Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

Wir können natürlich über die Verschärfung von Ausweisungsregelungen reden. Ich bin dafür. Wir können auch darüber reden, ob wir die Wohnsitzauflage vorübergehend wieder prüfen, oder darüber, ob wir den Zuzug von diesem oder jenem anders regeln. Aber das alles löst zwei Hauptprobleme nicht, meine Damen und Herren, nämlich das der Zuzugsgeschwindigkeit und der Zuzugszahlen und das der nach wie vor unerträglichen Bearbeitungsdauer beim BAMF.

Wir sind an dieser Stelle nicht einen Schritt weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Herr Pistorius, wir haben die Wohnsitzauf- lage der Asylbewerber!)

Selbst der Präsident des BAMF spricht inzwischen von 660 000 Anträgen, die entweder noch gar nicht gestellt werden konnten oder die noch der Bearbeitung harren.

Deswegen gilt: In der Bundesregierung ist der stabilisierende Faktor die SPD.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind diejenigen, die über den Tellerrand hinausschauen. Wir sind diejenigen, die deutlich machen, worauf es ankommt, wenn die Unterbringung gewährleistet ist. Wir sind diejenigen, die die Integrationskonzepte vorlegen und die nicht permanent eine neue Sau durchs Dorf treiben, was niemandem hilft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen erwarten wir von der Bundeskanzlerin zu Recht, dass sie sich dieser Fragen annimmt, dass sie Erfolge liefert in der Frage, wie wir eine europäische Solidarität schaffen, in der Frage, wie wir damit umgehen, dass der Zuzug reguliert wird, und in der Frage, wie wir damit umgehen, dass wir

nur dann wirklich helfen können, wenn wir auch die Luft und den Spielraum dafür haben.

Wenn in diesen Tagen pro Tag in Deutschland 3 000 Menschen ankommen, dann ist das wenig im Vergleich zum Herbst letzten Jahres. Wir haben aber eine Schlechtwetterperiode. Wenn sich diese Zahl erhöht - und das wird sie -, dann steuern wir in diesem Jahr auf 1,8 bis 2,5 Millionen Flüchtlinge zu.

(Christian Dürr [FDP]: Was machen Sie denn, Herr Pistorius? - Gegenrufe von der SPD und von den GRÜNEN: Herr Dürr!)

- Das können wir als Land nicht beeinflussen, Herr Dürr. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Mei- ne Güte! Sie reden von Dingen, von denen Sie keine Ahnung haben! Das ist peinlich!)

Jemand, der jahrelang den schlanken Staat propagiert und Stellen abgebaut hat, der jahrelang Bürokratieabbau gepredigt hat und der sich heute hinstellt und einen starken, handlungsfähigen Staat fordert, der sollte sich einmal infrage stellen, meine Damen und Herren!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Die Stellen in der Staats- kanzlei helfen?)

Herr Minister, Moment, bitte!

(Christian Dürr [FDP]: Ihre SPD-Appa- ratschiks in der Landesregierung, all die Landesbeauftragten? Das ist lä- cherlich!)

- Herr Dürr!

Herr Minister, bevor Sie fortfahren: Herr Thiele bittet darum, eine Frage stellen zu dürfen.

Nein, jetzt nicht. Ich komme nämlich zum Schluss.

Dann bitte, kommen Sie zum Schluss!

Wir sollten uns gemeinsam auf das konzentrieren, worum es geht. Wir sollten von Deutschland und Niedersachsen aus ein klares Signal nach Europa senden, dass die Flüchtlingssituation nur solidarisch und fair zu lösen sein wird. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Deutschland wäre aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und seiner sozialen Absicherung bereit, eine führende Rolle einzunehmen.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist Blabla, nichts anderes!)

Dazu stehen wir. Aber die extreme Schieflage muss beseitigt werden, und das kann nicht von Niedersachsen aus passieren.

(Christian Dürr [FDP]: Ach, das sollen andere machen! Wunderbar! Das ist wirklich unfassbar, Herr Pistorius!)

Ich appelliere deshalb ausdrücklich an die Abgeordneten der CDU: Werben Sie bei Ihren Freundinnen und Freunden der EVP und im Bundeskanzleramt für den aktiven Einsatz für europäische Lösungen. Das wäre ein Fortschritt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich schließe die Aktuelle Stunde der CDU.

