Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

Die innenpolitische Sprecherin Angelika Jahns allerdings distanziert sich davon und warnt vor Wildwest-Kultur. Dem kann man zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Noch weiter geht der CDU-Bürgermeister von Wolfenbüttel, Herr Thomas Pink. Er findet gar drastischere Worte und sagt: „Hätte das ein Bürgermeister von sich gegeben, so hätte ihn das vielleicht sein Amt gekostet. Im Übrigen zu Recht!“

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Knoerig fordert hingegen die pauschale Erfassung sämtlicher Handy- und Kommunikationsdaten von Flüchtlingen.

Vor der Sommerpause wollte die CDU-Landtagsfraktion für Geduldete noch eine Bleiberechtsperspektive. Nach der Sommerpause will man lieber Abschiebung. Vor der Sommerpause war man noch gegen die Trennung von Familien. Jetzt will man den Familiennachzug am besten ganz verhindern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ausführungen von Herrn Thümler zu Verantwortung

und seine starken Sprüche erscheinen jetzt in einem ganz anderen Licht.

(Zuruf von Björn Thümler [CDU])

Da stellt sich schon die Frage - und das war lediglich eine kleine Auswahl der Verlautbarungen seit Köln ohne Anspruch auf Vollständigkeit -: Was will die Union? - Eine Willkommenskultur konnte ich bei diesen Punkten jedenfalls nicht erkennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Petra Tiemann [SPD]: Das hast du schön herausgearbeitet!)

Diese Kakophonie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Ausdruck blanken Populismus.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das läuft ganz nach der Devise „Wer hat noch nicht, wer will noch mal?“. Aber mit dieser Art der Politik bestärken und bedienen Sie das Gefühl der Verunsicherung in der Bevölkerung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie sich die Forderungen, die Sie hier immer wieder in verschiedenen Ländern und auf Bundesebene aufstellen, einmal genauer anschauen, dann werden Sie sehr viele - ich finde: zu viele - Ähnlichkeiten mit Forderungen von AfD und Pegida finden.

(Jens Nacke [CDU]: Aber sonst geht es Ihnen gut, Herr Kollege?)

- Herr Nacke, Sie können gern einmal in das Thesenpapier der AfD aus dem September 2015 und in die Pegida-Forderungen aus dem Januar 2015 schauen.

Die CSU feiert diese Forderungen gar als schärfste Asylgesetze aller Zeiten. Da stellt sich mir schon die Frage: Bahnt sich da ein Bündnis an? - Da muss die CDU klare Kante setzen und ein klares Signal aussenden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Denn mit diesem Politikstil, den Sie hier fahren, wird die Willkommenskultur in unserem Land garantiert Schaden nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Jens Nacke [CDU])

Vielen Dank, Herr Onay. - Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Boris Pistorius das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die einzige echte Wende, die es in der niedersächsischen Flüchtlingspolitik gegeben hat, war die Wende nach dem Regierungswechsel vor drei Jahren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU - Zu- ruf von Reinhold Hilbers [CDU])

Damals lebten wir offenbar auf einer Insel der Glückseligen, nur hat es keiner gemerkt.

Damals gab es landesweit und in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht einmal 1 800 Plätze - auf denen übrigens 2 500 Flüchtlinge untergebracht waren.

(Christian Dürr [FDP]: Herr Weil, wa- rum reden Sie eigentlich nicht?)

Dagegen ist es uns in Niedersachsen im letzten Jahr gemeinsam mit den Kommunen, den Hilfsorganisationen und unzähligen Ehrenamtlichen gelungen, in der Spitze mehr als 35 000 Menschen gleichzeitig unterzubringen. Das ist eine gewaltige Leistung, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU - Christian Dürr [FDP]: Herr Weil, wa- rum reden Sie jetzt nicht?)

Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache, eben auch, weil wir hier gemeinsam mit den Kommunen Lösungen gefunden haben.

(Björn Thümler [CDU]: Sie haben doch versagt!)

Diese Zahlen zeigen, dass die neue Willkommenskultur von dem weit überwiegenden Teil der Menschen in diesem Land nach wie vor getragen und unterstützt wird, von Menschen, die sich in Niedersachsen aktiv für das Gemeinwesen und eben auch für die hinzukommenden Menschen einsetzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir bauen auch weiterhin nach Kräften unsere eigenen Kapazitäten aus,

und wir tun sehr, sehr viel, um die zahlreichen Helfer so gut wie möglich zu unterstützen.

Dazu dient u. a. das Bündnis „Niedersachsen packt an!“, dem sich viele, viele Menschen und Organisationen in diesem Land angeschlossen haben. Das Bündnis hat seine Arbeit erfolgreich begonnen. Wir gewinnen täglich neue Unterstützer. Dies zeigt zugleich, dass die Willkommenskultur bei uns im Land wirklich gelebt wird und lange nicht am Ende ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich allen, die sich für dieses Bündnis einsetzen. Ich könnte viele Beispiele für das aufzählen, was wir zur Unterstützung der Ehrenamtlichen und zur Betreuung der Flüchtlinge tun. Stattdessen will ich ein äußerst treffendes Zitat des Bundespräsidenten in Erinnerung rufen:

(Jens Nacke [CDU]: Machen Sie mal! Zählen Sie mal auf!)

Der Bundespräsident sagte schon im letzten Jahr: „Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich!“

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

Diese Aussage teilen der Ministerpräsident und ich ausdrücklich. Deswegen betone ich es noch einmal: Ja, wir wollen helfen, und wir werden helfen.

(Zuruf von Björn Thümler [CDU])

Aber es ist eben auch wahr, dass Deutschland diese europäische, diese globale Herausforderung nicht im Alleingang bewältigen kann. Das ist übrigens eine Erkenntnis, die sich in Teilen der Bundesregierung, insbesondere im sozialdemokratischen Teil, längst verfestigt hat. In dem anderen Teil scheint man darüber lieber zu streiten, in Wildbad Kreuth und anderswo.

(Ulf Thiele [CDU]: Können Sie das mal Frau Schwesig erklären? - Björn Thümler [CDU]: Frau Schwesig hat es bis heute nicht verstanden!)

Diese globale Herausforderung können wir nicht im Alleingang bewältigen, meine Damen und Herren. Ich würde mir vielmehr wünschen, dass der Satz „Wir wollen helfen“ auch in anderen europäischen Ländern ankommt und auch dort endlich zur Kenntnis genommen, akzeptiert und umgesetzt wird - insbesondere dort, wo man sich bisher fast komplett bei der Flüchtlingsaufnahme zurückhält.

(Beifall bei der SPD)

Hier wird angesprochen, was insbesondere der CDU-geführte Teil der Bundesregierung so alles auf den Weg bringt. Lassen Sie uns doch einmal kurz rekapitulieren, was das ist. Das sind im Wesentlichen entweder Placebos oder kleinteilige Lösungen - die man zwar braucht, die aber das Problem nicht lösen helfen.

Wir können natürlich über die Verschärfung von Ausweisungsregelungen reden. Ich bin dafür. Wir können auch darüber reden, ob wir die Wohnsitzauflage vorübergehend wieder prüfen, oder darüber, ob wir den Zuzug von diesem oder jenem anders regeln. Aber das alles löst zwei Hauptprobleme nicht, meine Damen und Herren, nämlich das der Zuzugsgeschwindigkeit und der Zuzugszahlen und das der nach wie vor unerträglichen Bearbeitungsdauer beim BAMF.