen in der Schweinehaltung. Laut Ministerium werden im laufenden Jahr 2016 115 000 Schweine über diese Ringelschwanzprämie in ihrer Produktion protegiert. Niedersachsen produziert 21 Millionen Schweine. Und jeder, der des Kopfrechnens mächtig ist oder einen Taschenrechner zur Verfügung hat, wird sehr schnell errechnen: Es sind gerade einmal 0,5 %. Wir haben heute schon 1 % Bioproduktion. Neuland ist kein Bio, aber auch die Betriebe verzichten schon. Das heißt, die Betriebe, die bisher schon verzichten, können diese Prämie doppelt abgreifen. Auch wenn einige wenige konventionelle Betriebe sich auf diesen Weg eingelassen haben: Er ist nicht der Königsweg zur Lösung des Problems: des Verzichts auf das Schwänzekupieren.

Wir brauchen sichere, praxistaugliche Leitfäden. Sie sind derzeit nach wie vor nicht verfügbar. Das Geschehen ist und bleibt multifaktoriell. Die Forschung ist weiter entscheidend.

Wer die Landwirte mitnehmen will, muss ihnen Vertrauen entgegenbringen und muss sie auf dem Weg hin zu einer gesellschaftlich akzeptierten

Nutztierhaltung mitnehmen. Denn eines ist überdeutlich geworden: In der Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe und der Schweinehaltungen in Niedersachsen werden wir eine Abkehr von der Praxis des Schwänzekupierens nur durch erhebliche Baumaßnahmen, die systembedingt sind, in den Ställen erreichen können. Dazu benötigen unsere Landwirte sichere Verfahren, sichere Leitlinien und Stallsysteme, die diesen Anforderungen gerecht werden. Sie brauchen Sicherheit für Baugenehmigungsverfahren. Kein Landwirt wird ein Baugenehmigungsverfahren zur Abänderung seiner Stallhaltung auf den Weg bringen, wenn er dadurch Nachteile in Bezug auf den Bestandsschutz seiner bisherigen Anlage zu erwarten hat.

Wir brauchen aber auch Sicherheit im Hinblick auf die Auswirkungen der EU-Richtlinie. Ich spreche hier über die NEC-Richtlinie und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben.

(Glocke der Präsidentin)

Bei allen Punkten gibt es Fragezeichen und zum Teil sogar eine rote Ampel. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim BMEL geht in seinem im März 2015 veröffentlichten Gutachten bei der Umsetzung der eigenen Leitlinien für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung in Deutschland von jährlichen Mehrkosten von 3 bis 5 Milliarden Euro aus. Jährlich Mehrkosten von 3 bis 5 Milliarden Euro! Der Beirat macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass ohne politische Begleitmaßnahmen eine solche Kostensteigerung aufgrund des Wettbewerbsdrucks zur Abwanderung von Teilen der Produktion in Länder mit geringen Tierschutzstandards führen wird, wodurch den Tierschutzzielen ein Bärendienst geleistet wird.

Noch zwei Bemerkungen zum Abschluss. Herr Kollege Janßen, die AFP-Förderung ist ausdrücklich nicht im Hinblick auf eine Verbesserung und die Möglichkeit des Verzichts des Schwänzekupierens eingerichtet.

(Glocke der Präsidentin)

Kein konventioneller Landwirt, der eine bestehende Stallanlage hat, wird in den Genuss dieser Mittel kommen, weil sie für ihn nicht passen. Mit diesen AFP-Mitteln kommen wir sowohl vom Volumen als von der Förderrichtung her nicht einen Schritt weiter.

Abschließend - - -

Für Ihre zweite Bemerkung bleibt keine Zeit mehr. Noch einen Satz, Herr Kollege!

Abschließend. Der Minister hat beim vorletzten Tagesordnungspunkt ausdrücklich die Vereinbarung zwischen ISN und Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland zum Thema „Beendigung der Praxis des Schwänzekupierens“ gelobt. Ich stelle an dieser Stelle ausdrücklich fest, dass diese Vereinbarung keine zeitliche Vorgabe im Hinblick auf das Ende der Praxis des Schwänzekupierens macht. Deshalb ist für uns heute ein guter Tag, weil wir in Niedersachsen die Schweinehalter und diesen Minister vor einem Irrweg bewahrt haben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Staudte, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bitte!

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Aber jetzt nicht mit Ordnungsrufen!)

- Diese Ratschläge nimmt sie bestimmt gerne entgegen, Herr Kollege! Wenn Sie dafür jetzt aufmerksam zuhören, hätten wir alle gewonnen. - Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Uns liegen hier drei Ursprungsanträge vor: zwei von der CDU und einer von der FDP, die tatsächlich schon relativ lange im Verfahren waren. Wir hatten auch Anhörungen zu dieser Thematik. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie die Umsetzung des Tierschutzplans eigentlich ausbremsen wollten.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das stimmt doch nicht!)

- Doch! - Ich muss Ihnen an dieser Stelle zu der Vereinbarung mit der ISN sagen: Darin ist kein Datum genannt, darin ist aber auch kein Datum revidiert worden. Insofern gilt weiterhin das, was im Tierschutzplan steht.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Es sollten 2016 Leitlinien erarbeitet wer- den!)

In Ihren Anträgen, die wir heute nicht beschließen werden, beschönigen Sie die Situation. Der Antrag der FDP geht in die Richtung, z. B. die sogenannte Ringelschwanzprämie komplett abzulehnen. Insofern bin ich sehr froh, dass wir nach den Beratungen, die wir im Ausschuss hatten, heute mit der Mehrheit von SPD und Grünen eine sehr sachliche Beschlussvorlage des Agrarausschusses vorlegen können.

Sie stellen es immer wieder so dar, dass die Agrarwende eine fixe Idee einer Partei oder gar eines einzelnen Ministers sei. Aber man muss ganz deutlich sagen: Die Neuausrichtung gerade in Bezug auf eine bessere Nutztierhaltung, also für mehr Tierschutz, entspricht dem, was die Mehrheit der Gesamtgesellschaft möchte. Sie will den Tierschutzplan. Sie will, dass er engagiert und zügig umgesetzt wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)