Ich rufe auf

d) Rot-grüne Regierung ohne Plan und ohne Mehrheit in der Flüchtlingspolitik - Weil fordert Plan B von Merkel und hat selbst keinen Plan A - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/4993

Zur Begründung erteile ich Herrn Kollegen Oetjen das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Anfang Januar zieht sich die Niedersächsische Landesregierung zu einer Kabinettsklausur zurück und erklärt die Integrationspolitik zum Schwerpunktthema. Wir alle waren gespannt, was bei dieser Klausurtagung herauskommt. Dann tritt Herr Weil vor die Presse, und wir erwarten, dass er seinen Plan A präsentiert. Aber Herr Weil präsentiert keinen Plan A, verehrte Kolleginnen und Kol

legen, sondern tut das, was er schon das ganze Jahr 2015 getan hat: Er zeigt auf Berlin und fordert von dort einen Plan B. Dabei hat er selber keinen Plan A, wie er in dieser Flüchtlingskrise vorgehen will.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es wird zu Recht festgestellt - das hat der Innenminister gerade auch gemacht -, dass der derzeitige Rückgang auf einen Tageszugang von etwa 3 000 Personen witterungsbedingt ist. Das kriegen wir auch einigermaßen gewuppt, wie es so schön heißt. Aber ich habe den Eindruck, dass sich diese Landesregierung auf diesem witterungsbedingten Rückgang der Flüchtlingszugangszahlen ausruht und eben keine Vorsorge dafür trifft, dass wir als Land Niedersachsen uns mit den Aufgaben, die wir im eigenen Wirkungsbereich haben, sehen lassen können und dass wir die Flüchtlingszahlen, die möglicherweise im Frühjahr wieder ansteigen werden, tatsächlich bewältigen können. Hier fehlt der Plan A dieser Landesregierung, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Jörg Bode [FDP]: Der Sommer naht!)

Der Staat habe die Situation nicht im Griff, hat der Herr Ministerpräsident in seinem Interview gesagt, und damit hat er auch recht. Ich sage auch ganz klar, dass wir dafür sorgen müssen, dass die europäischen Außengrenzen wieder geschützt werden, damit die große Errungenschaft der europäischen Integration, nämlich die Freizügigkeit innerhalb Europas, ein Europa ohne Grenzen, auf Dauer wieder Wirklichkeit werden können.

Aber man kann doch nicht darauf warten, dass das geschieht, dass es bei den vielen verschiedenen Positionen, die die Regierungschefs derzeit aufbauen, zu einer europäischen Einigung kommt. Es läuft nicht darauf hinaus, dass es zu einer Einigung kommt, sondern eher darauf, dass die Positionen weiterhin divergierend sind.

Deswegen erwarte ich von dieser Landesregierung, dass sie in den Bereichen, in denen sie selber Verantwortung trägt, diese Verantwortung auch wahrnimmt, dass sie handelt und nicht nur redet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage hier sehr klar: Für die Flüchtlinge ist es eine unzumutbare Situation, dass sie Monate darauf warten müssen, einen Sprachkurs zu belegen, damit sie die deutsche Sprache, die der Schlüssel

zur Integration ist, erlernen können. Dafür, dass das geändert wird, sind Sie zuständig, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Minister Pistorius.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aktuell fehlen an den niedersächsischen Schulen mehrere Hundert Sprachlernklassen. Die Kinder werden schulpflichtig, kommen vor Ort an, sollen in den Schulunterricht integriert werden, und die Lehrer vor Ort, die Klassengemeinschaften tun auch das Beste, was sie tun können, um diesen Kindern zu helfen und Deutsch beizubringen. Aber um diese Lage zu bewältigen, braucht man nun einmal mehr Lehrerstunden und mehr Kapazitäten. Sorgen Sie deswegen dafür, dass mehr Sprachlernklassen in Niedersachsen angeboten werden, damit den Kindern geholfen wird und ihnen die Sprache beigebracht wird!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Kommunen ächzen. Ende Dezember ist die neue Verteilquote für die Kommunen bekannt gegeben worden, und die Bürgermeister jedweder parteipolitischen Couleur fragen sich landauf, landab, wie sie das schaffen sollen.

Sie, sehr geehrter Herr Minister Pistorius, sagen, Sie versuchen weiter, Erstaufnahmeeinrichtungen zu vergrößern. Wir predigen seit mittlerweile über einem Jahr, dass Sie auch über Neubauten nachzudenken müssen, dass Sie dafür sorgen müssen, dass mehr Plätze zur Verfügung stehen.

Ich frage Sie: Wann wird endlich die Amtshilfe beendet? Wann sorgen Sie dafür, dass Sie genügend Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen haben, damit das, was im Asylpaket II vorgesehen ist, auch tatsächlich passiert, nämlich dass Menschen, die aus sicheren Drittstaaten kommen, gar nicht erst auf die kommunale Ebene verteilt werden?

Dafür müssen Sie doch sorgen. Das ist Ihre Verantwortung, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Ministerpräsident. Handeln Sie endlich!

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)