Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sie das Gewaltpotenzial der Bürgerwehren, von denen sie berichtet hat, einschätzt.

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Watermann, bislang gibt es keine Erkenntnisse darüber, dass eine besondere Gewaltbereitschaft vorhanden ist. Auch das wird aufmerksam zu beobachten sein und hängt natürlich immer eng mit der tatsächlichen, mit der wahren Motivation für die Gründung solcher Bürgerwehren zusammen.

Ich habe es gerade beschrieben: Dort, wo es in der 90er-Jahren verstärkt Einbruchszenarien gab, haben sich Nachbarschaftshilfen gebildet, um sich zu schützen, weil es eine objektive Situation gab, vor der man sich fürchtete. Wir haben aber heute in vielen Fällen von Bürgerwehren - in den virtuellen und den wenigen realisierten Fällen - überwiegend die Situation, dass es überhaupt kein äquiva

lentes Kriminalitätslagebild gibt, das das Schüren einer solchen Furcht durch die Gründung einer Bürgerwehr überhaupt in irgendeiner Weise rechtfertigt.

Das heißt, die Motivation kann am Ende immer auch dazu führen, dass genau das eintritt, was Sie beschreiben, nämlich dass sich die Motivation derjenigen, die eine Bürgerwehr gründen, gegen bestimmte Menschen richtet, es aber nicht um den Schutz der eigenen Bürgerinnen und Bürger geht. Demzufolge ist natürlich die Hemmschwelle, Gewalt auszuüben, im Zweifel niedriger.

Aber wie gesagt: Das ist eine Entwicklung, die eintreten kann, bislang aber noch nicht sichtbar wird. Wir werden das aufmerksam beobachten.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es folgt jetzt der Kollege Dürr, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hier im Hause sind wohl einer Meinung, dass die innere Sicherheit nicht durch selbst ernannte sogenannte Bürgerwehren gewährleistet werden sollte. Ich fand das, was Sie gesagt haben, sehr richtig, nämlich dass in Bezug auf die Form von Nachbarschaftshilfe unter Umständen eine Grenze überschritten wird - das teile ich ausdrücklich, Herr Minister - und diejenigen, die sich dort organisieren, unter Umständen Rattenfängern hinterherlaufen.

Eingedenk dieser Tatsache: Ist es nicht gerade jetzt notwendig - auch vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion und der Forderung der Gewerkschaft der Polizei in Niedersachsen -, die Zahl der Anwärterstellen bei der Polizei so zu erhöhen, dass erstens die innere Sicherheit gewährleistet ist und dass zweitens auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen in Niedersachsen so gewährleistet ist, dass niemand auf diese verrückte Idee kommt?

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dürr, ich bin Ihnen zunächst einmal dankbar, dass Sie in großen Teilen meine Einschätzung in der Beantwortung dieser Anfrage teilen. Ich gebe allerdings zu: Das überrascht mich auch nicht.

In der Geschichte der letzten 30 Jahre gibt es, nachweisbar, jedenfalls keinen inneren Zusammenhang zwischen der Gründung von Bürgerwehren, Nachbarschaftshilfen und anderem und der Frage, wie viele Polizeistellen es in dem jeweiligen Bundesland gibt; denn das subjektive Sicherheitsempfinden hängt nicht an dem Bewusstsein, wie viele Polizisten es in einem Bundesland gibt. Deswegen würde ich dringend davon abraten, diesen Zusammenhang herzustellen.

Das Sicherheitsgefühl des Menschen in irgendeinem kleinen Dorf, in einer kleinen Stadt in Niedersachsen wird nicht dadurch besser, dass wir im Landtag beschließen: Wir stellen jetzt 2 000 Polizisten mehr ein. Am Ende wird er die Polizisten im Zweifel nicht sehen, oder die Straftaten verlagern sich auf einen Bereich, in dem gerade kein Polizist ist.

(Christian Dürr [FDP]: Aber das ist ja die GdP-Forderung!)

- Noch einmal: Die GdP ist die bedeutendste Polizeigewerkschaft, mit der ich noch immer regelmäßig rede, wie auch mit allen anderen Gewerkschaften. Ich werde das auch weiterhin tun.

(Jens Nacke [CDU]: Das nützt nur nichts!)

Vor dem Hintergrund anstehender Personalratswahlen muss man jede Forderung so einsortieren, wie sie gerade im Raum steht.

Ich nehme das alles sehr ernst. Wir tun alles dafür, um der Polizei die Ausstattung und den Personalbestand zu geben, den sie braucht.

(Christian Dürr [FDP]: Daran haben wir Zweifel, Herr Minister!)

Aber eine Bürgerwehr ist noch nie ein Substitut gewesen - und kann es auch nicht sein - für eine verbesserte subjektive Sicherheitslage.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Eben! Da sind wir einer Meinung!)

Danke schön. - Noch einmal der Kollege Oetjen, FDP-Fraktion.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass viele dieser selbst ernannten sogenannten Bürgerwehren für sich in Anspruch nehmen, für die Sicherheit gerade in der Nachbarschaft sorgen zu wollen, frage ich Sie: Wie grenzen Sie nach Ihrer Definition die Bürgerwehren, die zum Teil auch rechtes oder rechtsextremes Gedankengut in sich tragen, von den besorgten Bürgern ab, die sich tatsächlich um ihre Nachbarschaft kümmern wollen?

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Oetjen, wir tun dies, indem die Polizei vor Ort diejenigen, die so etwas organisieren und in der Realität auf die Straße bringen, anspricht - nennen Sie es Gefährderansprachen oder präventive Ansprachen - und ihnen deutlich macht: Wir haben ein Auge auf das, was ihr hier tut. Hütet euch vor diesem oder jenem! Hütet euch vor allen Dingen davor - das sagen wir dort, wo es bislang den Anschein nicht gegeben hat -, den falschen Leuten hinterherzulaufen! - Dort, wo wir wissen, wer vorherläuft, werden wir deutlicher. Also: Wir unterscheiden das sehr sorgfältig und machen ganz klare Unterschiede.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Jahns, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Was tut sie, um besorgte Bürgerinnen und Bürger von der Beteiligung an oder der Gründung von Bürgerwehren abzuhalten? Haben Sie schon Kontakt aufgenommen mit gefährdeten Bereichen, sage ich jetzt einmal?

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Jahns, wir haben in Niedersachsen seit, ich glaube, 25 Jahren ein sehr dicht gewordenes Netz von Präventionsvereinen und Präventionsräten, die vor Ort gerade auch für solche Fragen eine ganz zentrale Rolle spielen.

Im Grunde genommen ist es nicht möglich, Bewohner von Vierteln oder Stadtteilen gezielt anzusprechen und zu sagen: „Ihr braucht keine Bürgerwehr“, wenn es dort nicht einmal die Bestrebung gibt, eine zu gründen.

Wir müssen uns vor Augen führen, was im Internet passiert. Im Internet kann man sehr schnell eine Gruppe A, B oder C gründen. In dem Augenblick - das haben wir auch schon bei anderen Anlässen weniger brisanter Art erfahren - lässt sich sehr schnell eine große Zahl von „Likes“ produzieren, die dann aber in der Realität keine - wie soll ich sagen? - Abbildung finden, weil die Leute den Schritt vom Klick auf die Enter-Taste auf die Straße oft nicht machen.

Wir haben einen Blick darauf, wer das vor Ort organisiert. Wenn sie sich auf der Straße versammeln, geht die Polizei auf sie zu, macht Gefährderansprachen und klärt auf. In aller Regel - das ist jedenfalls bislang die Erfahrung - verstetigen sich diese Bürgerwehren, egal, mit welcher Motivation sie entstanden sind, nicht.

Vielen Dank, Herr Minister. - Es folgt noch einmal Frau Jahns. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Hat sie Erkenntnisse darüber, dass es in bereits gegründeten Bürgerwehren auch Menschen mit Migrationshintergrund gibt?

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Jahns, es gibt keine umfassende Erhebung darüber. Es ist allerdings hier und da zu registrieren, dass sich Menschen mit russischem Migrationshintergrund gelegentlich an solchen Bürgerwehren beteiligen, aber nicht in einer auffälligen Größenordnung.

Danke schön. - Meine Damen und Herren, zu dem Punkt „Selbst ernannte ‚Bürgerwehren‘ in Niedersachsen“ gibt es keine weiteren Zusatzfragen, sodass wir zu der nächsten Dringlichen Anfrage übergehen können:

b) Gabriels Brief zum Netzausbau: Notwendige Ermahnung oder „Foul“ - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/5158

Die Anfrage wird von Dr. Gero Hocker eingebracht. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verlese die Anfrage: Gabriels Brief zum Netzausbau: Notwendige Ermahnung oder „Foul“.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wirft Umweltminister Wenzel (Grüne) laut einem Bericht in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 3. Februar 2016 - Zitat: „Gabriel: Niedersachsen verschleppt die Energiewende“ - in einem Schreiben aus dem Januar 2016 vor, dass Niedersachsen die Energiewende verschleppe, indem es den notwendigen Netzausbau nicht stark genug vorantreibe. Demnach gebe es in Niedersachsen bei den genehmigten Kilometern Stromtrasse einen Fortschritt von „0 %“. Das ebenfalls kritisierte Land Schleswig-Holstein habe dagegen schon immerhin 43 % Trassen genehmigt. Umweltminister Wenzel hält Gabriels Statistik dagegen für falsch. Er vermutet ein „Foul“ Gabriels, da dieser einen geringeren Ausbau der erneuerbaren Energien wolle als die Niedersächsische Landesregierung, um die Kohle zu schützen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie viele Kilometer Stromnetze der Höchstspannungsebene sind zusätzlich notwendig, wenn die Ausbauziele der Landesregierung bezüglich der erneuerbaren Energien umgesetzt werden, und bis wann sollen diese gebaut bzw. aufgerüstet sein?

2. Wie viele Kilometer sind bisher durch das Land wann genehmigt worden?

3. Sieht die Landesregierung in der Kritik des Bundeswirtschaftsministers Gabriel einen konstruktivkritischen Anstoß, um die Energiewende zum Er

folg zu führen, oder lediglich ein „Foul“, wie es Umweltminister Wenzel formulierte, um die Kohle gegen die erneuerbaren Energien zu schützen?

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)